Michael Rösch im Interview: "Dann kommen irgendwelche Lappen und betreiben Blutdoping"

Michael Rösch startete zunächst für Deutschland, später dann für Belgien.
© getty

Nach dem Doping-Skandal bei der Ski-WM in Seefeld hat sich Ex-Biathlet Michael Rösch auf seiner Facebook-Seite erschüttert gezeigt und harte Strafen für die Täter gefordert. Im Interview mit SPOX erläutert Rösch, der seine Karriere beim Weltcup in Ruhpolding Mitte Januar beendet hat, wie man der Doping-Problematik Herr werden könnte und was von den unglaublichen Leistungen von Biathlon-Überflieger Johannes Thingnes Boe zu halten ist.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Außerdem hat er eine klare Meinung zum Asthmamittel-Boom im Ausdauersport.

Michael Rösch, Sie haben am Mittwochabend in einem emotionalen Facebook-Post mit den Dopingsündern bei der Ski-WM in Seefeld abgerechnet.

Michael Rösch: Das war schon in der Hitze des Gefechts gepostet. Ich bin ein sehr emotionaler Mensch und es kotzt mich einfach an, wenn ich sehe, dass bei den Deutschen ein Andreas Katz oder ein Lucas Bögl Wahnsinnsrennen abliefern und von der Presse relativ klein gehalten werden. Und dann kommen irgendwelche Lappen daher und betreiben Blutdoping. Das ist Wahnsinn, für mich eine riesige Frechheit. Das darf zum Sport einfach nicht dazugehören. Eine Katastrophe.

Sie schrieben: "Ich hoffe ihr bekommt eure gerechte Strafe!" Was wäre denn in Ihren Augen gerecht?

Rösch: Bei Dingen wie Blutdoping, EPO oder Wachstumshormonen: ganz klar eine lebenslange Sperre. Keine zwei Jahre, keine vier Jahre. Das macht man nicht aus Versehen. Wenn jemand aus Versehen einen Hustensaft trinkt, dann muss man differenzieren. Aber bei Blutdoping gehört man lebenslang gesperrt.

Und was ist mit Betreuern und Ärzten?

Rösch: Ärzte wie den jetzt in Erfurt gefassten muss man aus dem Verkehr ziehen und den ganzen Sumpf trockenlegen. So wie es sich darstellt, sind das kriminelle Machenschaften, damit wird viel Geld gemacht. Seefeld hat so viel Zeit und Mühe in die WM investiert und solche Sportler machen alles kaputt.

Der Österreichische Verband sagt, er habe nichts mitbekommen. Wie leicht ist es denn, am Verband vorbei zu dopen?

Rösch: Es ist anscheinend möglich, wie man sieht. Ich kann mir schon vorstellen, dass die Sportler das auf eigene Faust gemacht haben und Verband und Betreuer nichts davon wussten. Ob sie eine eigene Trainingsgruppe oder dergleichen hatten, das weiß ich nicht. Aber der Verband ist in solchen Fällen machtlos. Was will man als Verband machen, wenn jemand so viel kriminelle Energie reinsteckt? Man ist auf die Kontrollen der WADA und NADA angewiesen. Sollte der Verband auch involviert sein, wäre es natürlich eine Katastrophe.

Aber was ist mit den Betreuern, Physios, Ärzten? Das muss doch irgendwann auffallen?

Rösch: Offenbar haben die erwischten Sportler das System professionell umgangen, und zwar über viele Jahre. Johannes Dürr hat es in seiner Doku ja beschrieben, wie er sich irgendwo Hotelzimmer genommen hat und dergleichen. Die Österreicher sind extra zum Arzt nach Erfurt gefahren, der war ja kein unbeschriebenes Blatt. Dass solche Ärzte immer noch mit Lizenz arbeiten können, ist schon krass.

Die Karriere von Michael Rösch

Olympia-Medaillen1x Gold (Staffel, Turin 2006)
WM-Medaillen3x Bronze (Staffeln 2007, 2008, 2009)
Weltcupsiege4 (Sprint, Verfolgung, 2x Staffel)
Podiumsplatzierungen26 (17x Staffel)

Michael Rösch: "Ausreden der Dopingsünder zeigen schwachen Charakter"

Sie haben auch geschrieben: "Dann doch lieber Letzter, aber dafür ehrlich" und "Kommt mir nicht mit dem Argument: 'Ich hatte keine Wahl'".

Rösch: Es gibt so viele, die tagtäglich Zeit und Ressourcen opfern, um auf ihrem Niveau gut zu sein, auch aus den kleinen Wintersport-Nationen. Die keine Chance haben, aber trotzdem alles geben. Und die werden von solchen Leuten einfach beschissen. Was die Wahl angeht: Es gibt immer eine Wahl. Ich war auch einmal ganz unten, aber ich habe einen anderen Weg heraus gefunden. Ich habe immer betont, dass man nicht immer der Erste sein muss. Ich habe mir den Respekt hart erarbeiten müssen. Das sind für mich keine Sportler. Solche Ausreden zeigen nur einen schwachen Charakter.

Wie bekommt man Doping aus dem Sport heraus?

Rösch: Es ist ein langer Weg. Man muss früh anfangen, schon in den Schulen, um das aus den Köpfen rauszukriegen. Prävention ist das Erste, darüber hinaus dann harte Strafen. Wenn man Doping unter Haftstrafe stellen würde, wäre das ein großer Erfolg. Das ist ja auch in einigen Ländern so. Es ist ja nicht nur im Sport so: Überall wird betrogen. Das Problem ist Geld, oder der Ruhm und das damit verbundene Geld. Da fängt der Hamster an zu humpeln: Wo es um viel Geld geht, wird eben betrogen.

Und was ist mit schärferen Kontrollen?

Rösch: Ich wäre bereit gewesen, alles zu machen: Das tägliche An- und Abmelden bei der WADA, Proben geben, mein Handy abgeben, mir einen Chip einpflanzen lassen, was auch immer. Aber sobald du Dreck am Stecken hast ... Es gibt immer noch riesige Lücken. Mir tun vor allem die ehrlichen Sportler leid, die so in ein schlechtes Licht gerückt werden.

Sie waren jahrelang Spitzensportler. Wie leicht bzw. schwer ist es denn, an solche Dopingmittel heranzukommen?

Rösch: Es gab ja auch im Biathlon viele Dopingfälle, mir selbst wurde zum Glück nie etwas angeboten. Zu meiner Zeit im deutschen Team ist immer alles auf höchstem Niveau abgelaufen, alles wurde überwacht, und das ist auch gut so. Auch die Ärzte und Physios waren ins Team integriert. Ich habe keine Ahnung, wie solche Sportler das machen. EPO ist ja ein Mittel, das bei Krebskranken eingesetzt wird. Da braucht es Ärzte, die so etwas verschreiben, es braucht ein ganzes Netzwerk. Aber mittlerweile kann man mit genügend Aufwand und Geld über diverse Kanäle an fast alles herankommen.

Beim Weltcup in Ruhpolding Mitte Januar beendete Michael Rösch seine Karriere.
© getty
Beim Weltcup in Ruhpolding Mitte Januar beendete Michael Rösch seine Karriere.

Rösch: "Johannes Thingnes Boe hat eine Gottesgabe"

Sind Ausnahmesportler nun automatisch suspekt? Nicht nur im Langlauf, es gibt ja auch im Biathlon Athleten, die alles in Grund und Boden laufen.

Rösch: Genau das ist das Problem: Die, die wirklich gut sind, leiden darunter. Nehmen wir das Beispiel Johannes Thingnes Boe: Ich kenne ihn persönlich, ich habe ein paar Jahre in Norwegen trainiert und kenne auch die Trainingsphilosophie dort. Bei Boe hat man das größte Herzvolumen seit Jahrzehnten gemessen - bei ihm ist es also eine von Gott gegebene Gabe. Kombiniert mit dem nötigen Talent und dem entsprechenden Training ergibt das einen guten Athleten, wie auch bei Martin Fourcade. Ich habe auch Talent gehabt und versucht, es bis zum Maximum auszureizen. Natürlich, bei manchen schaut man ein bisschen skeptischer hin, und man kann auch für niemanden die Hand ins Feuer legen, außer für sich selbst. Bei der WM in Seefeld ging eine Goldmedaille auch wieder an einen Athleten, der ein Ausnahme-Attest wegen Asthma hatte ...

Was hat es mit dieser Asthma-Epidemie auf sich?

Rösch: Es ist Wahnsinn, wie viele Sportler auf einmal an Asthma leiden. Ich sage ganz klar: Wenn ich Asthma habe, ist das eben Pech und ich kann keinen Leistungssport machen. Wenn ich einen tiefen Hämoglobin-Wert habe, also vergleichsweise wenige rote Blutkörperchen, darf ich ja auch kein EPO nehmen. Natürlich habe ich auch Nahrungsergänzungsmittel genommen, Aminosäuren, Eiweißpulver und solche Sachen. Das ist normal, das macht jeder Sportler, weil der körpereigene Bedarf so hoch ist. Aber Sondergenehmigungen sehe ich sehr grenzwertig.

Wie viele Biathleten leiden denn offiziell an Asthma?

Rösch: Ich kann keine Zahl nennen. Ich habe es nie genommen, aber es ist leider sehr verbreitet. Mittlerweile ist es in so ziemlich jeder Sportart Usus. Ich hatte schon immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich bei Kopfschmerzen eine Aspirin genommen habe.

Artikel und Videos zum Thema