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NBA Finals: "Wir waren am Boden zerstört" - Wie ein Münzwurf die Phoenix Suns um den besten Center aller Zeiten brachte

Kareem Abdul-Jabbar landete 1969 nur aufgrund eines Münzwurfs bei den Milwaukee Bucks.
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Die Milwaukee Bucks und Phoenix Suns duellieren sich derzeit um die Meisterschaft. Für Milwaukee geht es um den zweiten Titel der Franchise-Geschichte, Phoenix hat das letzte Spiel der NBA-Saison noch nie gewonnen. Das hat auch mit einem zufälligen Ereignis vor 52 Jahren zu tun.

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Giannis Antetokounmpo hat eine Chance, der erfolgreichste Spieler in der Geschichte der Milwaukee Bucks zu werden. Mit unter anderem zwei MVP-Awards und einem Defensive Player of the Year im Alter von 26 Jahren ist er bereits hochdekoriert, derzeit kämpft er um seine erste Meisterschaft. Bei einigen Franchises hätte er damit zumindest individuell schon lange den Spitzenplatz sicher.

Nicht aber in Milwaukee - denn die Bucks beschäftigten schließlich immerhin sechs Jahre lang einen gewissen Kareem Abdul-Jabbar, den vielleicht besten Center der NBA-Geschichte. Kareem startete seine Karriere in der Bierstadt, wurde bereits in seiner zweiten Saison MVP, Finals-MVP und Meister. Genau 50 Jahre ist das nun her.

In den aktuellen Finals geht es nicht nur für die Bucks darum, ein zweites Mal den Olymp zu erklimmen. Es gibt auch eine historische Verbindung zum Gegner; die Phoenix Suns kämpfen gewissermaßen gegen das größte Unglück ihrer Geschichte. Denn auch sie hatten damals eine Chance, Kareem zu bekommen. Eine ziemlich gute sogar - genau 50 Prozent.

Kareem Abdul-Jabbar war der größte Preis

Der Draft-Prozess hat über die Jahrzehnte etliche Iterationen durchlaufen, es war ein weiter Weg bis hin zur heute gewichteten Lottery, bei der insgesamt 14 Teams eine theoretische Chance auf den Nr.1-Pick haben. 1969 war es weitaus simpler: Der Letzte aus jeder Division hatte eine Chance. Es gab nur zwei Divisions, also zwei Teams. Milwaukee und Phoenix. Ein Münzwurf brachte die Entscheidung.

Es gab nur eine logische Wahl für den Nr.1-Pick. Abdul-Jabbar hatte noch unter dem Namen Lew Alcindor am College dominiert wie niemand vor ihm, drei NCAA-Titel in Folge hatte er im Gepäck, als er bereit war, Profi zu werden. Es lässt sich argumentieren, dass Kareem bereits als bester Spieler der Welt in die NBA kam.

Folglich war der Münzwurf bereits in einer Zeit, als die NBA bei weitem noch nicht den heutigen Stellenwert hatte, eine große Sache. Jerry Colangelo, damals General Manager der Suns, ließ in einer lokalen Zeitung zuvor sogar abstimmen, ob er Kopf oder Zahl sagen sollte: "51,2 Prozent der Leute haben Kopf gesagt", erinnerte sich der legendäre Executive und spätere Vorsitzende von USA Basketball später im Gespräch mit dem Milwaukee Journal Sentinel.

Den Wurf selbst führte dann der damalige NBA-Commissioner Walter Kennedy durch. "Er wirft die Münze in die Luft, sie landet mit Kopf auf seiner Handfläche, dann legt er sie auf den Handrücken der anderen Hand, dort war es natürlich Zahl", beschrieb Colangelo das Ereignis, das für ihn und die Suns durchaus als tragisch zu bezeichnen war.

Phoenix Suns: Der Fluch ist real

Der 1969er Draft war enorm top-heavy. Zwar war neben Kareem mit Jo Jo White ein weiterer späterer Hall-of-Famer Teil des Jahrgangs, Phoenix allerdings entschied sich an Position 2 für Neal Walk - einen legendär haarigen Big Man, der fünf solide bis gute Jahre für Phoenix absolvierte, aber nie All-Star wurde und im Alter von 28 nach Italien wechselte.

Angesichts dessen ist es bemerkenswert, dass die Suns im Jahr 1976 die Finals erreichten, dort verlor ein homogenes Team um Paul Westphal jedoch in sechs Spielen gegen die Boston Celtics. 1987 verloren sie noch einmal haarscharf das Rennen um einen legendären Center, damals bekamen sie Armon Gilliam an Position 2 statt David Robinson.

Und das sind nur zwei prominente historische Beispiele, bei denen die Suns schlichtweg Pech hatten (Steve Nash und Mike D'Antoni nicken eifrig). An Position 1 durften sie erstmals 2018 draften (Deandre Ayton). Auf den ersten Titel wird noch immer gewartet.

Kareem Abdul-Jabbar und Giannis Antetokounmpo sind die einzigen beiden MVPs in der Geschichte der Milwaukee Bucks.
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Kareem Abdul-Jabbar und Giannis Antetokounmpo sind die einzigen beiden MVPs in der Geschichte der Milwaukee Bucks.

Kareem Abdul-Jabbar wollte nicht nach Milwaukee

Und die Bucks? Die ließen erstmal die Korken knallen, konnten sich ihrer Sache jedoch trotz des erfolgreichen Münzwurfs nicht von Anfang an sicher sein. Abdul-Jabbar hatte nämlich auch andere Optionen: Die Konkurrenzliga ABA buhlte um seine Dienste, selbst die Harlem Globetrotters wollten den Center zu sich lotsen.

"Als ich noch in UCLA war, folgte mir ständig jemand mit einem Scheck über eine Million Dollar, der auf mich ausgestellt war", sagte Abdul-Jabbar später zu USA Today. "Aber gewisse Leute hatten mich darauf hingewiesen, dass ich deutlich mehr Wert sein könnte." Kareem spielte gewissermaßen alle Seiten gegeneinander aus.

Er hielt die NBA für seriöser, war allerdings nur bedingt vom Standort Milwaukee überzeugt ("Ich war enttäuscht, weil ich nicht in einer von mir bevorzugten Stadt wie New York oder Los Angeles spielen konnte", sagte Abdul-Jabbar später). Die ABA hatte also eine Chance, Abdul-Jabbar nahm sie jedoch nicht für voll.

"Sie haben sich verrechnet. Sie hätten ein viel attraktiveres Angebot machen können, wenn sie ernst gemacht hätten. Aber ich hielt sie nicht für seriös", erinnerte sich der heute 74-Jährige. Den Zuschlag bekam also Milwaukee, wenn auch nur zögerlich.

Jerry Colangelo: "Wir waren am Boden zerstört"

Tatsächlich sollte Kareem aus den genannten Gründen sechs Jahre später seinen Wechsel nach Los Angeles forcieren. Doch diese sechs Saisons gehörten den Bucks - und sie waren eindrucksvoll. In seiner Premierensaison legte Abdul-Jabbar bereits 29 Punkte und 15 Rebounds im Schnitt auf, in Jahr zwei gewann er gemeinsam mit Oscar Robertson den ersten und bisher einzigen Titel der Franchise-Geschichte.

Die NBA wiederum behielt den Münzwurf bis 1984 bei, 1985 gab es erstmals eine Lottery, seit 1990 ist sie auf unterschiedliche Arten und Weisen gewichtet. Noch immer spielt der Zufall eine Rolle, so direkt und dramatisch wie an diesem Tag vor 52 Jahren sind die Implikationen dennoch selten gewesen.

"Diese eine kleine Bewegung, als er [Kennedy] die Münze gewendet hat - denkt einfach mal dran, was das für zwei Franchises bedeutet hat", sagte Colangelo später. "Ich war am Boden zerstört. Wir alle waren am Boden zerstört."

Die Statistiken und Erfolge von Kareem Abdul-Jabbar bei den Bucks

SaisonPunkteReboundsAssistsBlocks*Höchster AwardTeam
69/7028,814,54,1 ROY, All-NBA 2ndDiv. Finals
70/7131,7163,3 MVP, Finals-MVPMeister
71/7234,816,64,6 MVPConf. Finals
72/7330,216,15 All-NBA 1stConf. Finals
73/742714,54,83,5MVPFinals
74/7530144,13,3All-NBA 1stkeine Playoffs

*Blocks wurden erst ab 1973 offiziell erhoben.