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NBA Playoffs - Die Milwaukee Bucks erreichen die Finals: Das Aber schwingt immer mit

Die Milwaukee Bucks stehen zum dritten Mal in ihrer Franchise-Geschichte in den NBA Finals.
© getty

Die Milwaukee Bucks stehen am Ende einer wahren Achterbahnfahrt in den NBA Finals. Der Weg dorthin war einzigartig, auch aufgrund der hausgemachten Probleme des Teams. Doch nun spielt es keine Rolle mehr.

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Ganz ohne Drama ging es dann doch nicht. Die Bucks wären nicht die Bucks, wenn sie ihre Führung von zeitweise 22 Punkten einfach bis zum Ende verwaltet hätten; stattdessen gab es im vierten Viertel noch einmal ein Comeback der Hawks, bis auf 6 Punkte kamen die Gastgeber in den Schlussminuten ran, bevor ihr Wille endgültig gebrochen wurde.

"Was für eine Achterbahnfahrt der Emotionen", sagte Head Coach Mike Budenholzer etwas später, nachdem sein Team mit 118:107 gewonnen und das erste Finals-Ticket seit 1974 gebucht hatte. "Ich bin so beeindruckt von der Resilienz und dem Charakter dieser Gruppe. Man muss in jeder Serie, in jedem Spiel mit so vielen Emotionen umgehen, und dieses Team hat es Runde für Runde geschafft."

Mittlerweile hat Milwaukee mit diesem Auf und Ab tatsächlich einige Erfahrung. Es ist kaum drei Wochen her, dass die Bucks vor dem Saisonaus standen und laut darüber spekuliert wurde, ob Rick Carlisle noch während der Postseason Budenholzers Posten übernehmen würde.

Milwaukee Bucks: Schmerzen formen Teams

In Spiel 2 der Serie gegen Brooklyn hatte Milwaukee mit bis zu 49 (!) Punkten hinten gelegen. Es ist nur wenige Tage her, da schienen die Finals nach der Verletzung von Giannis Antetokounmpo fast außer Reichweite.

"Jedes Team hat eine unterschiedliche Reise und jedes Team muss unterschiedliche Dinge durchmachen", sagte Budenholzer dazu, auch in Bezug auf die Enttäuschungen in den Playoffs der vergangenen beiden Jahre, in denen Milwaukee eine 2:0-Führung in den Conference Finals verspielte (2019) respektive krachend in der zweiten Runde herausflog (2020).

Die Bucks haben ihre Reise, und diese ist durch und durch merkwürdig. Spätestens seit dem vergangenen Jahr konzentriert sich bei ihnen mehr auf das, was falsch läuft, als auf die Erfolge. Wenn sie mit 10 Punkten führen, fragt man sich, warum sie nicht mit 20 vorne liegen. Ihre Niederlagen wirken unentschuldbar, ihre Siege werden immer wieder mit einem "obwohl" versehen.

Milwaukee, Giannis und eine eigenartige Dynamik

Eine eigenartige Dynamik umgibt dieses Team und vor allem seinen Superstar Antetokounmpo, der es seinen Kritikern oft auch mit dominanten Leistungen nicht recht machen kann. Es gibt Gründe dafür: Der Grieche hat einige offensichtliche Schwächen in seinem Spiel, den Wurf etwa, die Entscheidungsfindung.

Die Bucks als Team neigen wiederum ein wenig zur Selbst-Sabotage. Auch in dieser Postseason gab es teilweise eigenartige Game-Plans zu sehen. Von Brooklyn ließ man sich einen fremden Stil aufzwängen, die Wurfauswahl war immer mal wieder fragwürdig. Von den Hawks ließ man sich ein Spiel ohne deren besten Spieler abnehmen, weil man zu Beginn des Spiels nicht bereit war.

Auch in Spiel 6 wurde nicht alles richtig gemacht. Nachdem Milwaukee im Spiel zuvor noch nach Kräften unterm Korb dominiert hatte, verließen sich die Bucks diesmal sehr auf den Sprungwurf, hinzu kamen viele Ballverluste. Atlanta hatte keine Chance, die Zone konsequent zu beschützen, die Bucks nutzten das weitaus weniger aus, als es möglich gewesen wäre.

Milwaukee stellt die zweitbeste Defense der Playoffs

Obwohl das Spiel am Ende gewonnen wurde und Atlanta nicht ein einziges Mal führte, blieb so ein gewisses Rest-Misstrauen haften, die Frage, ob dieses Team nun wirklich so gut ist oder ob es nur von seinen Umständen profitiert hat. Natürlich hat es eine gewisse Rolle gespielt, dass sich bei den Nets James Harden und Kyrie Irving verletzten und bei den Hawks nun Trae Young sowie zuvor schon De'Andre Hunter.

Es ist letztendlich aber nicht entscheidend. Milwaukee hatte sein eigenes Pech mit der Verletzung von Giannis, der in den Finals zurückkehren könnte, und lange zuvor Donte DiVincenzo. Die Bucks sind dünn, ihre besten Spieler haben die 7-Spiele-Schlacht gegen Brooklyn in den Knochen und mussten nun auch in dieser Serie etliche Minuten abreißen.

Und trotzdem hat es gereicht, weil eben doch auch viel richtig gemacht wird. Kein Team hat in den Playoffs bisher ein besseres Defensiv-Rating, dabei haben die Bucks mit dem Vorjahresfinalisten Miami, der (eingeschränkten) Offensiv-Maschine Brooklyn und einem variablen Hawks-Team kein Fallobst serviert bekommen.

NBA Playoffs: Das sind die besten Defensiv-Teams

PlatzTeamDefensiv-RatingBilanz
1Milwaukee Bucks10512-5
2Phoenix Suns106,712-4
3Philadelphia 76ers107,57-5
4Brooklyn Nets109,37-5
5Los Angeles Lakers109,32-4

Jrue Holiday: "Khris hat uns getragen"

Offensiv will der Wurf über die gesamten Playoffs nicht sauber fallen; die Dreierquote ist im Vergleich zur Regular Season um fast 8 Prozentpunkte auf 31,1 Prozent gefallen. Es ist rätselhaft, vor allem bei den offenen Dreiern. In Spiel 6 war P.J. Tucker das beste Beispiel dafür, der seine ersten sechs (offenen) Dreier allesamt versemmelte, aber immerhin den letzten traf.

Und trotzdem hat es gereicht, offensichtlich. Wegen Khris Middleton, der ein sensationelles drittes Viertel mit 23 Punkten hinlegte, einen Wert, den in den Playoffs in den letzten 25 Jahren nur Allen Iverson und Damian Lillard toppen konnten. "Khris hat uns getragen. Er hat sein Herz dort draußen gelassen", schwärmte Jrue Holiday, der über die gesamte Partie nicht weniger spektakulär spielte.

Die beiden verbliebenen Leader gaben den Ton an, Holiday vor allem auch defensiv. Aber es waren nicht nur sie; Brook Lopez oder Bobby Portis zeigten erneut gute Spiele, Jeff Teague traf drei Dreier, Pat Connaughton ebenfalls. "Das war das Beste heute: Wir haben von jedem einzelnen etwas gebraucht und etwas bekommen", sagte Tucker.

Milwaukee in den Finals: Neuland für alle

Es war der Oldie selbst, der 1:02 Minuten vor Schluss mit seinem einzigen erfolgreichen Dreier auf +10 stellte und die Partie damit endgültig entschied. Die Bucks krönten sich trotz aller Kritik, trotz aller Zweifel zum Champion der Eastern Conference und haben nun die Möglichkeit, die zweite Meisterschaft der Franchise-Geschichte nach 1971 zu gewinnen.

Um gegen ein starkes Suns-Team zu gewinnen, wird es sicherlich Giannis brauchen - allerdings hatte Budenholzer nach dem Spiel vorerst eine andere Bitte: "Nehmt euch eine Sekunde und genießt es. So etwas passiert nicht sehr oft. Es ist etwas Besonderes", sagte der 51-Jährige, der als Assistant Coach von Gregg Popovich bei den Spurs an vier Meisterschaften mit beteiligt war.

Für sein jetziges Team ist es eine gänzlich neue Situation, kein einziger Spieler bei den Bucks hat bisher Finals-Erfahrung. Es ist ein Meilenstein für ein Team, das nicht erst seit diesem Jahr durch ein Stahlbad geht. "Diese Scheiße ist hart", sagte der geschlagene Young nach dem Ende seiner ersten Postseason. Auf der Gegenseite wusste man sicherlich, was er damit meinte.