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Third and Long: Beckham, Rosen und Co. - die besten Moves der Offseason

SPOX blickt auf die besten Moves der diesjährigen Offseason.
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5. Ravens holen Earl Thomas

Bereits in der vergangenen Saison hatten die Ravens vielleicht die am schwersten lesbare Defense, mindestens aber in der Top-3 dieser Kategorie. Baltimore brachte permanent aus allen Richtungen Druck, nur um dann beim nächsten Snap acht Verteidiger in Coverage zurückfallen zu lassen.

Bei kaum einer Defense war es für die gegnerische Offense so schwer vor dem Snap erkennbar, woher der Druck kommen würde. Beinahe hätte das auch für einen Sieg in Kansas City im Schlussspurt der Regular Season gereicht.

Baltimores anspruchsvolle, flexible Defense resultierte darin, dass im Endeffekt elf (!) verschiedene Spieler zweistellige QB-Pressure-Zahlen hatten, von denen wiederum vier gleichzeitig über 120 Coverage-Snaps verzeichneten. Edge-Verteidiger Matthew Judon sowie Linebacker C.J. Mosley waren zwei der Spieler, die hier am flexibelsten eingesetzt wurden.

Ein Garant für die Flexibilität der Defense war auch das Safety-Duo, bestehend aus Tony Jefferson und Eric Weddle. Beide verbrachten etwa die Hälfte ihrer Snaps als Free Safety, die andere in der und um die Box. Mit Thomas erhalten die Ravens um ihren neuen Free Safety herum noch mehr Freiheiten, um ihr Scheme zu spielen.

Ohne Thomas auf dem Feld ließ Seattle über die vergangenen beiden Jahre deutlich mehr Yards pro Pass und mehr explosive Plays zu. Thomas deckt mit seiner Erfahrung, Antizipation und Geschwindigkeit so viel Raum ab, dass es für eine Offense deutlich schwerer ist, ins vertikale Passspiel zu gehen, wenn Thomas auf dem Feld steht.

Kombiniert man Thomas' Qualitäten mit dem Potenzial, das die Ravens auch in ihrem Cornerback-Corps haben, lässt das vor allem einen Schluss zu: Baltimore sollte in Coverage nächstes Jahr eines der klar besten Teams der Liga sein - was auch die Blitz-Möglichkeiten nochmals erweitert.

4. 49ers bauen sich einen Pass-Rush

Seit Jahren schon ist der Pass-Rush in San Francisco ein konstantes Problem. Zwar ist DeForest Buckner in die Defensive-Line-Elite geklettert, abgesehen von Buckner aber taten sich die 49ers zuletzt enorm schwer damit, Pass-Rush zu kreieren. Elvis Dumervil 2017 sowie Cassius Marsh letztes Jahr waren die beiden gefährlichsten Pass-Rusher neben Buckner. Beide sind inzwischen nicht mehr in San Francisco.

Im defensiven Scheme von Robert Saleh baut San Francisco darauf, primär ohne komplexe Blitz-Designs zum Quarterback zu kommen - dafür war der Pass-Rush allerdings zu lange deutlich zu eindimensional.

Die Konsequenz daraus? San Francisco hatte letztes Jahr die sechstschlechteste Turnover-Differential der Super Bowl Ära (-25) und stellte einen Negativ-Rekord für defensive Turnover in einer Saison auf: Ganze sieben (!) Takeaways hatten die Niners in der vergangenen Saison. Der bisherige Negativ-Rekord lag bei elf Takeaways in einer Saison. San Franciscos Defense verzeichnete 2018 in nur fünf verschiedenen Spielen Turnover.

Dazu kam fraglos, dass die Secondary zahlreiche Fragen mitbringt; im Prinzip ist jede Position außer der von Richard Sherman mit einem Fragezeichen zu versehen, und es ist noch immer überraschend, wie inaktiv die Niners hier bislang im Draft und in der Free Agency waren.

Das wird auch in der kommenden Saison ein Thema sein, klar ist aber: San Francisco sollte seinen mit Abstand besten Edge-Rush seit Jahren haben.

Nick Bosa war der No-Brainer-Pick, nachdem Arizona den Draft mit Kyler Murray eröffnet hatte; Bosa war das beste Edge-Rush-Prospect dieser Klasse und passt perfekt ins Niners-Scheme. Gemeinsam mit Dee Ford, den San Francisco für lediglich einen 2020er Zweitrunden-Pick erhielt und dann mit einem sehr Team-freundlichen Vertrag ausstattete, aus dem die 49ers günstig aussteigen können, sollte damit Buckner endlich konstant entlastet werden.

Bei den Buccaneers hatte ich die "Pass-Rush vs. Coverage"-Debatte kurz angerissen, gemeinsam mit dem Problem der Bucs, dass sie zu lange weder das eine, noch das andere auf einem hohen Level leisten konnten. Die 49ers fielen gerade letztes Jahr auch in diese Kategorie und können jetzt zeigen, wie sehr eine starke Front die Secondary im Passing Game entlasten kann.

3. Das Beherrschen der Compensatory Picks

Die Compensatory Picks und der Umgang der Teams damit haben für mich etwas faszinierendes - vor allem die Tatsache, dass unheimlich viele Teams diese von der NFL "geschenkten" Picks so wenig wertschätzen, dass sie lieber einen Veteran für die Kadertiefe noch verpflichten, der es womöglich überhaupt nicht ins Team schafft, und so potenziell wertvolles Draft-Kapital aufgeben.

Allein der Blick auf dieses Jahr: Sieben Compensatory Picks wurden in der dritten Runde vergeben, weitere vier in der vierten Runde - das sind potenzielle Starter für mehrere Jahre, die Teams hier finden können. Und es sind wertvolle Trade-Spots.

So machte Washington aus (Compensatory-)Pick 96 Overall zwei Viertrunden-Picks im Trade mit den Bills, die Patriots (97 Overall), Rams (98 und 99 Overall) und Ravens (102 Overall) tradeten ihre Compensatory-Picks alle für mehr Draft-Picks. Die Panthers (100 Overall) nutzten ihren Compensatory Pick für Quarterback Will Grier.

Und man erkennt dabei auch schnell Muster. Teams wie die Ravens und Patriots legen schon seit Jahren merklichen Wert auf die Compensatory Picks, die Rams und Eagles sind in den vergangenen Jahren in diese Riege dazu gestoßen.

Welche Teams haben mit Blick auf die Compensatory-Picks dieses Jahr clever gewirtschaftet?

TeamPrognose Compensatory Picks 2020
New England Patriots4 (3. Runde, 3. Runde, 6. Runde, 6. Runde)
Seattle Seahawks4 (3. Runde, 4. Runde, 6. Runde, 7. Runde)
Philadelphia Eagles2 (3. Runde, 4. Runde)
Miami Dolphins2 (3. Runde, 5. Runde)
Baltimore Ravens2 (3. Runde, 4. Runde)
Los Angeles Rams2 (4. Runde, 4. Runde)

Es sind auch in diesem Jahr wieder die gleichen Teams. New England wird erneut sehr hohen Value bei den Compensatory Picks abstauben, die Eagles profitieren von den Abgängen von Nick Foles und Golden Tate. Baltimore wird für die Abgänge von Za'Darius Smith und John Brown belohnt, die Earl-Thomas-Verpflichtung hebt den Abgang von C.J. Mosley in der Formel auf.

Und auch die Seahawks (Abgänge u.a. Earl Thomas, Justin Coleman) fallen hier erneut auf. Bei Seattle war bereits im Draft überaus auffällig zu erkennen, dass die Seahawks ihre Chance auf Treffer im Draft unbedingt erhöhen wollten; mehrfach tradeten die Hawks zurück und gingen so mit elf statt - gemäß der ursprünglichen Picks - fünf Spielern aus dem Draft.

Natürlich gehört es zum Spiel mit den Compensatory Picks nicht nur, einfach hochpreisige Free Agents ziehen zu lassen; jedes Team muss sich Verstärkungen von außerhalb holen, da langfristig kein Team signifikant besser draftet als die anderen 31.

Die Eagles und Patriots zeigten da aber erneut mustergültig den Weg, indem sie für erfahrene Kräfte günstig tradeten (DeSean Jackson, Jordan Howard, Michael Bennett), entlassene Spieler, die nicht in die Formel einberechnet werden, verpflichteten (Malik Jackson, Demaryius Thomas) und insbesondere im Fall der Pats nach Ende des Compensatory-Fensters nochmals in der zweiten Welle der Free Agency zuschlugen (Jared Veldheer, Dontrelle Inman, Ben Watson). Das Traden für Veterans hat in New England bereits eine längere Tradition.

Derweil sieht man im krassen Kontrast andere Teams, die offensichtlich Compensatory Picks in ihrem Vorgehen nicht beachten. Gemeint sind nicht dringend benötigte Verstärkungen, die ein Team in der Free Agency holt - eher so etwas wie die Buccaneers, die sich mit den Verpflichtungen von Breshad Perriman und Punter Bradley Pinion potenziell lukrative Compensatory Picks für Kwon Alexander und Adam Humphries verbauten.

Teams werden bei der Kaderzusammenstellung smarter; insbesondere was den Umgang mit Draft-Picks, deren Value und das generelle Angehen des Draft-Prozesses angeht, gibt es allerdings noch drastische Unterschiede.

2. Dolphins traden für Josh Rosen

Der Quarterback ist in der heutigen NFL mit weitem Abstand die wichtigste Position. Ein auch langfristig angelegter Umbruch kann auf dem Reißbrett fantastisch aussehen - im Endeffekt steht und fällt es aber mit der Frage, ob man seinen Quarterback findet. Das jahrelange Sammeln von Draft-Picks und der komplette Umbruch bei den Browns sieht heute rückblickend betrachtet sehr gut aus; hätten sie aber am Ende dieses Prozesses nicht Baker Mayfield gefunden und gedraftet, würde das alles in einem komplett anderen Licht stehen.

Die Miami Dolphins wollen gerade einen ähnlich tiefgreifenden Umbruch hinlegen. Defensiv gibt es einige Säulen mit Minkah Fitzpatrick, Xavien Howard und potenziell auch Christian Wilkins, offensiv dürfte man hier wohl Laremy Tunsil und Kenny Stills dazu zählen. Darüber hinaus scheint wenig über die nächsten Jahre in Miami garantiert zu sein.

Die Entscheidung, Spieler wie Ryan Tannehill, Cameron Wake und Robert Quinn gehen zu lassen, während der Salary Cap 2020 endlich von den großen Altlasten befreit sein wird, deutet auf den konkreten Plan hin: Miami wird in der kommenden Saison junge Spieler testen und 2020 eines der spannendsten Teams in der Free Agency und dann auch im Draft sein.

Das führt zurück zur Ausgangsthese: Ob Umbruch oder nicht - man muss seinen Quarterback finden und dementsprechend auch Chancen, diesen Spieler zu finden, nutzen. Ganz besonders wenn sie so auf dem Silbertablett kommen, wie es mit Josh Rosen und den Dolphins der Fall war.

Rosen, im Vorjahr noch ein Top-10-Pick und für viele eines der vielversprechendsten Quarterback-Prospects der letzten Jahre, hatte in Arizona eine echte Horror-Situation für einen Rookie-Quarterback: Eine von Verletzungen dezimierte, horrende Offensive Line, gepaart mit dem schlechtesten offensiven Scheme in der NFL.

Die Cardinals zogen dann die komplette Reißleine und gehen mit Kliff Kingsbury und Kyler Murray in eine ganz andere Richtung - Rosen wurde so, auch wenn er gute Ansätze gezeigt hatte, entbehrlich. Und aufgrund eines massiven Mismanagements der Situation das auch noch zum Spottpreis.

Miami nahm sogar noch einen zusätzlichen Zweitrunden-Pick 2020 mit, als man erst mit den Saints tradete und in der zweiten Runde 14 Spots nach unten ging. Dieser Pick wanderte dann, gemeinsam mit einem Fünftrunden-Pick 2020, für Rosen nach Arizona. So stark war die Verhandlungsposition der Dolphins, die jetzt testen können, ob Rosen ihre langfristige Antwort auf der Position sein kann. Dann wäre es einer der größten Steals der vergangenen Jahre.

1. Browns holen Odell Beckham

Der Hype in Cleveland war schon vor jenem 13. März groß. Die Browns haben in Baker Mayfield allem Anschein nach tatsächlich endlich einen Quarterback gefunden, Freddie Kitchens ist ein vielversprechender Head Coach der sich einen eindrucksvollen Trainerstab zusammengestellt hat, die Defense hat einen jungen Star-Pass-Rusher und einen potenziellen Star-Cornerback und offensiv scheinen die Möglichkeiten von Spielern wie David Njoku oder Antonio Callaway noch längst nicht vollends ausgeschöpft.

Mit zwei klaren Needs ging Cleveland dennoch in die Free Agency: Ein Defensive Tackle und ein möglicher Nummer-1-Receiver musste her. Letzteres gab es auf dem Free-Agency-Markt nicht, weshalb viele bereits dafür Richtung Draft schauten.

Der Trade für Odell Beckham veränderte nicht nur die Sichtweise auf die Giants und Browns, er könnte die AFC North und die ganze Liga nachhaltig verändern. Denn während die Giants wie ein Team im Rebuild aussehen, scheint Cleveland bereit für etwas, dass es dort sehr lange nicht mehr gegeben hat: Eine Playoff-Teilnahme.

Beckham ist ein Elite-Spieler, seine Fähigkeiten im vertikalen Passing Game und nach dem Catch sollten hervorragend mit Mayfields Accuracy harmonieren. Gemeinsam mit Jarvis Landry im Slot, Njoku als Receiving-TE und Rashard Higgins sowie Antonio Callaway als WR-Optionen 3 und 4 haben die Browns ein immenses Waffenarsenal; von dem vollgepackten Backfield ganz zu schweigen.

Dass die Browns ihre zweite größere Baustelle - die Interior Defensive Line - darüber hinaus noch mit Sheldon Richardson schließen konnten, setzt dem Ganzen noch die Krone auf. Die Erwartungen in Cleveland sind so hoch wie seit sehr vielen Jahren nicht mehr; rein auf dem Papier sollte dem auch so sein.

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