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NBA-Kolumne Above the Break: Die neue Identität der Celtics, Andrew Wiggins und das Licht, Denvers Saisonstart

Andrew Wiggins hat bei den Minnesota Timberwolves einen vielversprechenden Saisonstart hingelegt.
© getty

Die Boston Celtics haben den besten Saisonstart der NBA hingelegt, weil sie aus einer vermeintlichen Schwäche eine Stärke gemacht haben. Dies und mehr behandelt SPOX-NBA-Redakteur Ole Frerks in seiner neuen Kolumne.

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Außerdem mit dabei: Andrew Wiggins und die Hoffnung, dass das Licht endlich angeschaltet bleibt - und der etwas verwirrende Saisonstart der Denver Nuggets.

Die neue Identität der Celtics

Ich gebe zu: Eigentlich war hier ein Platz für Gordon Hayward reserviert, dessen Leistungen zu den besten Geschichten der Saisonstarts gehört hatten. Nun hat er sich die Hand gebrochen - reservieren wir die Gedanken also für die Zeit, wenn er zurückkehrt. Erwähnenswert sind die brandheißen Celtics nämlich so oder so.

Dass Boston eine starke Offense hinbekommen würde (Platz 2), konnte man mit etwas Optimismus durchaus hoffen, wobei sich erst zeigen muss, wie stabil sie ohne das sekundäre Playmaking Haywards bleiben wird. Der Schocker ist die Defensive. Boston belegt hier beim Rating einen siebten Platz, den vor der Saison nun wirklich niemand kommen sah.

Nicht, dass es mit beispielsweise Marcus Smart (All-Defensive First Team) oder Jaylen Brown keine hochkarätigen Verteidiger im Kader geben würde - riesige Fragezeichen standen dennoch insbesondere hinter der Pick'n'Roll-Defense und der Center-Rotation. Die Celtics haben nach den Verlusten von Al Horford und Aron Baynes keinen gestandenen NBA-Center mehr im Kader. Genau daraus hat Head Coach Brad Stevens in gewisser Weise aber eine Stärke gemacht.

Enes Kanter stand vorerst nur im ersten Saisonspiel zur Verfügung, der einzigen Niederlage, gegen Philly, bevor er nun gegen Dallas in den Kader zurückkehrte. Der Ausfall des Türken hat der Celtics-Defense aber nicht geschadet, im Gegenteil.

Stevens hat seither Daniel Theis (zumeist) zum Starter gemacht, der bisher zwar schlecht trifft (42,9 Prozent aus dem Feld), defensiv aber ein großes Plus darstellt, weil er auf kleinere Spieler switchen kann und mit 2,1 Rejections bisher zu den besten Shotblockern der Liga gehört. Theis ist kein Riese, hat aber ein großartiges Timing, womit er als Absicherung für die aggressive Defense der Flügelverteidiger dienen kann.

Mit Theis auf dem Court verzeichnen die Celtics ein grandioses Defensiv-Rating von 96,7 (Punkte pro 100 Ballbesitzen), er ist aber nicht die einzige Option. Robert Williams hat sich in seiner zweiten Saison in der Rotation etabliert und massiv dazugelernt: Gegen die Spurs bekam er teilweise die Aufgabe gegen LaMarcus Aldridge und stellte den Veteranen gemeinsam mit Theis fast vollständig kalt (3 Punkte, 1/4 FG), verzeichnete dabei sogar 6 Blocks.

Der "Time Lord" hat zwar noch immer mitunter ein paar Unaufmerksamkeiten im Spiel, auch sein Positionsspiel ist aber um einiges besser geworden, dazu ist er enorm mobil. Weder Theis noch Williams sind indes perfekte Optionen über 48 Minuten, zumal beide zu schnellen Fouls neigen. Hier zeigt sich Stevens jedoch von seiner besten und auch kreativsten Seite. Keine ideale Lösung auf Center? Dann spielt man eben ohne!

Smart (1,90 m), Jaylen Brown (1,98 m) oder Grant Williams (1,98 m) verzeichneten allesamt schon Minuten als designierte Fünfer. Das funktioniert vor allem deshalb, weil das gesamte Team im Verbund den Ring beschützt - auch auf der Weakside fühlt sich jeder Spieler verantwortlich. Die Celtics spielen dann teilweise sehr klein, dafür aber mit umso mehr Energie.

Es wird gedoppelt, getrippelt, geholfen, es wird vorbildlich rotiert. Insbesondere Smart bleibt ein absoluter Derwisch und sollte im viel zu frühen Ranking für den Defensive Player of the Year derzeit Platz eins belegen. Gegen Dallas sah weder Kristaps Porzingis noch Luka Doncic gegen "Smarf" Land, bisher treffen gegnerische Spieler in dieser Saison müde 28 Prozent ihrer Würfe, wenn er als der primäre Verteidiger agiert.

williams-block
© nba.com

Als Folge haben bisher nur fünf Teams weniger Field Goals am Ring erlaubt, obwohl das doch eine Schwachstelle der Celtics sein sollte. Das Umschaltverhalten ist großartig und mit der letzten Saison kaum zu vergleichen, kein Team erlaubt weniger Punkte nach eigenem Ballverlust (11,6), der Abstand zu Platz 2 (Denver: 14,2) ist riesig. Zudem kassiert kein Team weniger Fastbreak-Punkte als Boston (10,1). Nach Turnovern wird nicht lamentiert, sondern zurückgelaufen.

Die neue Energie zeigt sich auch offensiv - Boston agiert viel zielstrebiger, es werden schnellere Entscheidungen getroffen und dann Aktionen initiiert, es wird kaum mal auf der Stelle gedribbelt und der Ball angehalten, wie man es letzte Saison immer wieder sah.

Die Celtics ziehen rund fünf Freiwürfe mehr pro Spiel, der Ball bewegt sich viel flüssiger. Kemba Walker und Jayson Tatum treffen von der Dreierlinie beide weit über 40 Prozent, Hayward tat es ebenfalls. Der Team-Basketball sieht bisweilen besser aus als zu jedem Zeitpunkt in der vorigen Saison.

Die Celtics werden ihre jetzige Siegquote (8-1) nicht beibehalten, der Spielplan kam ihnen bisher auch ein Stück weit entgegen, wenngleich sie immerhin schon Milwaukee und Toronto geschlagen haben. Hayward war bisher ihr wohl bester Two-Way-Player - natürlich wird er fehlen.

Die Außenseiter-Rolle, die sie nur in der letzten Saison mal abgeben mussten, steht diesem Team aber offensichtlich nach wie vor am besten.