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"Bin ein bisschen wie Thomas Müller"

Dirk Nowitzki genießt mittlerweile das Bad in der Menge
© getty

Heute kaum denkbar, musste Dirk Nowitzki in Deutschland Spott und Skepsis ertragen, bevor er zum Weltstar wurde. Seine Ode an wahre Freunde und die Treue zu sich selbst. Und sein ehrliches Geständnis über Komplexe, peinliche Disko-Begegnungen und die herablassende Art in Basketball-Deutschland. Anlässlich der Kino-Premiere der Biografie "Dirk Nowitzki - Der perfekte Wurf" am 18. September gibt sich der 36-Jährige im exklusiven SPOX-Interview so offen wie nie.

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SPOX: Reichlich ungewöhnlich gaben Mavs-Besitzer Mark Cuban und Chandler Parsons, die wichtigste Verstärkung in diesem Sommer, Ihre Einigung bekannt: mit einem Foto, wie sie gemeinsam in einem Nachtclub in Dallas feiern. Kamen dabei Erinnerungen auf an Ihre eigene denkwürdige Begegnung mit Cuban in einer Disko vor fast 15 Jahren?

Dirk Nowitzki: Auf jeden Fall, ich kann mich noch sehr genau an den Abend in der Disko erinnern. Damals spielte ich zwar schon bei den Mavs, aber ich war ein Rookie, der von wenig Ahnung hatte. Umso peinlicher wurde es. Ich war also mit Steve Nash in der Disko und bemerkte diesen Typen, den ich vom Sehen von den Heimspielen kannte, weil er als Season-Ticket-Holder immer in der ersten Reihe saß und herumbrüllte und herumtanzte. Auf jeden Fall sprach Steve kurz mit ihm und kam zu mir mit der Info, dass uns der Typ da ein Bier kaufen will. Ich antwortete nur: "Ne, lass mal, ich hab' jetzt keinen Bock auf Bier."

SPOX: Dieser Typ stellte sich wenig später als der neue Besitzer der Mavericks heraus. Und Cuban erinnerte sich sehr genau an Ihre Abfuhr.

Nowitzki: Offenbar war schon damals alles klar, dass Mark die Franchise kauft, ich jedoch wusste natürlich nichts davon. Rookie eben. Wie auch immer: Zwei, drei Wochen nach dem Disko-Abend kam Donnie Nelson, der General Manager, zu mir und sagte: "Du erinnerst dich bestimmt an den Typen, der dir in der Disko ein Bier kaufen wollte. Er ist übrigens unser neuer Eigentümer." Ich stand erstmal auf dem Schlauch und wusste gar nicht, über was Donnie redet - aber dann kam tatsächlich dieser Typ um die Ecke und mir fiel erstmal die Kinnlade runter. Ich habe Mark natürlich gleich wiedererkannt, so eine Erscheinung vergisst man ja nicht. Im Nachhinein ist es eine schöne Story. Damals allerdings fühlte es sich für das gesamte Team und mich seltsam an. Wir wussten nicht, was Mark vorhat. Es hätte gut sein können, dass er alle Coaches rausschmeißt und alle Spieler tradet.

SPOX: Es kam anders.

Nowitzki: Im Endeffekt hätte uns nichts Besseres passieren können. Mark brachte Kontinuität in den Klub. Er hat - völlig ungewöhnlich bei einem Owner-Wechsel - das Front Office und den Trainerstab behalten, uns einen Flieger gekauft, eine neue Halle gebaut, und und und. Mark ist ein absoluter Glücksgriff für die Mavs.

SPOX: Von außen betrachtet, könnte man glauben, dass Sie und Cuban unterschiedlicher kaum sein könnten. Andererseits: Sind sie sich ähnlicher, als viele meinen? Cuban steht bei aller Extravaganz wie Sie für Beständigkeit und Werte.

Nowitzki: Das könnte die Erklärung dafür sein, warum wir uns von Anfang an super verstanden haben, obwohl wir anders ticken. Er war anfangs bei jedem Training und bei jedem Auswärtsspiel dabei, war bei jeder Halbzeit in der Umkleide. Er war ein Riesen-Fan, der es sich geleistet hat, seinen Traum zu verwirklichen und den Lieblingsklub zu kaufen. Das imponiert mir. Über die Jahre entstand so ein super Verhältnis. Ob auf dem Spielfeld, wo er mich immer unterstützt und mich über Jahre zum bestbezahlten Spieler der gesamten Mannschaft gemacht hat. Oder außerhalb des Spielfelds. Wenn es zu Problemen kam, versucht er immer, seine Quellen zur Verfügung zu stellen, damit es allen gut geht. Darin ist er einmalig.

SPOX: Ein großer Unterschied ist das Verhältnis zur Öffentlichkeit: Während sich Cuban sehr offen gibt, äußerten Sie sich immer ausgesprochen zurückhaltend. Woher kommt Ihre Grundskepsis gegenüber den Medien? Es ist insofern schwer nachzuvollziehen, weil Sie eine Sonderstellung im deutschen Sport genießen und im Grunde von jedem deutschen Sportjournalisten gemocht und selten kritisiert werden.

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Nowitzki: Zu Beginn meiner Karriere war ich... wie soll ich das sagen... "unsicher" trifft es wohl am besten. Dazu kam, dass ich als junger Spieler nicht nur in Deutschland viele Interviews geben musste, sondern auch in den Staaten - und das noch in Englisch, so dass ich mich in Interview-Situationen nie sicher gefühlt habe. Ich hatte deswegen immer Angst, dass mir ein Fehler unterläuft. So entstand wohl der falsche Eindruck. Dabei war es nie so, dass ich Journalisten nicht mochte. Überhaupt nicht. Ich war einfach nur unsicher. Wobei ich nach fast 20 Jahren Karriere und vielen Interviews lockerer und ehrlicher geworden bin. Ich habe nichts zu verbergen und so gebe ich mich.

SPOX: Sind Sie umso verblüffter von einem Thomas Müller, der sich von Beginn an in der Öffentlichkeit nicht zu verstellen scheint?

Nowitzki: So ein Charakter wie Thomas passt in jeder Sportart in jede Mannschaft perfekt rein. Ich bin ein bisschen wie er, der immer ein Witzchen in der Umkleide reißt und versucht, gute Laune zu verbreiten. Aber ich gebe es zu: Thomas ist schon eine andere Nummer. Er hat selbst vor der Kamera immer einen Spruch auf den Lippen und es macht Spaß, ihm in Interviews zuzuschauen.

SPOX: Was Müller anders als Ihrem Mentor Holger Geschwindner gelingt: Trotz einer verschrobenen Art massenkompatibel zu sein.

Nowitzki: Ob etwas massenkompatibel ist oder nicht, kann man selbst nicht beeinflussen. Ich habe von Anfang an gelernt, dass ich mich nicht verstellen möchte. Ich wollte immer ich selbst sein. Wenn das gut ankommt, dann freut es mich. Wenn nicht, stört es mich nicht besonders, weil ich es eh nicht anders kann, als ich selbst zu sein. Ich versuchte deswegen von Anfang an, mit einem Lächeln durch das Leben zu gehen und Spaß zu haben. Mit der Schiene bin ich immer gut gefahren.

Seite 2: Nowitzki über starke Kritik aus Deutschland und Kumpel Parsons

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