Peking-Debatte: Großbritannien folgt Biden, Boykott-Rufe auch in Deutschland

SID
Nach den USA nun Großbritannien, Australien und Kanada: Die Boykott-Debatte um die Olympischen Winterspiele in Peking schwelt weiter.
© getty

Nach den USA nun Großbritannien, Australien und Kanada: Die Boykott-Debatte um die Olympischen Winterspiele in Peking schwelt weiter. Auch Deutschland wird eine Antwort auf die heikle Frage finden müssen.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Olaf Scholz hob die rechte Hand und schwor seinen Eid als Bundeskanzler, als die brisante Debatte um einen Olympia-Boykott weiter Fahrt aufnahm. Großbritannien, Australien und Kanada folgen den USA, aus der FDP kamen gar Rufe nach einem Komplett-Boykott der EU: Sport und Politik diskutieren eifrig über die umstrittenen Winterspiele in Peking. Die Frage ist nun, wie sich Deutschland und sein neuer Kanzler rund um das Mega-Event in China positionieren.

Diesbezüglich formulierte Nicola Beer, FDP-Europaabgeordnete und Vize-Präsidentin des Europäischen Parlaments, eine drastische Forderung. Die Europäische Union solle "nicht nur im Windschatten der USA bleiben, sondern sich selbst für die Einhaltung von Menschenrechten auf die Hinterbeine stellen und sich für einen gänzlichen Boykott der Winterspiele aussprechen", sagte Beer den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Spiele in China (4. bis 20. Februar) nannte sie "eine falsche Bühne am falschen Ort".

Außerhalb der EU sind der US-Regierung um Präsident Joe Biden, die am Montag den diplomatischen Boykott angekündigt hatten, bereits einige Länder gefolgt. Auch Großbritannien, Australien, Neuseeland und Kanada schicken keine Regierungsvertreter nach Peking. Die australische Regierung um Ministerpräsident Scott Morrison erklärte dies am Mittwoch. Am Nachmittag zog der britische Premierminister Boris Johnson nach, wenig später auch Kanadas Premierminister Justin Trudeau. Johnson betonte, ein sportlicher Boykott sei allerdings "nicht die Politik" seiner Regierung.

IOC-Präsident Bach: Politisierung könne "Ende der Spiele" bedeuten

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) und dessen Präsident Thomas Bach hatten sich nach Ankündigung der USA gewohnt neutral gegeben. Ein IOC-Sprecher sagte am Dienstag: "Dies ist ein politischer Bereich, eine politische Entscheidung, und wir respektieren ihr Recht, diese Entscheidung zu treffen." Der diplomatische Charakter des Boykotts zeige jedoch auch, "dass sie die Rechte der Athleten respektieren, an den Olympischen Spielen teilzunehmen, und ich denke, das ist sehr wichtig."

Bach blieb am Mittwoch bei dieser Linie und betonte erneut die politische Neutralität des IOC. Die Politisierung könne "das Ende der Olympischen Spiele bedeuten", warnte Bach: "Wenn wir eine politische Seite einnehmen, bekommen wir die 206 NOKs nicht zu den Spielen."

Es sei aber wichtig, dass der Boykott die Sportler nicht betreffe. "Wir begrüßen, dass die Athleten von ihren Regierungen unterstützt werden", so Bach: "Der Rest ist Politik."

Laut Dagmar Freitag, der früheren Vorsitzenden des Sportausschusses im Bundestag, richte sich ein diplomatischer Boykott aber "in gleichem Maße an das IOC", welches die Spiele nach Peking vergeben hatte und aktuell wegen seines Verhaltens im Fall der verschwundenen Tennisspielerin Peng Shuai in der Kritik steht. Die SPD-Politikerin glaubt hier an eine Signalwirkung. "Wenn IOC-Präsident Bach demnächst nur noch mit den autokratischen Despoten dieser Welt auf der VIP-Tribüne sitzt", sagte Freitag dem SID, "ist das auch ein Fingerzeig an die Sponsoren des IOC-Premiumprodukts Olympische Spiele."

Olympia-Boykott auch von Deutschland?

Hierzulande näherte sich Außenministerin Annalena Baerbock dem Thema in einem taz-Interview bereits gedanklich an, aus der Grünen-sowie Unions-Fraktion kommen Boykott-Forderungen, doch Bundeskanzler Scholz vermied bislang eine klare Aussage. Seine Regierung werde sich "sehr sorgfältig mit uns, unter uns und mit den Partnern in Europa und der Welt beraten", sagte er am Dienstag. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier habe sich derweil entschieden, sagte eine Sprecherin der ARD-Sportschau, nicht nach Peking zu reisen.

In Europa eine gemeinsame Linie zu finden, dürfte jedoch nicht allzu leicht werden. So sagte Freitag, sie begrüße "jeden Versuch, eine klare europäische Haltung in dieser Frage herbeizuführen." Die 68-Jährige habe hier jedoch ihre Zweifel, "ob eine einheitliche Haltung tatsächlich herbeigeführt werden kann, da auch in der EU bekanntlich Staaten sind, die eine zweifelhafte Haltung zu rechtsstaatlichen Positionen haben.

Der organisierte Sport in Deutschland hat sich derweil klar positioniert: "Nein" zu einem sportlichen Boykott und ein diplomatischer sei "Sache der Regierung", sagte der neue DOSB-Präsident Thomas Weikert im NDR-Sportclub. Auch Maximilian Klein vom Verein Athleten Deutschland sagte der Sportschau, aus Athletensicht würde ein "sportlicher Boykott klar abgelehnt".

Artikel und Videos zum Thema