NBA

NBA Legenden-Serie: Jason Kidd vor Aufnahme in die Hall of Fame – Der Fast-Alleskönner

Jason Kidd verzauberte die NBA insgesamt 19 Jahre lang mit seinen Pässen.
© getty
Cookie-Einstellungen

Albträume von geplatztem Wechsel zu den Spurs

Es ist schwierig zu verdeutlichen, wie bemerkenswert diese beiden Finals-Teilnahmen der Nets waren. Ein ansatzweise passender Vergleich wären vielleicht die Cavs der Saison 06/07, bei denen abgesehen vom jungen LeBron James kein Spieler als Star bezeichnet werden durfte (sorry, Mo Williams). Im Gegensatz zu LeBron verpasste Kidd jedoch den Absprung, der seine Karriere komplett verändert hätte.

Im Sommer 2003 hatte Kidd die Möglichkeit dazu. Er war Free Agent, der amtierende Meister San Antonio noch nicht vollends überzeugt von seinem jungen Point Guard Tony Parker. Beide Parteien trafen sich und verhandelten, am Ende des Meetings sagte Kidd tatsächlich auch zu - doch auf seinem Rückflug entschied er sich dann doch wieder um und verlängerte stattdessen in New Jersey.

"Ich dachte, ich werde ein Spur. Ich war bei ihnen und habe zugesagt", erinnerte sich Kidd später. "Auf meinem Heimflug habe ich dann kalte Füße bekommen. Ich habe manchmal immer noch Albträume davon. Ich hätte dort zwei oder drei Titel holen können."

Jede Menge Awards, kein Titel

Daraus wurde nichts. Während die Spurs mit Parker 2005, 2007 und 2014 tatsächlich drei weitere Titel holten, entwickelten sich die Nets rückläufig. Im Dezember 2004 wurde mit Vince Carter per Trade zwar erstmals ein legitimer Co-Star für Kidd geholt, mehr als die zweite Runde erreichte Kidd in New Jersey aber nicht mehr. Während Nash in Phoenix seine Blütezeit mit zwei MVP-Awards erlebte, schien Kidds Zeit trotz seines noch immer hohen Niveaus schnell abzulaufen.

Es gab zu diesem Zeitpunkt keinen Zweifel mehr, dass Kidd ein Hall-of-Famer sein würde. Anfang 2008 war er zehnmaliger All-Star, hatte die Liga fünfmal bei den Assists angeführt, war Rookie of the Year, fünfmal im All-NBA First Team und gleich neunmal im All-Defensive Team gewesen. Kidd war der beste oder zweitbeste Aufbau seiner Zeit, an diesem Status gab es wenig zu rütteln. Und doch fehlte etwas.

Kidd hatte keinen Titel, auch die Erfolge mit den Nets gerieten relativ schnell fast in Vergessenheit. Sie ereigneten sich in einer nicht gerade glorreichen Zeit in der NBA beziehungsweise der Eastern Conference. Mit den 49 Siegen, die New Jersey 2003 als Finals-Team geholt hatte, hätten sie im Westen den siebten Platz belegt, im Osten waren sie Zweiter. Die Musik wurde von den Lakers und Spurs gespielt, im Osten wurde eher darum gespielt, wer in den Finals eine Packung kassieren durfte.

Auch die Mavericks waren verzweifelt

Die Krönung ließ daher auf sich warten - und sie wäre wohl auch nicht gekommen, wenn nicht in Dallas ein Superstar und seine Franchise ähnlich verzweifelt gewesen wären. Die Mavs hatten ihre größte Chance ebenfalls verzockt, als sie 2006 nach 2-0-Vorsprung in den Finals noch gegen Miami verloren. Nun hatten sie in Dirk Nowitzki zwar immer noch einen der besten Spieler der Liga, aber spätestens nach dem Erstrundenaus 2007 gegen Golden State ein wenig ihren Weg verloren.

Dallas wollte etwas verändern und stieß dabei ausgerechnet auf den Spieler, der 1994 seine Profi-Karriere bei ihnen begonnen hatte, aber bereits am 2. Weihnachtstag 1996 weitergetradet worden war. Für ein Paket mit unter anderem zwei Erstrundenpicks, Devin Harris und Keith Van Horn holte Dallas den "verlorenen Sohn" im Februar 2008 zurück nach Big D und legte damit den Grundstein für den Erfolg im Jahr 2011.

Jason Kidd: Perfekter Partner für Dirk Nowitzki

Zwar funktionierte nicht auf Anhieb alles - Kidd geriet sowohl mit Avery Johnson als auch Carlisle mehrfach aneinander, weil er sich nicht mikro-managen lassen wollte, zudem war er mittlerweile mindestens einen Schritt langsamer und kein Superstar mehr - aber insbesondere mit Nowitzki verstand er sich auf dem Court prächtig. "Das war leicht. Du hast einen Spieler, der gerne passt, und einen, der gerne wirft", sagte Kidd später über das Zusammenspiel.

"Als Kidd kam, wurde das Spiel viel einfacher", sagte derweil Nowitzki. "Ich hatte wieder mehr Spaß, wir sind mehr gerannt, ich hatte offene Würfe. Er sieht Dinge, bevor sie passieren, deswegen spielt er den Pass schon, wenn man noch gar nicht offen ist. Dann kommt er genau im richtigen Moment."

Nowitzki und Kidd brauchten einander und machten sich gegenseitig besser. In den Playoffs 2011 kam dann alles zusammen - und Kidd konnte noch einmal zeigen, was ihn als Basketballspieler so besonders machte. Er war längst kein Top-Athlet mehr wie in jungen Jahren, er penetrierte nur noch selten und war offensiv häufig ein reiner Passer und Jumpshooter (wirklich!). Aber er dachte das Spiel noch immer besser als fast jeder andere.

Ideale Playoffs 2011

Das zeigte sich gegen die Lakers, als er Kobe Bryant in der Defense vor allem mit seinen schnellen Händen bisweilen in den Wahnsinn trieb, es zeigte sich gegen OKC, als er in Spiel 4 Russell Westbrook per Finte hochsteigen ließ und dann eiskalt den Go-Ahead-Dreier versenkte, genau wie in Spiel 4 der NBA Finals, wo er nebenbei etliche der wichtigsten defensiven Plays gegen sowohl LeBron als auch Dwyane Wade lieferte.

Kidd wurde 2011 zum ältesten Starting Point Guard eines Championship-Teams in der Geschichte der NBA - und fand damit doch noch seine Vollendung. "Damit ist ein Traum wahr geworden", sagte Kidd nach seiner 17. Saison. "Meine Teammates verdienen das ganze Lob. Ich bin einfach nur froh, dass ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort war."

Fliegender Wechsel zum Head Coach

Nun hätte man meinen können, dass der Sommer 2011 perfekt gewesen wäre, um die Karriere zu beenden. Kidd allerdings blieb auch danach eine Art Getriebener. Er spielte noch ein Jahr für die Mavs, dann verärgerte er Mark Cuban, als er im Sommer 2012 noch einmal wechselte und prompt dazu beitrug, dass die Knicks zum ersten und einzigen Mal seit dem Jahr 2000 eine Playoff-Serie gewinnen konnten.

Auch danach, im Alter von nun 40 Jahren, hätte Kidd noch Angebote als Spieler gehabt. Er entschied sich jedoch für ein ungewöhnliches Angebot aus Brooklyn, wo er direkt als Head Coach ein gewisses Experiment um Paul Pierce, Kevin Garnett, Deron Williams, Joe Johnson und Brook Lopez betreuen durfte. Es lief nicht glatt, es sprach aber für Kidds Ruf und seinen Basketball-IQ, dass er sozusagen noch als aktiver Spieler direkt zum (mächtigen) Head Coach gemacht wurde.

Jason Kidd: Ein "NBA-Lifer"

Bis er vergangene Saison von den Bucks entlassen wurde, hat Kidd über 24 Jahre ohne eine einzige Unterbrechung NBA-Basketball gelebt. Insofern erscheint es fast sicher, dass auch die Aufnahme in die Hall of Fame nur ein Zwischenstopp sein wird - lange wird Kidd der Liga sicherlich nicht fernbleiben.

Blickt man nur auf die Spielerkarriere, ist Kidd sicherlich einer der besten und gleichzeitig ungewöhnlichsten Point Guards der Geschichte. "Ich glaube nicht, dass jemals ein NBA-Spieler so viele Spiele dominiert hat, ohne zu scoren", sagte sein Ex-Mitspieler Jefferson bei ESPN über ihn.

Kidd beherrschte den wichtigsten Aspekt des Basketballs nicht, dafür meisterte er jede andere Kategorie. Sein Beispiel zeigt: Es gibt längst nicht nur einen Weg in die Ruhmeshalle. Selbst wenn man bei Kidd den Gedanken nicht loswird, dass er sich auf seinem Weg das eine oder andere Mal selbst im Weg stand.

Inhalt:
Artikel und Videos zum Thema