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Baltimore Ravens und die neue Offense um Lamar Jackson: Die Antithese

Die Baltimore Ravens um Lamar Jackson werden nächstes Jahr eine Offense spielen, die im krassen Gegensatz zum Trend der Zeit stehen wird.
© getty
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Was macht die Ravens-Offense aus?

Wenn man Baltimores Offense verstehen will, muss man auf die Tight Ends schauen, das dürfte auch für 2019 gelten.

War der Tight End nicht mit Jackson und Edwards im Backfield, sah man zwei Dinge häufig: Pre-Snap-Motion - bei gefühlt jedem zweiten Play bewegte sich der Tight End Pre-Snap von der einen auf die andere Seite der Formation - und den Tight End als Pull-Blocker.

Das hier abgebildete Play war der 33-Yard-Touchdown-Run von Jackson gegen die Browns, und zeigt sinnbildlich, warum Baltimore so lange mit einer eigentlich so wenig komplexen Offense sehr erfolgreich war.

Der blau eingekreiste Verteidiger ist der Spieler, den Jackson liest. Weil er sich nach innen orientiert, zieht Jackson den Ball zurück und statt eines Inside-Runs von Edwards läuft Jackson hinter seinem Tight-End-Vorblocker nach außen. Damit wäre es aber die Aufgabe des Spielers hinter dem gelesenen Verteidiger, den Run nach innen zu schieben - der lila markierte Pfeil wäre für ihn die Antwort.

Doch stattdessen orientiert auch er sich nach innen. Die Folge ist viel zu offener Raum für Jackson, und ein einfacher Touchdown für den explosiven Runner.

Und damit hatte Baltimore über mehrere Wochen durchschlagenden Erfolg.

Auch designte Quarterback-Runs gab es aus diesen Formationen, und die machten den größten Part von Jacksons Runs aus: Jackson lief 135 Mal aus designten Runs heraus und scrambelte nur 22 Mal. Zone Reads und geplante Quarterback-Keeper, kombiniert mit Play Action wurden das Rückgrat der Offense.

Zum Vergleich: Deshaun Watson (60 Scrambles, 40 designte Runs), Blake Bortles (40/18) oder auch Mitch Trubisky (36/32) brachen bei ihren Runs zum Teil deutlich häufiger aus dem Play-Design aus.

Es waren immer wieder die gleichen Grundkonzepte und die gleichen Formationen, aus denen Baltimores Offense funktionierte - maßgeblich dadurch, dass man mit Jackson im Run Game 11-gegen-11 spielte, und es schaffte, durch die Option-Elemente Überzahlsituationen zu kreieren.

Mehr Vielseitigkeit und die Chargers als Warnung

Nur bedingt wurde Baltimore vielseitiger, arbeitete etwa wie im unten abgebildeten Spielzug mit zwei Pull-Blockern in Richtung des Tight Ends.

Das war der 8-Yard-Touchdown-Run von Lamar Jackson gegen Cleveland, bei dem der ungeblockte Verteidiger auf der Seite ist, von der die beiden Pull-Blocker kommen und wenn die Option ihn außen hält, Jackson hinter beiden Pullern und dem Tight End laufen kann. Genau das passierte hier:

Allerdings war die Offense längst nicht flexibel und vielseitig genug, um anhaltend auf diese Art Erfolg zu haben; das wurde bei der Wildcard-Niederlage gegen die Chargers überdeutlich.

Jackson hatte über drei Viertel als Passer viel zu große Defizite, während die Chargers eine Blaupause lieferten, wie man mit der Version des Vorjahres-Ravens-Run-Games umgehen muss.

Die Chargers hatten erst unmittelbar vor dem Playoff-Duell in der Regular Season gegen Baltimore gespielt. Damals gewannen die Ravens auswärts auf dem Rücken des Run Games, doch hatte L.A. damit die verschiedenen Formationen und Zone Reads gerade erst auf dem Feld gesehen.

In gewisser Weise war es ein Schnelldurchlauf des Schicksals, das die Zone-Read-Offense vor einigen Jahren erlitten hatte. Nachdem Colin Kaepernick, Russell Wilson und Robert Griffin III. die Liga mit dem Zone Read und Option Offense im Sturm erobert hatten, passten sich die Defensive Coordinator an. Es dauerte eine Weile, doch wurde schließlich klar, dass der Zone Read zwar ein Teil einer Offense sein kann - nicht aber dessen Basis.

Nach wie vor sehen wir ihn in der NFL, ganz besonders die Panthers nutzen verschiedene Option-Elemente mit Cam Newton; die Play-Designs sind dabei aber meist nicht wahnsinnig komplex, der Zone Read funktioniert eher, weil die Offense drum herum mit einem ausgeprägten Passing Game die Defense vor verschiedene Hürden stellt.

Die Chargers brachten den Ravens diese Lektion innerhalb eines Spiels bei.

Die kurze Version: Los Angeles ließ seine Defensive Line aggressiv attackieren und setzte dahinter auf Geschwindigkeit, um mögliche Lücken schnell schließen zu können.

Die Chargers spielten gegen die Run-lastigste Offense der Liga ohne echten Inside Linebacker - 58 der 59 Defense-Snaps kamen mit sieben Defensive Backs auf dem Feld, das waren mehr 7-DB-Snaps, als die Chargers vorher in der kompletten Regular Season gespielt hatten (50). Kein Team hatte bis dato in der Saison in einem Spiel mehr als 18 Snaps mit sieben Defensive Backs gleichzeitig gespielt.

Jackson kam bei fünf designten Runs auf acht Yards, die noch zu rudimentäre Ravens-Offense war vorhersehbar geworden. Die Chargers profitierten dabei fraglos davon, dass sie diese Offense gerade erst auf dem Feld gesehen hatten; doch wenn die Defensiv-Experten in der NFL eine Offseason haben, um Baltimores Offense zu studieren, darf man getrost davon ausgehen, dass die Ravens drastisch komplexer werden müssen, wenn sie über das Run Game dominieren wollen.