Vorlagen en masse

SID
Vor seinem Wechsel schoss Payet in 83 Spielen für Olympique 15 Tore und legte 29 Treffer auf
© getty

Mit Dimitri Payet hat sich West Ham einen der erfolgreichsten Vorlagengeber Europas gesichert. Der Franzose hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich und sucht in der Premier League nun nach internationaler Anerkennung. Page 2 über den neuen Spielmacher der Hammers, der erst von einem "Fußballprofessor" richtig auf Kurs gebracht wurde.

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Was hat Dimitri Payet mit Lionel Messi und Kevin De Bruyne gemeinsam? Die Antwort liest sich relativ simpel: Einundzwanzig. Dies ist jedoch nicht die Rückennummer der Spieler, ebenfalls nicht das Alter und vor allem im Fall der Wölfe leider auch nicht die Vertragslänge. Nein, diese drei Spieler bereiteten in der Saison 2014/2015 unfassbare 21 Tore in ihrer jeweiligen Liga vor. Damit war das Trio in dieser Kategorie europaweit Spitze. Durch diese Leistungen ist De Bruyne nun einer der begehrtesten jungen Spieler auf der Welt und bei La Pulga ist man sowieso von Rekorden nicht mehr großartig überrascht.

Payet wird sich als amtierender Assistkönig Europas für 15 Millionen Ablöse West Ham United anschließen. Sein neuer Verein schloss die abgelaufene Runde nur auf dem zwölften Tabellenplatz ab und will unter dem neuen Trainer Slaven Bilic die Europa League Plätze ins Auge fassen. Dank des neuen TV-Deals der Premier League ist auch das nötige Geld da, um sich mit Spielern eines solchen Kalibers zu rüsten. Davon kann beispielsweise der 1. FC Köln, der Zwölfter in der Bundesliga wurde, nur träumen. Doch welche Qualitäten bringt der 28jährige Franzose mit zu den Hammers?

Der Beste im Kreieren

West Ham konnte in der letzten Spielzeit gerade einmal 44 Tore erzielen. Mit Payet kann man gerade diesem Manko entgegenwirken, denn die größte Qualität des französischen Nationalspielers ist das Kreieren von Torchancen. Der 1,78m große Offensivspieler war 2014/2015 an insgesamt 134 Tormöglichkeiten für Olympique Marseille beteiligt. Kein anderer Spieler in den großen europäischen Ligen kann einen solchen Wert aufweisen.

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Auf den Plätzen 2 und 3 folgt belgische Prominenz mit Kevin De Bruyne und Eden Hazard, welche neben Payet als einzige Spieler überhaupt die 100er-Marke in dieser Kategorie geknackt haben. Neben den 21 Vorlagen traf der Franzose auch selbst sieben Mal ins gegnerische Gehäuse. Wegen seiner guten Technik und seiner Beweglichkeit ist er zudem stets in der Lage sich auch aus engen Situation zu befreien, was herausragende 55 Prozent erfolgreich geführte Zweikämpfe belegen.

Eine weitere Stärke von ihm ist zudem seine Beidfüßigkeit, durch welche er auch aus der Distanz gefährlich abschließen kann. Payet ist darüber hinaus ein Spezialist für Standardsituation. Seine größte Schwäche ist ganz klar das Kopfballspiel, hier gewann er lediglich 13 Prozent seiner Duelle. Außerdem sollte der französische Auswahlspieler körperlich noch zulegen, um in der rauen Premier League zu bestehen. Um dorthin zu gelangen, musste Payet einige Stationen durchlaufen.

Talent vom indischen Ozean

Florent Dimitri Payet wurde am 29. März 1987 auf Saint-Pierre geboren. Saint-Pierre liegt auf der Insel Réunion im Indischen Ozean, welche politisch ein Übersee-Département sowie eine Region Frankreichs bildet. In seinen jungen Jahren schloss Payet dem lokalen Klub AS Saint-Philippe an und begann schnell die anderen Kicker in seiner Altersgruppe fußballerisch zu überragen. Schon bald flatterte ein Angebot von JS Saint-Pierroise, einem der besten Vereine auf der Insel, ins Haus. Auch dort stach er heraus, weshalb Le Havre AC auf ihn aufmerksam wurde, die eine Partnerschaft mit JS pflegen.

So zog es Payet im Alter von 12 Jahren auf Festland. Auch andere namhafte Spieler von der Insel wie Florent Sinama Pongolle oder Guillaume Hoarau sind diesen Weg gegangen. In seinem vierjährigen Aufenthalt bei Le Havre wurde er von Heimweh und anderen Problemen geplagt. Ihm wurde ein schwieriger Charakter und mangelnde Motivation vorgeworfen. Auch wegen dieser Anschuldigungen, aber wohl eher aus Heimatverbundenheit nahm er 2003 das Angebot AS Excelsior aus Saint-Joseph an, was wie sein Geburtsort Saint-Pierre auf Reunion liegt.

Mit Excelsior sammelte er erste Erfahrungen im Profibereich in der Reunion Premier League. Im Jahr 2005 entschloss sich der FC Nantes Payet eine weitere Gelegenheit auf dem Festland zu bieten und bot dem Talent einen Zweijahresvertrag auf Amateuerbasis an. Wie sehr Payet´s Ruf bei Le Havre gelitten hatte, verdeutlicht die Tatsache, dass Nantes sich eine Option in den Vertrag setzen ließ, nach welcher der Klub den Vertrag bei Schwierigkeiten bereits nach sechs Monaten hätte auflösen können.

Odysee durch Frankreichs Traditionsteams

Beim FC Nantes wurde Payet zunächst im Jugendteam eingesetzt. In der Saison 2005/2006 feierte er sein Debüt im Profiteam, kam jedoch nur auf drei Einsätze. In der kommenden Spielzeit hatte er seinen Durchbruch bei den "Kanarienvögeln". Payet konnte sich in den Stamm der Mannschaft spielen und debütierte er im Herbst 2006 für die französische U21-Nationalmannschaft. Am Ende stand für Nantes allerdings der Abstieg in die Ligue 2 und das Talent entschloss sich den Verein zu verlassen.

Der AS Saint-Etienne sicherte sich im Sommer 2007 für 4 Millionen Ablöse seine Dienste. Der Start bei "Les Verts" glückte überhaupt nicht. Payet kam zwar in der Saison 2007/2008 regelmäßig zum Einsatz, er konnte jedoch weder ein Tor erzielen noch eine Vorlage verbuchen.

Eine Leistungssteigerung kam in der nächsten Spielzeit. In der Vorbereitung bestritt ASSE ein Freundschaftsspiel auf Reunion und Payet durfte sein Team bei seiner Rückkehr in die Heimat als Kapitän aufs Feld führen. Angetrieben von diesem Vertrauensbeweis standen am Saisonende vier Treffer und sechs Vorlagen auf seinem Konto. Aufgrund der Mehrfachbelastung (ASSE konnte sich im Vorjahr für die Europa League qualifizieren) spielte die Mannschaft eine schwache Saison und Payet entging nur haarscharf seinem zweiten Abstieg.

Von der "Fast-Schlägerei" ins Nationalteam

Im nächsten Jahr machte der damals vor allem auf dem Flügel eingesetzte Payet Negativschlagzeilen, als er sich mit seinem Mannschaftskapitän Blaise Matuidi während eines Ligaspiels beinahe eine Schlägerei lieferte. Trotz dieses Skandals blieb der Spieler in Saint-Etienne und legte einen Bombenstart hin. In den ersten sieben Spielen traf Payet sieben Mal und führte die Torjägerliste an. Die Belohnung folgte am 30. September 2010 als er zum ersten Mal führte die französische Nationalmannschaft nominiert wurde.

Für einen erneuten Skandal sorgte er im Januar 2011 als er am letzten Tag der Transferperiode unbedingt zu dem damals finanziell erstarkten Paris Saint-Germain wechseln wollte und aufgrund der Absage von ASSE das Training schwänzte. Nach Ablauf der Spielzeit wechselte er für 9 Millionen zum amtierenden französischen Meister OSC Lille.

Ihren Titel konnten die Lille trotz der herausragenden Flügelzange um Payet und dem jungen Eden Hazard nicht verteidigen. Eine weitere Enttäuschung erlebte der Offensivspieler, als nicht für die Europameisterschaft 2012 nominiert wurde.

Im Sommer verließ Hazard den Verein, weshalb das Spiel von Lille noch mehr auf Payet zugeschnitten wurde. Dieser spielte mit zwölf Toren und 18 Vorlagen seine bis dahin beste Saison. Da sich der OSC am Ende jedoch nicht einmal für die Europa League qualifzierte, kokettierte er erneut mit einem Wechsel. Den Zuschlag erhielt im Sommer 2013 Olympique Marseille für 8,7 Millionen.

Lehrmeister Bielsa

In Südfrankreich wurde Payet direkt Stammspieler und feierte ein Traumdebüt. In seinem ersten Ligaeinsatz erzielte er bereits nach 15 Minuten einen Doppelpack. Der Vizemeister aus dem Vorjahr konnte jedoch seine eigenen Erwartungen nicht erfüllen und landete am Ende nur auf dem sechsten Rang, weshalb Trainer Jose Anigo entlassen wurde. Um wieder in Frankreichs Elite mitspielen zu können, verpflichtete OM für die Saison 2014/2015 den als "Fussballprofessor" bekannten Marcelo Bielsa.

Unter dem neuen Coach wurde Payet nun hinter den Spitzen eingesetzt und dieser zahlte mit 21 Vorlagen das Vertrauen des Argentiniers zurück. Er selbst spricht nur in der höchsten Tönen von Bielsa: "Was er mir in nur einer Saison gegeben hat, wird mir für meine restliche Karriere auf und neben dem Platz immer hilfreich sein. Erst durch den Wechsel auf die Spielmacherposition verstand ich wirklich, was Konstanz bedeutet. Unter Bielsa wurde ich zu einem neuen Spieler."

Der Positionswechsel brachte ihn ebenfalls zurück in die französische Nationalmannschaft. OM konnte sich in der abgelaufenen Runde lange in den Champions-League-Plätzen halten, am Ende stand Platz 4 zu Buche. Daraufhin verließen mit Andrew Ayew (Swansea City) und André-Pierre Gignac (Tigres UANL) zwei Leistungsträger den Klub. Wenige Tage später gab auch Payet seinen Wechsel zu West Ham bekannt.

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Den finalen Schritt zum internationalen Star möchte Dimitri Payet nun in England machen. Obwohl er in Frankreich über mehrere Jahre zu den Spitzenspielern gehörte, bleib ihm internationale Anerkennung bisher verwehrt. Dies zeigt auch die Tatsache, dass der beste Vorlagengeber auf dem Kontinent letzten Endes bei West Ham gelandet ist. Payet sollte vor allem nach seinem letzten Jahr die nötige Konstanz besitzen um den Hammers auf Anhieb weiterzuhelfen. Sein neuer Trainer Slaven Bilic legt viel Wert auf eine professionelle Arbeitseinstellung seiner Spieler. Durch Bielsa, der ironischerweise mit Bilic in der Endausscheidung um den Posten als West Ham Trainer war, scheint er auch diese Komponente verinnerlicht zu haben, die ihm früher noch abging: Qualität konstant abrufen zu können.

Dimitri Payet im Steckbrief

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