NBA

Der Lauf der Rockets: Ein James Harden macht noch keine Championship

Von Philipp Jakob
James Harden hat die Rockets mit einem unfassbaren Run auf die Playoff-Plätze geführt.
© getty

James Harden hat die Houston Rockets dank eines unglaublichen Laufs innerhalb von wenigen Wochen aus dem Tabellenkeller der Western Conference auf die Playoff-Plätze geführt. Der Bärtige bricht Rekord um Rekord, wie lange geht das noch gut? In der Nacht von Donnerstag auf Freitag trifft er mit Houston auf die Golden State Warriors (4.30 Uhr live auf DAZN).

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Es ist eine Weile her, dass ein Spieler drei Mal in Folge die MVP-Trophäe abräumen konnte, etwas mehr als 40 Jahre, um genau zu sein. Damals, Anfang der 80er, dominierten die Boston Celtics das Geschehen in der NBA, angeführt von einem gewissen Larry Bird. Er ist der letzte Spieler, dem dieses Kunststück gelang.

Geht es nach John Lucas, dann ändert sich das bald. Lucas, seines Zeichens Assistent von Mike D'Antoni und Player-Development-Coach bei den Houston Rockets, hat einem seiner Schützlinge die Idee in den Kopf gesetzt, es Larry Legend gleichzutun. Und James Harden scheint auf ihn zu hören.

"Eines der Ziele, das ich mit ihm gesetzt habe, lautet, drei MVPs in Folge zu gewinnen", erklärte Lucas kürzlich gegenüber The Athletic. Der Assistant Coach hat über die Jahre der gemeinsamen Zusammenarbeit einen guten Draht zu Harden aufgebaut. Lucas, der als Nr.1-Pick des Draft 1976 selbst jahrelang für die Rockets auflief, ist sich sicher, dass der Shooting Guard das Zeug dazu hat.

Bevor man aber drei MVP-Awards in Folge ernsthaft in Erwägung ziehen kann, muss Harden nach seinem Triumph in der vergangenen Spielzeit erst einmal 2018/19 nachlegen. Mittlerweile scheint The Beard aber auf dem besten Weg, genau dies zu erreichen.

James Harden auf den Spuren von Michael Jordan und Kobe

Harden hat es geschafft, innerhalb von gut drei Wochen den katastrophalen Saisonstart der Rockets fast vergessen zu machen. Noch am 10. Dezember 2018 stand der Western-Conference-Finalist aus der Vorsaison mit einer Bilanz von 11 Siegen zu 14 Niederlagen auf dem 14. Platz im Westen.

Anschließend startete Harden einen unfassbaren Lauf, den man in der langen Historie der Liga so in dem Maße nur selten zu Gesicht bekommen hat. Zuletzt zauberte der 29-Jährige vier Spiele in Folge mit mindestens 40 Zählern aufs Parkett, über die vergangenen zehn Spiele gesehen erzielte Harden insgesamt sogar 408 Punkte. Ähnliches gelang in den vergangenen 30 Jahren nur Michael Jordan und Kobe Bryant.

Es sind bei Weitem nicht die einzigen Rekorde, die Harden während seines historischen Runs pulverisiert, allesamt lesen sie sich enorm beeindruckend. "Es ist schwer zu beschreiben", sagte Head Coach D'Antoni zuletzt über den Lauf seines Franchise-Spielers. "Er beherrscht das Spiel, hat Kontrolle und so eine Leichtigkeit, mit der er spielte. Es macht Spaß, zuzuschauen."

Die Statistiken von Harden in den vergangenen 10 Partien

MinutenPunkteReboundsAssistsTurnoverFeldwurfquoteDreierquote
39,040,86,88,95,243,8 Prozent41,3 Prozent

Houston Rockets: Kritik am Spielstil von James Harden

Eine kleine Einschränkung musste D'Antoni zum letzten Satz aber noch nachliefern: "Wenn du auf seiner Seite bist, macht es Spaß." Die Gegner der Rockets und insbesondere die Gegner von Harden hatten dagegen in letzter Zeit nicht sonderlich viel zu lachen. Doch es gibt auch viele neutrale NBA-Fans, die mit dem Spiel von Harden keinen Spaß haben, zumindest in Sachen Ästhetik.

Die Offense der Rockets basiert im Grunde genommen auf Isolationen mit James Harden. Allzu viele Plays werden normalerweise nicht gelaufen, stattdessen bekommt der Bärtige den Ball oftmals am Perimeter, dribbelt ein paar Mal und trifft dann eine Entscheidung: Entweder er drückt direkt ab oder startet einen kraftvollen Zug zum Korb.

Mit seinen 19,1 Drives pro Partie führt er die Association in dieser Kategorie an, genau wie bei den oftmals aus diesen Drives resultierenden Freiwurfversuchen. Harden steht durchschnittlich 11,1 Mal pro Partie an der Linie, am vergangenen Sonntag gegen die Grizzlies erarbeitete er sich sogar 27 Trips an die Charity Stripe (21 Treffer). Das kommt nicht bei jedem Fan oder Experten gut an.

James Harden fängt Feuer von Downtown

In zahlreichen Fällen entscheidet sich Harden jedoch nicht für den Drive, stattdessen nimmt er einen teils gut vorbereiteten, teils ansatzlosen Jumper aus dem Dribbling. Viele seiner Aktionen laufen nach diesem Schema ab, insgesamt sind sogar 50,5 Prozent seiner Abschlüssen Pull-Up-Jumper von Downtown.

Immerhin ist in dieser Disziplin keiner besser als Harden. Von seinen 11 Pull-Up-Dreiern pro Partie landen durchschnittlich 39 Prozent im Korb. Zu jeder Zeit und aus jeder Lage strahlt der sechsmalige All-Star eine enorme Gefahr aus. Das mussten auch die Grizzlies am vergangenen Sonntag schmerzlich erfahren.

Innerhalb der letzten 31 Sekunden der ersten Hälfte hämmerte Harden ihnen zwei Triples um die Ohren. Beim ersten stieg er einige Meter hinter der Dreierlinie in die Höhe, kurz darauf verschaffte er sich per Stepback Platz, um mit dem Buzzer den nächsten Dreier auf die Reise zu schicken - nothing but net!

Rockets: Chris Paul staunt über Teamkollege James Harden

Es waren 2 von insgesamt 6 Treffern aus der Distanz an diesem Abend auf dem Weg zu 43 Zählern, 13 Assists sowie 10 Rebounds und dem fünften Sieg in Folge für die Rockets. "Was er macht, ist unglaublich", staunte anschließend Hardens neuer Teamkollege Austin Rivers.

Auch Grizzlies-Coach J.B. Bickerstaff, einer derjenigen, die mit James Harden aktuell definitiv keinen Spaß haben, zeigte sich beeindruckt: "James spielt auf einem enorm hohen Level. Einige seine Würfe sind einfach nicht zu verteidigen." Und für Chris Paul sind die aktuellen Leistungen von Harden einfach nur "krass".

Doch bei all dem Lob sollte eines nicht zu kurz kommen. Auch bei Harden ist aktuell nicht alles Gold, was glänzt. Vor allem die 9 Turnover gegen Memphis waren ihm selbst ein Dorn im Auge. "Ich habe einen schlechten Job gemacht, den Ball zu kontrollieren", analysierte die Nr. 13 der Rockets.

Immerhin rächten sich die vielen Ballverluste nicht, The Beard machte die eigenen Fehler immer wieder mit seinem unwiderstehlichen Scoring oder gutem Playmaking wett. Außerdem: Bei dem Workload, den Harden in der Offense der Rockets übernimmt (Usage Rate: 37,4 Prozent, mit deutlichem Abstand Platz eins in der NBA), sind viele Turnover eigentlich nicht verwunderlich.

James Harden braucht bei den Rockets mehr Unterstützung

Doch genau da liegt ein weiteres Problem. Nahezu die komplette Last der Franchise liegt auf den Schultern Hardens, vor allem, da CP3 aktuell (und voraussichtlich noch einige Zeit) verletzungsbedingt ausfällt.

Die Rockets müssen aufpassen, dass sie ihren Anführer nicht, wie in der Vergangenheit geschehen, schon in der regulären Saison auslaugen. In den vergangenen zehn Spielen, in denen Harden Monster-Leistung nach Monster-Leistung ablieferte, stand er durchschnittlich 39 Minuten pro Partie auf dem Parkett. Das ist eine Menge.

Auch die weiterhin vorhandenen Probleme in der Rockets-Defense kann Harden nicht lösen. Ganz im Gegenteil. Man sieht auch weiterhin, dass einige Teams den Shooting Guard als Schwachstelle der Verteidigung attackieren, auch wenn sich Harden in dieser Hinsicht in den vergangenen Jahren deutlich verbessert hat.

Es bleibt festzuhalten, dass die Rockets weiterhin dringend Verstärkung benötigen. Die Tiefe des Kaders ist, nun ja, verbesserungswürdig, das Melo-Experiment grandios gescheitert, auch Eric Gordon lief vor allem in Sachen Shooting zuletzt seiner Form hinterher.

James Harden ist Mit-Favorit für den MVP-Award

Harden braucht dringend mehr Unterstützung, wenn sich die Rockets berechtigte Hoffnungen auf einen tiefen Playoff-Run machen und dem amtierenden Champion aus Golden State erneut gefährlich werden wollen. Ein MVP allein reicht dafür nicht aus.

Immerhin hat Harden aber quasi im Alleingang für den Turnaround der Rockets in dieser Saison gesorgt. Vor dem hochinteressanten Duell mit den Warriors steht Houston auf dem vierten Platz im Westen, nur 3,5 Spiele hinter der Spitze. Und nicht nur sein Team hat Harden wieder nach oben katapultiert, sondern auch sich selbst im MVP-Rennen.

Neben Giannis Antetokounmpo, Joel Embiid oder LeBron James ist Harden aktuell wohl der größte Favorit auf den Award am Ende der Saison und damit seinen MVP Nummer 2. "Ich brauche diese Trophäe und ich werde sie auch bekommen", tönte der Shooting Guard zuletzt nach seinen starken Vorstellungen. Dann fehlt nur noch eine für das große Ziel.

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