NBA

Das Ende der Luftschlösser

Jeff Hornacek (l.) und Joakim Noah sind zwei "Neuzugänge" bei den Knicks
© getty

Nachdem die Free Agency so gut wie durch ist, analysiert SPOX die Offseason-Moves aller Teams. Den Anfang macht mit den New York Knicks eins der aktivsten Teams dieses Sommers. Was war die Strategie hinter den Entscheidungen von Präsident Phil Jackson - und ist sie aufgegangen?

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Die Transaktionen: Um es kurz zu machen: Fast alles ist neu. Die Knicks haben in Jeff Hornacek einen neuen Coach und dazu jede Menge neue Spieler: Die namhaftesten Neuzugänge sind Derrick Rose, Joakim Noah, Courtney Lee und Brandon Jennings, aber auch sonst wurde der Roster fast ausschließlich mit neuen Gesichtern aufgefüllt, wie zum Beispiel mit den Europa-Importen Willy Hernangomez, Mindaugas Kuzminskas und Maurice Ndour.

Aus dem Vorjahres-Kader sind tatsächlich nur noch Carmelo Anthony, Kristaps Porzingis, Sasha Vujacic, Lance Thomas und Kyle O'Quinn mit von der Partie. Die Vorjahresstarter Robin Lopez, Arron Afflalo und Jose Calderon spielen von nun an allesamt woanders.

Die Strategie: Nach drei enttäuschenden Saisons am Stück wollten Phil Jackson und Steve Mills ihr Team sportlich endlich wieder ein Stück nach vorne bringen und Optimismus kreieren, gerade bei Melo, ohne dafür die Zukunft des Teams zu riskieren. Daher gehörte New York zu den aktivsten Teams überhaupt in diesem Sommer und hat am Ende ein fast komplett runderneuertes Team beisammen.

Drei Free Agents (Lee, Noah und Thomas) wurden mit Vierjahresverträgen ausgestattet und sollen langfristig Teil der Identität der Knickerbockers werden, wenngleich gerade Noah dafür extrem kostspielig war (73 Millionen Dollar). Die Knicks hatten dieses Geld jedoch ohnehin zur Verfügung und setzten darauf, dass er auch im höheren Alter ein "Spirit Animal" für die Knicks sein kann. Alle drei sind als harte Arbeiter bekannt.

Der interessanteste Move war aber freilich der Trade für Rose. Prinzipiell hat New York den früheren MVP nur "gemietet": Sein Vertrag läuft in einer Saison aus, genau wie der von Backup Jennings. Wenn er einschlägt, kann man ihn halten - wenn nicht, ist man ihn nach einem Jahr wieder los und hat in der Zwischenzeit wenigstens Melo zufriedengestellt.

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Nach dem Trade und der Noah-Verpflichtung waren Kasse und Kader gleichermaßen ziemlich leer, daher wurde das Team ansonsten mit günstigen, aber durchaus talentierten Spielern aufgefüllt. Gerade Kuzminskas könnte in ein neues, schnelleres System von Hornacek mit seinem Wurf gut reinpassen - wenn Jackson seinem neuen Coach nicht doch irgendwann wieder die Triangle-Offense aufzwängt.

Die Schwachstellen: Die Verletzungsanfälligkeit der Knickerbockers ist wohldokumentiert - allein die neue "Big Four" aus Porzingis, Melo, Rose und Noah verpasste vergangene Saison 89 Spiele, wobei Noah allein 53 Spiele aussetzen musste. Ausfälle wird es auch in der kommenden Saison geben und dann kommt die fehlende Tiefe zum Tragen.

Rose' einziger echter Backup ist Jennings, der selbst vor nicht langer Zeit einen Achillessehnenriss verkraften musste. Hinter Lee warten weitgehend Unbekannte wie Justin Holiday und Ron Baker sowie der Unsterbliche Vujacic.

Immerhin sieht es im Frontcourt etwas besser aus, aber als "verlässliche" Optionen kann man die NBA-Neulinge Kuzminskas, Ndour, Hernangomez oder Marshall Plumlee natürlich auch noch nicht ansehen. Natürlich können einige von ihnen überraschen, aber nach dem aktuellen Kenntnisstand haben die Knicks einen ziemlich dünnen und gerade in der Spitze auch alten Kader.

Letzteres lässt auch die Frage offen, ob Hornacek mit diesem Team tatsächlich schnell spielen lassen kann. Abgesehen von Rose in alten Zeiten ist niemand bei den Knicks als Sprinter bekannt und auch der Ex-MVP forcierte in den letzten Jahren selten den Fastbreak.

Dabei könnte ein hohes Tempo ideal sein, um den herausragenden Schützen Melo, Lee und auch Porzingis, wenn er sich in der Hinsicht steigern kann, offene Würfe vom Perimeter zu verschaffen. Dass Rose oder Jennings dies tatsächlich schaffen, ist nicht im Geringsten garantiert.

Sollte es dann doch wieder mehr über Halfcourt-Offense gehen, wird die fehlende Wurfstärke von Rose und Noah ein Problem - und wir sehen wieder den Isolations-Basketball, der sich eigentlich längst überholt haben sollte.

Der Hoffnungsträger: Machen wir uns nichts vor: Bei allen Änderungen im Roster ist der große Hoffnungsträger natürlich immer noch Porzingis. Der "Lativian Gangbanger" (cc Michael Rapaport) soll langsam an seine Rolle als zukünftiger Franchise Player herangeführt werden und insbesondere in Noah hat er nun einen Nebenmann, von dem er in Sachen Leadership einiges lernen kann.

Rose und Jennings sind zwar keine elitären Playmaker, dürften ihm aber dennoch bessere Würfe verschaffen als ihre Vorgänger Calderon oder Jerian Grant. Aber nicht nur deshalb kann man davon ausgehen, dass Porzingis seiner soliden Rookie-Saison eine noch deutlich bessere Kampagne draufsetzen wird.

Ende der letzten Saison war die Rookie-Wall für ihn unüberwindbar, er war körperlich einfach noch nicht bereit für 82 Spiele in einer Saison. Das schlug sich in seinen Quoten und der allgemeinen Effizienz nieder, sollte nach einem weiteren Sommer im Kraftraum aber nicht mehr so ein Problem darstellen.

Umso glücklicher dürften die Knicks darüber sein, dass der Lette im Sommer auf die Olympischen Spiele verzichtet. Die Neuverpflichtungen nehmen ihm etwas Druck und vielleicht auch ein paar Würfe, für seine langfristige Entwicklung sollte dies aber ein rundum positiver Sommer sein.

Das Fazit: Den Vorwurf, nicht aktiv gewesen zu sein, muss sich Jax nach diesem Sommer nicht gefallen lassen - kein Team feilte derart radikal an seiner Zusammensetzung wie die Knicks. Ein "auf dem Papier besonderes Team", wie Melo es ausdrückte, steht danach allerdings nicht zur Verfügung. Dafür bieten die Verletzungshistorien von Rose, Noah, Jennings und Melo selbst einfach zu viele Fragezeichen.

Das ist aber auch nicht dramatisch. Die Mannschaft dürfte mehr Spiele gewinnen als in der letzten Saison und dennoch hat Jackson die größte Priorität, die Entwicklung von Porzingis, nicht aus den Augen verloren und zukünftige Picks oder dergleichen abgegeben.

Der Rose-Trade war ein Move mit geringem Risiko, selbst wenn man Lopez und seinen günstigen Vertrag sicher gerne behalten hätte, und Jennings für nur 5 Millionen Dollar war ein Steal. Vergangene Saison hatten die Knicks wohl die schlechteste Aufbau-Kombination der Liga, nun sieht die Eins zumindest auf dem Papier besser aus, wenn auch auf wackligen Beinen.

Zu guter Letzt: Die Knicks sind weiterhin nicht "fertig", die Vision des Zen-Meisters noch nicht umgesetzt. Aber mit den langfristig unter Vertrag stehenden Melo, Porzingis, Lee, Noah und Thomas kann man kommenden Sommer zumindest ein existierendes Konstrukt präsentieren, wenn man mit potenziellen Free Agents spricht.

Das ist ein klarer Fortschritt gegenüber den Luftschlössern, die im Big Apple in der Vergangenheit gerne gebaut wurden. Deswegen sollte die Bewertung am Ende auch nicht allein davon abhängen, ob einer der hinteren Playoff-Plätze erreicht wurde oder nicht.

Note: 3+

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