NBA

Mr. Intensität für die neue Identität

Von Jérôme Rusch
Wesley Matthews wird in der kommenden Saison das Trikot der Dallas Mavericks tragen
© getty

Wesley Matthews wird ein neues Kapitel bei den Dallas Mavericks einleiten und Monta Ellis als Shooting Guard ablösen. Doch wer förderte ihn? Wie verlief sein Werdegang? Und: Welche Rolle wird er bei den Mavs einnehmen?

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Mutter? Ja. Vater? Ja. Großmutter? Durchaus. Neben der Verwandtschaft aber Pat Riley, Magic Johnson und Kareem Abdul-Jabbar? Eher ungewöhnlich. Wenn ein Neugeborener in den ersten Lebenstagen diese drei Legenden an der Wiege erblickt, ist der Weg in die NBA wohl mehr als vorgezeichnet.

Gut, auch die Tatsache, dass Wesley Matthews' Vater - Wesley Joel Matthews, Sr. - ein erfolgreicher Basketballspieler war, trug sicherlich nicht unwesentlich zum eingeschlagenen Weg des Juniors bei.

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Es war allerdings nicht sein Vater, der Matthews auf die harte Welt des Basketballs vorbereitete - im Gegenteil. Wesley Sr. widmete sich seiner NBA-Karriere und der Filius musste ohne seinen Vater auskommen. Noch heute ist das Verhältnis der beiden belastet und distanziert.

Und so übernahm Mutter Pam die väterlichen Pflichten und trimmte ihren Sohn: "Wir erlauben es nicht aufzugeben, wir erlauben es nicht zu verlieren. Es war nicht akzeptabel. Niemand sollte dich schlagen, und wenn sie es doch täten, müssten sie sich mit mir auseinandersetzen. Ich bin diejenige, die bestimmt, ob ein Kind physisch stärker oder schneller ist als du."

"Bis Mitternacht Zeit zum Trauern, dann volle Konzentration"

Entwicklung. Gewinnermentalität. Karriere. Ohne seine Mutter wäre aus Matthews kaum der Spieler geworden, der er heute ist. Dabei war sein Weg in die NBA alles andere als einfach. 2009 reiste Matthews nicht mal zum Draft nach New York, weil er sich nicht den Strapazen des Drumherums ausliefern wollte.

Also wartete er zu Hause. Und wartete. Und wartete noch länger. Als er die Hoffnung schon aufgegeben hatte, rief ihn sein Agent an: Wes durfte in der Summer League für Utah auflaufen.

Die Freude bei Matthews hielt sich allerdings in Grenzen; er war unzufrieden, er war enttäuscht, er war wütend. Er wollte nicht über Umwege in die NBA. Zeit für Mitleid und ausschweifende Trauer wurde ihm jedoch nicht gewährt. Seine Großmutter entgegnete nur: "Du hast bis 12.01 Uhr Zeit (der Anruf seines Agenten erfolgte gegen 11.40 Uhr), sei sauer, sei angepisst, fühl dich betrogen, aber dann musst die dich auf die zukünftigen Dinge fokussieren."

Die Bekehrung

Gesagt, getan. Wesley verwandelte seine Wut in Leistung und überzeugte in der Summer League sogar den gegenüber Rookies eigentlich negativ eingestellten Jerry Sloan. Ein Werk, welches nicht hoch genug eingestuft werden kann. Doch damit nicht genug: In seiner Rookie-Saison spielt Matthews durchschnittlich 24,7 Minuten und legt 9,4 Punkte, 1,5 Assists sowie 2,3 Rebounds auf. Gut, derartige Zahlen lesen sich nicht zwingend furchteinflößend, allerdings zeichnen Wes ohnehin andere Dinge aus. Seine Einstellung, seine defensive Galligkeit und sein unbändiger Wille - all diese Attribute stehen stellvertretend für Matthews' Wesen.

Sein ehemaliger College-Trainer, Buzz Williams, brachte es auf den Punkt: "Ist Wes der beste Spieler, wenn er auf dem Feld steht? Nicht wirklich. Gibt es aber einen Grund, ihn auszuwechseln? Nein!" Matthews beherrscht fast sämtliche, basketballspezifischen Fähigkeiten, keine allerdings herausragend. Dafür spielt er mannschaftsdienlich und steckt alle Beteiligten mit seiner positiven Aura an.

INTENSITÄT

Noch wichtiger: Er besitzt ein Gewinner-Gen. Matthews ist ein Perfektionist, er will nicht nur gewinnen, er will dank guter Leistung gewinnen. In der Highschool zertrümmerte er beispielsweise die Tür der Umkleide, weil er unzufrieden mit sich und seiner Darbietung war - obwohl seine Mannschaft führte. Mit 20 Punkten. Die Folge seines emotionalen Ausbruchs: ein Handbruch.

Bei den Dallas Mavericks wird Matthews mit Monta Ellis den Top-Scorer der vergangen Saison ersetzen. Verglichen mit Ellis ist Matthews in der Offensive jedoch limitierter; er ist zwar kein Danny Green, den eigenen Wurf zu kreieren, gehört dennoch nicht zu seinen Paradedisziplinen.

Ein Shooter- mit Defense!

Für das Team und Carlisles Gesamtkonzept könnte er dennoch besser geeignet sein als sein Vorgänger. Vom Texaner wird schließlich nicht nur erwartet zu punkten, sondern besonders am hinteren Ende des Feldes Einfluss auf das Spiel zu nehmen. Seine körperliche Konstitution ermöglicht es ihm, neben Shooting Guards, auch gegnerische Point Guards zu verteidigen.

Offensiv ist die Personalie rund um Matthews so zwar ein Downgrade zur Mississippi Missile, mit seinen defensiven Fähigkeiten stellt er dagegen eine deutliche Steigerung dar. Aber auch seine Fähigkeiten von Downtown machen den Zweier zu einer gefährlichen und potenten Waffe. Zum Vergleich: Während Ellis jenseits der Dreierlinie einen Karrierewert von 31,4 Prozent aufweist, schließt Matthews mit satten 39,3 Prozent ab.

Zusätzlich benötigt der Ex-Blazer den Spalding nicht so häufig - und vor allem lange - in seinen Händen. Für die Flow Offense von Rick Carlisle wird Matthews auch deshalb eine interessante Variable darstellen und permanent mit Chandler Parsons am Perimeter wandeln. Durch die sicher häufig anvisierten Pick-and-Rolls mit DeAndre Jordan sollten Matthews, Parsons und Dirk Nowitzki zudem ein ums andere Mal gegnerische Nachlässigkeiten bestrafen.

Fragezeichen hinter der Gesundheit

Zugegeben, Matthews, Parsons, Nowitzki, Jordan - das liest sich höchst spannend. Aber sowohl der heiße GM-of-the-Year-Kandidat und Center-Flüsterer Chandler Parsons als auch Matthews sind verletzt. Und gerade zu Beginn der neuen Spielzeit steht ein Fragzeichen hinter dem neuen Zweier der Mavs.

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt schließlich, wie ungewiss das Leistungsvermögen von Spielern ist, die sich die Achillessehne gerissen haben. Im besten Fall ergeht es Matthews wie Dominique Wilkins, der an seine Zeit vor der Verletzung anknüpfen und sein altes Leistungsvermögen abrufen konnte. Kobe Bryant wiederum riss sich im April 2013 die Achillessehne und erreichte, auch aufgrund anderer Verletzungen, seitdem nicht mehr sein altes Niveau. Andererseits war die Black Mamba zum Zeitpunkt der Verletzung auch bereits 34 Jahre alt.

Voshon Lenard (30,6 Minuten auf 17,6) und Dan Dickau (29,4 Minuten auf 8,9) mussten ihre Karrieren dagegen gar frühzeitig beenden. Nun sind Quervergleiche zwar weder in die eine, noch in die andere Richtung sonderlich gehaltvoll, die Historie zeigt dennoch: Eine Rückkehr zur alten Leistungsstärke ist alles andere als selbstverständlich.

An mangelndem Willen wird es bei Wes Matthews allerdings gewiss nicht scheitern. Gleich nach der Diagnose fragte er nach dem normalen Zeitfenster für ein Rückkehr. "Acht Monate? Also werde ich versuchen, in fünf zurück zu sein." Typisch. Das Wort "aufgeben" kommt im Vokabular des Texaners nicht vor. Frei nach dem Motto seiner Mutter: "Wir erlauben es nicht aufzugeben." Vielleicht auch ein Leitsatz für die neue Identität der Mavericks.

Wesley Matthews im Steckbrief

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