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NBA - Ex-Mavericks-Star Chandler Parsons bei den Atlanta Hawks: Absturz eines Hoffnungsträgers

Von Philipp Jakob
Chandler Parsons kam in den vergangenen drei Jahren aufgrund verschiedener Verletzungen nur in 95 Partien zum Einsatz.
© getty

Zahlreiche Verletzungen haben die einst vielversprechende Karriere von Chandler Parsons ruiniert. Nach frustrierenden, aber lukrativen drei Jahren bei den Grizzlies ging es in der Offseason per Trade zu den Atlanta Hawks. Dort hofft der ehemalige Star der Dallas Mavericks auf eine letzte Chance.

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Es gibt zweifelsohne schönere Dinge, als Zeit am Flughafen totschlagen zu müssen. Das gilt für den Normalo-Reisenden gleichermaßen wie für einen NBA-Star. Nur: In Sachen Beschäftigungstherapie bieten sich dem NBA-Star ganz andere Möglichkeiten - beispielsweise Fragen aus der mehr als 300.000 Mann starken Follower-Gemeinde auf Twitter zu beantworten.

Als Chandler Parsons Ende Juni 2016 auf der Rückreise aus seinem Griechenland-Urlaub am Londoner Flughafen strandete, erschien ihm genau das als sinnvolle Variante, seine Wartezeit zu verkürzen. Also stellte sich der Small Forward kurz vor dem Start seiner Free Agency nach zwei Jahren im Trikot der Dallas Mavericks seinen Fans.

Es ploppten Fragen zu einem potenziellen Verbleib in Texas auf ("Das werden wir bald herausfinden"), warum er überzeugt ist, einen Maximalvertrag wert zu sein ("Weil ich ziemlich gut im Basketball bin") und schließlich kam ein für Parsons unvermeidbares Thema zur Sprache: seine Gesundheit.

Erst zwei Jahre zuvor hatten die Mavs ihn von den Houston Rockets losgeeist. Als vielversprechender Restricted Free Agent entschied sich Parsons für eine Unterschrift unter einem dicken Angebot des Texas-Rivalen, in Dallas sah man in ihm einen zukünftigen All-Star, vielleicht sogar denjenigen, der die Mavs in eine Zeit nach Dirk Nowitzki führen könnte.

Es kam ganz anders. In seiner ersten Saison im Mavs-Trikot verpasste Parsons 16 Spiele plus einen Großteil der Playoffs verletzungsbedingt. In der darauffolgenden Spielzeit war er in 21 Partien zum Zuschauen verdammt, unter anderem aufgrund eines Meniskusrisses. Sollte nun also diese Verletzungshistorie seine Zukunft in der NBA beeinträchtigen? "Nope. Ich bin gesund und werde diese Saison ein Monster sein", twitterte Parsons.

Dallas Mavericks nehmen Abstand von Parsons

Diese Ankündigung konnte er nie in die Tat umsetzen. Nach insgesamt drei Knie-Operationen in drei Jahren - zwei am rechten und eine am linken Knie - bleibt dieser Tweet höchstens als zynische Anekdote in der gebeutelten Karriere des Chandler Parsons zurück.

Selbst die Mavs schienen seiner Fitness im Sommer 2016 nicht über den Weg zu trauen. Obwohl sich Parsons als Rekrutierer im berühmt-berüchtigten DeAndre-Jordan-Sommer für die Mavs (erfolglos) eingesetzt hatte und obwohl er eine gute Beziehung mit Mavs-Besitzer Mark Cuban pflegte, machte Dallas keine großen Anstalten, ihren namhaften Free Agent zu verlängern.

"Das war schockierend", sollte Parsons später zu Protokoll geben, doch so sei nun einmal das Geschäft. Seinen anvisierten Maximalvertrag bekam er dennoch, nur eben nicht von den Mavs, sondern von den Memphis Grizzlies (4 Jahre für 94,5 Mio. Dollar). Dieser Deal sollte als einer der schlechtesten Verträge des Sommers 2016 in die Geschichte eingehen. Und das will etwas heißen.

Chandler Parsons: Verletzungen zerstören die Karriere

Parsons schaffte es während seiner Zeit in Memphis nie, richtig fit zu werden. In den vergangenen drei Jahren absolvierte der heute 30-Jährige gerade einmal 94 Partien. Dafür strich er etwas mehr als 69 Mio. Dollar ein, pro Partie bekam Parsons also etwa 726.315 Dollar überwiesen. Dieser Umstand ließ Hohn und Spott auf die Grizzlies und auch auf Parsons niederprasseln.

Doch auch wenn er auf dem Parkett stand, kam er nie an sein altes Leistungsvermögen heran. 7,5 Punkte, 2,8 Rebounds und 1,7 Assists in knapp 20 Minuten im Schnitt stehen am Ende hinter seiner für alle Beteiligten enttäuschenden Zeit im Grizzlies-Trikot, die dem Team zu allem Übel auch noch jede finanzielle Flexibilität raubte.

Schon vor einigen Monaten war deshalb klar, dass diese bald zu Ende gehen würde. Zwar kämpfte Parsons um Einsatzzeit, doch die Grizzlies-Verantwortlichen zogen die Reißleine. Kurz nach dem Start der Free Agency einigte sich die Franchise auf einen Trade mit den Atlanta Hawks.

Die Karrierestatistiken von Chandler Parsons

TeamSpiele/MinutenPunkteReboundsAssistsFG%Dreier%
Rockets213/34,514,15,23,347,337
Mavericks127/31,414,84,82,647,539,5
Grizzlies95/19,67,22,61,839,334,1
Karriere435/30,312,84,52,846,237,3

Chandler Parsons über Leidenszeit: "Es war frustrierend"

"Es ist einfach unglücklich. Niemand will sich verletzen, jeder will spielen. Man sieht all die Dinge abseits des Courts, deinen Vertrag - wenn du nicht das tust, was du liebst, dann tut das weh", blickte Parsons nach dem Trade gegenüber dem Atlanta Journal-Constitution auf die schwieirigen Jahre in Memphis zurück. "Die vergangenen drei Jahre haben wirklich ihren Tribut gefordert, es war frustrierend."

In Atlanta stößt der 38. Pick vom Draft 2011 von der University of Florida nun zu einem jungen Team mit vielversprechenden Talenten um Trae Young, Kevin Huerter, John Collins oder De'Andre Hunter, das sich mitten im Wiederaufbau befindet.

Der Spieler Chandler Parsons spielt in den Zukunftsplänen der Franchise entsprechend keine große Rolle. Praktisch gesehen tradeten die Hawks zwei auslaufende Verträge (Solomon Hill, 12,8 Mio Dollar und Miles Plumlee, 12,5 Mio. Dollar) für das ebenfalls 2020 auslaufende Arbeitspapier von Parsons (25,1 Mio. Dollar). Letztlich ging es Atlanta vordergründig darum, einen Kaderplatz für weitere junge Talente zu schaffen. Parsons will aber mehr sein als das.

"Ich habe immer noch eine Menge im Tank", betonte Parsons. "Wenn ich gesund bin, dann bin ich immer noch ein effizienter, guter Spieler in dieser Liga."

Das ist allerdings ein großes "Wenn". Vor kurzem war er erst wieder in Deutschland, um sich zum bereits dritten Mal einer Therapie an seinen Knien zu unterziehen. Seit gut zwei Monaten absolviere er wieder Workouts, so Parsons, er fühle sich gut.

Chandler Parsons: Spielzeit bei den Hawks rar gesät

Immerhin stellt Parsons mit seiner Fähigkeit, Würfe selbst kreieren zu können, und als guter Shooter in der Theorie den idealen Spielertypen für die Vorstellungen von Hawks-GM Travis Schlenk dar. Seine Rolle bei den Hawks, ein Buyout scheint derzeit eher unwahrscheinlich, wird sich aber wohl auf die des Leaders in der unerfahrenen Kabine beschränken - an der Seite von Vince Carter, der kürlich seinen Vertrag in Atlanta verlängerte und ebenfalls mögliche Einsatzzeit von Parsons klauen wird.

Wie viel Spielzeit tatsächlich abfällt, ist deshalb fraglich. Selbst die Hawks-Verantwortlichen sind sich laut Chris Kirschner von The Athletic derzeit unsicher, wie viel Parsons 2019/20 tatsächlich auf dem Court stehen wird. Oder kann. Angeblich wird er die Möglichkeit bekommen, sich Spielzeit zu erarbeiten, soll gleichzeitig die Entwicklung der Talente aber nicht behindern.

Dennoch freue sich Parsons auf den Neuanfang in Atlanta: "Der junge Kern, den sie haben, ist wirklich etwas ganz Besonderes. Ich bin begeistert, hierherzukommen und auf jede denkbare Art und Weise zu helfen - die Jungs anführen, versuchen, gesund zu bleiben und in diesem letzten Jahr mitwirken, wie ich eben kann. Wir werden sehen, was passiert."

Vor allem im Sommer 2020. Kann Parsons nicht mit ordentlichen Leistungen auf sich aufmerksam machen, wird der Free-Agency-Markt im kommenden Jahr äußerst überschaubar ausfallen. Die Saison 2019/20 ist wohl die letzte Chance für Chandler Parsons in der NBA. Die letzte Chance, den Ruf des Salary-Cap-Monsters loszuwerden.

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