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NBA-Kolumne Above the Break: Das größte Problem der Celtics ist nicht Stephen Curry

Stephen Curry (r.) hatte in Spiel 5 erstmals in den Finals eine Off-Night.
© getty
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Die Celtics vertrauen darauf, dass ein einziger Spieler ihre Defense nicht über eine Serie schlagen kann. Auf Dauer funktioniert es nicht, dass ein Spieler alles machen muss und damit erfolgreich ist - es ist kein Zufall, dass Michael Jordan laut basketball-reference der einzige Spieler ist, der mit einer Usage-Rate von mindestens 36 Prozent über eine Postseason Champion wurde. Curry steht derzeit bei über 34 Prozent in den Finals, mit Abstand Höchstwert in seiner Karriere.

Dafür nimmt man eine Partie wie Spiel 4 in Kauf, in der Curry für 43 Punkte explodierte - es war bereits das sechste 40+-Spiel eines gegnerischen Spielers in diesen Playoffs gegen Boston (dreimal Giannis, zweimal Butler, keinmal Kyrie/KD)! Weil man damit rechnet, dass es dann auch mal ein Spiel wie das fünfte geben wird, in dem Curry nichts trifft.

Eigentlich ist dieses Konzept nachvollziehbar, vermutlich sogar richtig. Dumm ist nur, wenn man diese Chance dann nicht nutzt und weder gegen "nur Curry" noch gegen "den Rest" gewinnt. Das Problem dabei ist aber nicht die Defense.

NBA Finals: Bostons Offense steckt fest

Golden State hatte über die vergangenen drei Spiele laut Cleaning the Glass Offensiv-Ratings von 112 (2x) und 106 - jeweils klar unter ihrem Playoff-Schnitt. Sie wurden nicht kaltgestellt, das wäre übertrieben, aber Boston verteidigte sie insgesamt gut genug, um Spiele zu gewinnen, vor allem im Halbfeld.

"Gut genug" gilt jedoch nicht für die Offense. Bei beiden Siegen war die Offense richtig gut, in den drei Niederlagen haben die Celtics ein jämmerliches Offensiv-Rating von 93,9. Bei allem Fokus auf die bärenstarke Boston-Defense ist es in dieser Serie die Defense der Warriors, die der Gegenseite den Hahn abgedreht hat.

Die Warriors kennen die Tendenzen der Celtics, insbesondere von Tatum und Jaylen Brown. Beiden wird fast nie die rechte Seite angeboten, beide werden unter Druck gesetzt, weil ihr Ballhandling nicht wirklich stark ist. Die Zone wird durch zeitige Hilfe zumeist abgeriegelt. Individuell wird sehr gut verteidigt, insbesondere in Person von Wiggins, aber auch Payton II und bisweilen Klay Thompson, die Hilfe passt auch.

Die Warriors sind sehr gut darin, sich defensiv zusammenzuziehen und dann wieder weiter zu rotieren. Es hilft ihnen dabei, dass Derrick White sein Selbstvertrauen anscheinend wieder verloren hat und dass auch Horford oder Grant Williams gerade kaum Gefahr ausstrahlen - so kann der Druck auf insbesondere Tatum umso größer werden und gegen seine Drives noch besser ausgeholfen werden.

Gutes Spacing sieht anders aus ...
© nba.com/stats
Gutes Spacing sieht anders aus ...

NBA Finals: Die Celtics leisten sich zu viele Fehler

Bei allem Lob für die Warriors-Defense gibt es jedoch auch in jedem Spiel Momente, in denen die Celtics es ihnen viel zu leicht machen, beziehungsweise in denen sie den Ball einfach herschenken. Arglose Pässe, kopflose Drives, Offensivfouls, alles ist dabei - 15 Turnover sind es pro Spiel in dieser Serie.

Es gibt ambitionierte Pässe, und es gibt dämliche ...
© nba.com/stats
Es gibt ambitionierte Pässe, und es gibt dämliche ...

Die Celtics leisten sich schlichtweg Fehler, die einem auf der Finals-Bühne unerfahrenen, aber auch müden Team unterlaufen können, das seit Monaten mit einer 7er-Rotation spielt, (selbst verschuldet) kaum Pausen hatte und nun gegen ein Team ran muss, das mehr in Bewegung ist und gefährlichere Schützen hat als jedes andere NBA-Team.

Das ist ja ein unterschätztes Dilemma mit diesen Warriors: Selbst wenn über 20 Sekunden jede Rotation sitzt, jeder Cut abgefangen wurde, ein Bruchteil einer Sekunde Unaufmerksamkeit kann einen offenen Relocation-Dreier bedeuten. Umso mehr schmerzt es, wenn man gute Defensiv-Possessions verschwendet, indem man Offensiv-Rebounds erlaubt oder den Ball gleich wieder herschenkt.

NBA Finals: Boston bekommt eine Lektion erteilt

Die Warriors bestrafen diese Fehler. Und sie nutzen generell ihre Vorteile: Sie haben mehr Erfahrung, den besten Einzelspieler, das Selbstvertrauen eines mehrfachen Champions, frischere Beine, weil sie einen schnelleren Run bis zu den Finals hatten und mit Ausnahme eines miesen Auftritts in Memphis fast immer zeitig ihr Geschäft erledigt haben.

Sie spielen überwiegend auch konsequenter. Wenn Robert Williams nicht spielt, wird der Ring attackiert. Wenn Dreier und Ring zu sind, werden Abschlüsse in der Mitteldistanz gesucht. Wenn Curry doch mal gedoppelt wird, weiß man, was zu tun ist.

"Vintage" 4-gegen-3-Warriors!
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"Vintage" 4-gegen-3-Warriors!

Die Warriors kompensieren es kurz gesagt auf allen erdenklichen Wegen, dass ihre Top 7 unterm Strich nicht so viel Länge, Athletik und vielleicht auch Talent mitbringt wie die der Celtics. Dass Jordan Poole zudem all seine Buzzerbeater trifft, hilft natürlich auch. Noch nie ist ein Team ohne etwas Glück Champion geworden.

Und das soll mitnichten negativ klingen - all das ist Teil eines solchen Runs. Die Celtics sind noch nicht geschlagen, aber wenn es so kommen sollte, dann ist das die Lektion: Sie sind gut genug, um einen Titel zu holen. Das alleine bedeutet aber nicht, dass man den Titel auch holen wird. Man muss die Geschichte selbst zu Ende bringen, die Chancen nutzen, die sich bieten. Wer weiß schon, wie viele es davon geben wird?

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