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NBA - Daniel Theis von den Boston Celtics im Interview: Basketball-WM? "Wir haben es wirklich verkackt"

Daniel Theis und die deutsche Nationalmannschaft konnten bei der Basketball-WM in China 2019 nur selten begeistern.
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Daniel Theis hat sich bei den Boston Celtics erstmals in seiner Karriere als Starter etabliert, derzeit gehört das Team zu den besten der NBA. SPOX sprach mit dem deutschen Nationalspieler über die Saison der Celtics, Kemba Walker und die enttäuschende WM mit dem DBB-Team.

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Die Celtics gastieren in der Nacht auf Donnerstag bei den Dallas Mavericks, Theis trifft dann auf seinen Landsmann Maxi Kleber. Mit dem Probemonat von DAZN könnt Ihr die Partie ab 3.30 Uhr live und kostenlos sehen.

Im Interview erklärte Theis außerdem, warum ihm die Berichterstattung und auch die Fan-Reaktionen zum Thema Kyrie Irving zu weit gingen - und wie Boston im Vergleich zur Elite im Osten dasteht.

Herr Theis, es ist wohl Gratulation angesagt, richtig? Ihre Familie ist gerade etwas größer geworden?

Daniel Theis: Danke, ja. Seit etwas mehr als drei Wochen sind wir jetzt zu viert. Da traf es sich gut, dass wir jetzt relativ viele Heimspiele hatten in den vergangenen Wochen. Das war gutes Timing.

Wie lässt sich das in Ihren Alltag integrieren, so mitten in der Saison? Sie hatten zuletzt viele Heimspiele, sind eigentlich aber mit der Mannschaft ständig auf Reisen ...

Theis: Wir hatten jetzt das Glück, dass meine Schwiegermutter schon seit einigen Wochen bei uns ist, um uns mit beiden Kindern zu unterstützen. Das hilft natürlich sehr, sonst wäre die Lage gerade für mich schon komplizierter. So kann ich mich aber weiter auf unsere Saison konzentrieren.

Dann kommen wir zur Saison der Celtics. Vergangene Spielzeit verlief der Start holprig, nun übertreffen Sie zum Saisonstart die Erwartungen. Wie erklären Sie sich den guten Auftakt?

Theis: Die Leute, die die vergangenen ein, zwei Jahre hier waren oder jetzt neu bei uns sind, die wollen ihre eigenen Geschichten schreiben und nicht mehr groß über die vergangene Saison reden. Wir wollen einfach positiv an die Sache herangehen, das ist auch etwas, was man aus den vergangenen Jahren lernen konnte. Wir versuchen, nach vorne zu schauen und sowohl auf als auch neben dem Feld als Team zu funktionieren.

Eine wichtige Rolle nimmt dabei sicherlich Kemba Walker ein, der sich als neuer Anführer des Teams ein wenig von seinem Vorgänger Kyrie Irving unterscheidet. Wie würden Sie Ihren neuen Point Guard beschreiben?

Theis: Er hat auf jeden Fall eine sehr positive Ausstrahlung. Dazu muss ich aber sagen: Es hat vergangene Saison einfach nicht geklappt und das lag am ganzen Team. Das war ein Medien-Ding, dass immer wieder einzelne Spieler herausgepickt wurden, allen voran Kyrie. Bei 15 Leuten im Team trägt nicht nur einer die Schuld. Generell sind Kyrie und Kemba einfach unterschiedliche Persönlichkeiten. Kyrie ist sehr ruhig und eher introvertiert, Kemba ist viel lauter, man sieht ihn immer wieder lachen und Mitspieler anfeuern, der ist einfach glücklich, wenn wir Spiele gewinnen. Das überträgt sich natürlich auch auf das gesamte Team, wenn jemand so eine Euphorie ausstrahlt.

Walker war in Charlotte auch nicht von Erfolg gesegnet.

Theis: Ich denke, das verschafft ihm eine andere Perspektive, vielleicht auch eine gewisse Dankbarkeit, jetzt in einer anderen Situation zu sein. Wenn wir mal hoch führen am Ende des Spiels, will er nie wieder rein, um noch auf seine Punkte zu kommen oder seinen Schnitt zu halten. Er betont immer wieder, dass er noch nie so viel Talent um sich hatte und dass er es genießt, dass nicht wie in Charlotte so oft alles von ihm abhängt. Er kann hier auch mal die Verantwortung abgeben und Jaylen [Brown, d. Red.], Jayson [Tatum] oder Gordon [Hayward] machen lassen.

Vor kurzem waren die Nets in Boston zu Gast. Irving war nicht dabei, trotzdem machten die Fans ihn zum größten Thema und verhöhnten ihn das gesamte Spiel über. Wie haben Sie das wahrgenommen?

Theis: Man hat es ein Stück weit erwartet, nachdem die vergangene Saison so abgelaufen ist, wie sie ist: Dass er sagte, er würde bleiben, es dann nicht lief und er Boston doch verlassen hat und so weiter. Aber für mich war das alles zu viel und unangebracht. Er hat ja eine gute Saison gespielt, hat versucht, alles zu geben. Aber so ist das in Boston. Die Fans lieben Ihre Sportmannschaften und können solche Geschichten persönlich nehmen. Das ist deswegen keine Überraschung. Es ist für die Fans auch schwierig, sich in Kyrie hineinzuversetzen. Man muss es letztlich so hinnehmen.

In Boston ist Kemba Walker etwas beliebter als Kyrie Irving.
© getty
In Boston ist Kemba Walker etwas beliebter als Kyrie Irving.

Irving hat selbst recht deutlich Fehler zugegeben. Für Sie ist er dennoch zu Unrecht ein Sündenbock?

Theis: Es führt wie gesagt zu weit, wenn es in einem Team nicht gut läuft und man nur eine Person dafür verantwortlich macht. Das ist nicht fair und nicht richtig. Vergangene Saison waren die Erwartungen massiv, alle wollten nach dem Erreichen der Conference Finals im Vorjahr noch mehr, die Rollen waren nicht klar verteilt, da kam zu viel zusammen. Wenn man uns jetzt sieht, kann man vielleicht auch festhalten, dass es gar nicht so schlecht für uns war, einen kleinen Neustart zu wagen.

Haben Sie früh damit gerechnet, dass es so kommt, also dass unter anderem Irving das Team verlassen würde?

Theis: Kyrie ist nicht der Typ, der viel redet, auch nicht, wenn ihn Dinge belasten, wobei ein Team ja manchmal durchaus helfen kann. Da können Freunde helfen, die Familie natürlich, aber manchmal kann dich auch ein Team aus einer Krise herausziehen. Es war daher schwer, das so richtig vorherzusehen, zumal in der Free Agency sowieso alles passieren kann, aber eine Tendenz spürte man schon. Das ging dann auch relativ schnell.

Wie sah es bei Ihnen im Sommer aus? Auch Sie waren ja Free Agent, Restricted allerdings. Stand ein Wechsel mal zur Debatte?

Theis: Ich wollte schon bleiben, unabhängig davon, dass Boston das Recht hatte, jedes Angebot zu matchen. Es ist ein Vorteil, wenn man alles kennt, die Coaches, die Stadt, die Facilities, viele der Mitspieler. Ich hatte außerdem die Perspektive: Die Erwartungen waren hoch, auch an mich selbst, wir sind aber daran gescheitert. Dann setzt man sich eben das Ziel, es beim nächsten Versuch besser zu machen. Ich wollte gern ein Teil eines Teams sein, das die Erwartungen beim nächsten Mal vielleicht übertrifft. Außerdem habe ich gesehen, dass Al Horford und Aron Baynes beide das Team verlassen haben, die beide vor mir in der Rotation standen. Das hat mir auch in die Karten gespielt.

Die Statistiken von Daniel Theis in der NBA

SaisonSpieleMinutenPunkteFG%ReboundsBlocks
17/186314,95,354,14,30,8
18/196613,85,754,93,40,6
19/202121,97,453,46,31,5

Zum Saisonstart fiel nun auch noch Enes Kanter eine Weile aus, wodurch Sie mit Robert Williams umgehend der einzige Big Man mit NBA-Erfahrung wurden und auch zumeist starteten. Wie hat sich Ihre Rolle verändert?

Theis: Es hilft mir sicherlich, dass ich von den Bigs hier derjenige bin, der am längsten für Brad Stevens spielt, nun im dritten Jahr. Meine Rolle ist, dass ich defensiv der Anker bin, dass ich versuche, alles zusammenzuhalten. Ich muss mich nicht zu sehr auf die Offensive konzentrieren. Wir haben in der Starting Five meist vier Spieler, die jeden Abend 20 Punkte machen können. Wenn ich den Anspruch auch hätte, würde ich wahrscheinlich weniger spielen. Deswegen konzentriere ich mich auf Defense, wie schon in den vergangenen Jahren hier und vorher in Bamberg.

Mein Eindruck ist, dass Sie defensiv noch etwas präsenter sind als im vergangenen Jahr, vielleicht auch etwas mobiler. Ist das ein richtiger Eindruck? Wird das Spiel in der NBA im dritten Jahr etwas langsamer für Sie?

Theis: Ich fühle mich vor allem körperlich besser. Nach meinem Meniskusriss in der vorletzten Saison hatte ich auch letztes Jahr von Zeit zu Zeit Probleme mit dem Knie, war noch nicht zu 100 Prozent zurück, was ich selbst unterschätzt hatte. Das bedarf Zeit. Und ja, ich habe auch in diesem Sommer wieder viel an meiner Defense gearbeitet und in den vergangenen Jahren viel dazugelernt, gerade von Baynes. Ich bin früher sehr viel auf den Block gegangen, die Coaches haben mir aber nahegelegt, einfach Würfe zu erschweren, ohne dabei zu foulen, vertikal zu verteidigen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Korbleger reinfällt, wenn ich mit beiden Armen hochgehe, ist so gering, dass ich nicht jeden Wurf blocken muss. Das sieht schön aus, führt aber leicht zu Fouls. Ich soll Würfe erschweren und dabei hilft mir das extrem, auch einfach deshalb, weil ich länger auf dem Court stehen kann. Unser defensives System spielt mir außerdem in die Karten, weil wir so "klein" spielen. Ich bin eigentlich selbst zu klein. (lacht) Aber wir sind dadurch extrem beweglich und können es gegnerischen Teams trotzdem sehr schwer machen.

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