MLB

Die Cursebusters gegen den Fixer

Jake Arrieta und die Chicago Cubs wollen nach 108 Jahren wieder die World Series gewinnen
© getty

Die World Series 2016 geht los. Die Cleveland Indians treffen auf die Chicago Cubs. Auf dem Spiel steht das Ende einer der zwei längsten Durststrecken der Major League Baseball. SPOX schaut auf Flüche, verschiedene Philosophien und markante Köpfe im Vorfeld des Fall Classics.

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Mit Läufer auf Base und einem Out liefert Closer Aroldis Chapman den letzten Pitch der NLCS 2016 zu Yasiel Puig. Der Kubaner schlägt in ein Double-Play und in dem Moment, in dem der Ball von Second Baseman Javier Baez im Handschuh von First Baseman Anthony Rizzo landet, kennt der Jubel im Wrigley Field keine Grenzen mehr. Aus den Boxen schallt "Go Cubs Go", die Hymne der Cubs.

Es ist vollbracht! Die Cubbies stehen in der World Series und das Ende der längsten Durststrecke in der Geschichte des Sports ist zum Greifen nahe. Gänsehaut pur.

Zuversicht allerorts

Doch auch in Cleveland herrscht Zuversicht, nachdem sich die Indians den Toronto Blue Jays schneller als gedacht entledigen konnten. Erstmals seit 1997 steht der "Tribe" wieder im Herbstklassiker. Damals unterlag man trotz einer Mannschaft gespickt mit Superstars wie Manny Ramirez, Omar Vizquel, Orel Hershiser oder Jim Thome den Florida Marlins in sieben dramatischen Spielen.

Generell waren die 90er-Jahre eine fast schon goldene Ära für die Indians, denen die Krönung allerdings verwehrt blieb. Zu dominant waren die New York Yankees, die die Truppe aus Cleveland ausgerechnet 97 immerhin einmal ausschalten konnte. Der große Wurf blieb jedoch dennoch aus.

Gemeinsam haben beide Teams deshalb, dass sie schon Jahrzehnte auf den einen großen Moment warten, die World Series zu gewinnen: Die Cubs seit 108 Jahren, die Indians immerhin seit 68. Es sind die zwei längsten Durststrecken im Baseball. Eine wird enden.

Curse of the Billy Goat

Dabei hatten besonders die Cubs einen langen, kräftezehrenden Weg zu beschreiten, sind sie doch seit geraumer Zeit verflucht.

So besagt die Legende, dass 1945 Billy Sianis, der damalige Besitzer des Lokals "Billy Goat Tavern" mit seinem Ziegenbock namens Murphy zu Spiel 4 der World Series gegen die Detroit Tigers ins Wrigley Field gehen wollte. Der Ziegenbock jedoch musste draußen bleiben, obwohl Sianis eine Karte für ihn gekauft hatte. Sianis war entsprechend sauer und soll mit den Worten "Diese Cubs werden nie wieder gewinnen" von dannen gezogen sein.

Anschließend verfasste er noch ein Telegramm an den damaligen Teameigner Philip K. Wrigley: "Sie werden diese World Series verlieren und nie wieder eine andere World Series gewinnen. Sie werden nie wieder eine World Series gewinnen, weil sie meinen Ziegenbock beleidigt haben." Er sollte Recht behalten, die Tigers triumphierten in sieben Spielen.

Und wer an den Fluch, der offiziell als "Curse of the Billy Goat" in die Geschichte einging, glaubt, wird in den Folgejahren zahlreiche Beispiele finden. Der kurioseste und bis heute wohl bekannteste Vorfall war das berüchtigte "Bartman Game" 2003. In der NLCS lagen die Cubs mit 3-2 gegen die Marlins vorne und hatten in Spiel 6 eine 3:0-Führung im achten Inning bei einem Out.

Luis Castillo trat an die Platte und schlug einen Popup Richtung Foul-Linie im Left Field. Cubs-Left-Fielder Moises Alou lief zur Mauer und versuchte den Ball zu fangen. Doch er wurde von Steve Bartman, einem Fan mit grünem Turtleneck, Cap und Kopfhörern auf dem Kopf, daran gehindert. Der Ball fiel zu Boden und das At-Bat ging weiter. In der Folge erzielten die Marlins acht Runs und gewannen mit 8:3, anschließend auch Spiel 7 und schließlich die World Series.

Bartman wiederum ist bis heute eine Persona non grata in Chicago.

Auch Buckner traf es

Doch der Fluch hatte noch weitere Auswüchse und war nicht nur auf aktuelle Cubs-Akteure beschränkt. 1984 leistete sich First Baseman Bill Buckner auf Seiten der Boston Red Sox einen schweren Fehler gegen die New York Mets, der das letzte Out und den Titel für Boston bedeutet hätte. Die Mets gewannen kurz darauf die Serie. Buckner wiederum spielte zuvor sieben Jahre für die Cubs und Zeitlupen zeigen, dass er unter seinem Fang- einen Schlaghandschuh mit Cubs-Logo getragen hatte.

Fluch hin oder her, für die Cubs ist 2016 die erste World Series seit 1945 und die Chance, jegliche Gedanken an den so hinderlichen Aberglauben auszuradieren.

Ein Anfang ist bereits gemacht, denn ausgerechnet am 46. Todestag von Sianis gewannen die Cubs Spiel 6 der NLCS gegen die Dodgers und lösten das World-Series-Ticket. Wenn das kein Omen ist!

Kampf der Philosophien

Die Wege in den Herbstklassiker hätten für beide aber nicht unterschiedlicher sein können. Während die Cubs durchaus zu kämpfen hatten, verloren die Indians nur eine Partie - Spiel 4 bei den Blue Jays. Doch die Art und Weise, wie das Zwischenziel erreicht wurde, ist das eigentlich Besondere an der Sache.

Und das fängt bei den Managern an. Auf der einen Seite steht Terry Francona, der schon 2004 einen Fluch, den "Curse of the Bambino" in Diensten der Boston Red Sox, beendete und insgesamt zweimal die World Series gewann. Er weiß also, wie sich sein Gegenüber, Joe Maddon, gerade fühlen muss.

Selbiger gilt schon lange als eine Art Revoluzzer, der nicht vor Sacrifice Bunts, exotischen Defensiv-Formationen und teils ungewöhnlicher Schlagreihenfolgen zurückschreckt. Zudem ist er ein extrem lässiger Typ, der bei seinem Amtsantritt in Chicago erstmal die komplette Medienschar auf einen Drink im Lokal gegenüber einlud.

Micromanagement der Extraklasse

Im Spiel wiederum vertrauen die Cubs auf unterschiedliche Philosophien. Francona etwa sorgte in den vergangenen Wochen für Aufsehen, weil er auf die bahnbrechende Idee kam, seinen besten Pitcher, Closer Andrew Miller, deutlich früher als üblich einzusetzen. Teilweise kam er schon im fünften Inning und pitchte dann zwei oder mehr Innings, was ebenfalls von der Norm abweicht.

In der Regel pitcht ein Closer das neunte Inning, weil man annimmt, dass dort der größte Druck besteht. Francona hingegen entscheidet dies situativ und bringt den Linkshänder quasi als Fixer, wenn es gerade brennt. Sein Motto: Wir konzentrieren uns auf heute und machen uns über morgen später Gedanken.

Maddon hingegen kann von Haus aus auf eine größere Zahl an verlässlichen Startern verweisen. Neben dem äußerst erfahrenen Jon Lester (Champion mit den Red Sox 2007 und 2013), der in diesem Jahr nur ein Spiel verlor, stehen etwa Jake Arrieta (Cy-Young-Gewinner 2015) und Kyle Hendricks zur Verfügung, der im Schnitt die wenigsten Runs in dieser Saison zugelassen hat.

Doch auch Maddon greift gerne und oft durch Pitcher-Wechsel ins Spiel ein. Jedoch setzt er auf vorteilhafte Matchups. Einem starken linkshändigen Hitter wird ein guter linkshändiger Pitcher entgegen gestellt, andersrum genauso. Der Cubs-Bullpen weist als einziges Team in dieser Postseason weniger als ein Inning pro Relief-Einsatz auf! Offensiv funktioniert diese Formel in etwas abgeschwächter Form, weil es nicht so viele Schlagmänner auf der Bank gibt, ebenfalls.

Topspieler wohin man schaut

Müsste man nun die zwei Offensivreihen vergleichen, käme man zum Schluss, dass insgesamt mehr Potenzial bei den Cubs herrscht. Allein First Baseman Anthony Rizzo und Third Baseman Kris Bryant gehören zum Besten, was der Sport aktuell zu bieten hat. Aber auch die Indians können auf namhafte Kräfte wie Designated Hitter Carlos Santana oder First Baseman Mike Napoli verweisen. Letzterer ist ein Spieler, auf den in großen Momenten absolut Verlass ist.

Hinzu kommt bei Cleveland etwa Shortstop Francisco Lindor, der seine bislang beste Saison gespielt hat und vielleicht sogar der beste junge Shortstop in der MLB ist. Die Cubs hoffen derweil auf die erfolgreiche Rückkehr von Kyle Schwarber, der die Saison mit einer Knieverletzung verpasst hat, aber doch noch ein Comeback als DH feiert. Ansonsten dürfte die Bank in den Fokus rücken, auf der etwa Catcher Miguel Montero sitzt, dem gegen L.A. einen dramatischen Grand Slam gelang, der die Dodgers im Mark erschüttern ließ.

Generell existiert auf beiden Seiten sehr viel Qualität, sodass kein Spiel vor dem letzten Out entschieden sein wird. Unterm Strich nehmen sich beide Mannschaften also nicht allzu viel, sind völlig zu Recht in der World Series und lassen auf eine lange, extrem spannende und hochklassige Serie hoffen. Es steht einiges auf dem Spiel, denn beide Fan-Lager sind hungrig, entsprechend ekstatisch dürfte die Atmosphäre in den Stadien werden.

Am Ende wird eine Durststrecke beendet sein, doch egal wer nun als Sieger in die Annalen eingehen wird, auch der Verlierer wird sich nicht allzu sehr grämen müssen, denn die Basis ist gelegt, die Zukunft sieht rosig aus. Auch wenn dies am Ende der Serie wohl niemanden interessieren wird, denn sowohl die Cubs als auch die Indians sind ausgezogen, um Geschichte zu schreiben.

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