Oscar Otte im Interview: "An das Federer-Match denke ich immer noch"

Von Jannik Schneider
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Oscar Otte: "Tennisspieler bekommen täglich Morddrohungen"

Gibt es auf dem Level im Profitennis Schattenseiten, die Ihnen gar nicht gefallen?

Otte: So wie es aktuell ist, ist alles gut. Es wird sehr viel für die Spieler getan und ich kann mich überhaupt nicht beschweren. Eigentlich ist alles gut.

Dennoch wissen sie aufgrund ihrer Turniererfahrung auf unterem Profiniveau auch über das leidige Thema Matchfixing (Wett-Betrug bei Spielen Anm. d. Red) bescheid. Nun besteht mal wieder der Verdacht, dass ein Qualifikationsmatch hier in Paris mit dem Israeli Dudi Sela bei den French Open gefixt wurde. Die französische Sportzeitschrift l'Equipe beruft sich auf Ermittlungen einer Polizeiquelle. Überrascht es Sie, dass so etwas auch auf höchstem Niveau bei den French Open eine Rolle spielt?

Otte: Schwierig zu sagen. Ich kenne den Spieler schon lange, wir haben schon viele Turniere zusammen gespielt, vor allem Challenger in Asien. Er war früher ein sehr guter Spieler und ist ein gestandener Profi. Er ist ein sehr netter Kerl. Man weiß es nie hundertprozentig, aber ich glaube nicht, dass an dem Vorwurf etwas dran ist. Leider ist Matchfixing immer noch in jeglichen Sportarten ein Thema. Es wird viel gewettet und es wäre gut, wenn da weiter gegen vorgegangen wird. Es ist ein schwieriges Thema, es gibt viele Fake-Accounts und viel kommt auch aus Asien. Ich weiß nicht, wie die Behörden darauf Zugriff haben, aber es wäre schon gut, wenn man die Spieler noch mehr schützen könnte. Das bezieht sich auch auf Hassnachrichten, egal ob man gewinnt oder verliert.

Bekommen Sie viele Hassnachrichten in den sozialen Medien?

Otte: Ja, in den letzten Jahren waren es insgesamt bestimmt über tausend, aber es kommt immer darauf an, was für ein Match man verliert. Wenn ich gegen einen niedriger gerankten Spieler verliere, kommen schon bis zu 50 Nachrichten. Wenn es im Fernsehen heißt, dass Bayern-Trainer Julian Nagelsmann Morddrohungen bekommt, muss ich daran denken, dass das bei Tennisspielern täglich vorkommt. Das betrifft jeden, da gibt es keine Ausnahmen.

Mats Moraing (l.), Sohn von Peter Moraing und Oscar Otte bei der Deutschen Meisterschaft 2018.
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Mats Moraing (l.), Sohn von Peter Moraing und Oscar Otte bei der Deutschen Meisterschaft 2018.

Oscar Otte: "Wie eine Leiche zum Doppel angetreten"

Manche Ihrer Kollegen wie Jan-Lennard Struff oder Dustin Brown veröffentlichen diese Hassnachrichten manchmal, um die Verfasser bloßzustellen.

Otte: Ja, ich weiß. Es ist auch echt unangenehm, meine Schwester und meine Freundin bekommen mittlerweile auch Nachrichten nach verlorenen Matches. Das nimmt aktuell Überhand, deshalb ist es auch gut, wenn darauf aufmerksam gemacht wird, wie es Sportlern ergehen kann.

Sie haben lange auch Challenger- und Future-Turnieren gespielt. Da passiert viel, was man sich im Profitennis gar nicht vorstellen kann. Haben Sie eine Anekdote parat?

Otte: Ich habe viele Turniere mit Andy Mies (heutiger Doppelspezialist und French-Open-Sieger, Anm. d. Red.) gespielt. Das mit der Ernährung bei kleinen Turnieren ist manchmal bisschen fragwürdig. Einmal in Marokko bei einem Challenger habe ich mir eine üble Lebensmittelvergiftung eingefangen. Die ganze Nacht musste ich mich übergeben und am nächsten Tag bin ich wie eine Leiche trotzdem zum Doppel angetreten. Ich habe mich auf den Platz geschleppt und das Match irgendwie überstanden. Wir haben sogar noch gewonnen und am nächsten Tag hat es dann Andy erwischt. Er ist sogar unter der Dusche bewusstlos geworden und hat sich den Kopf gestoßen. In der zweiten Woche wäre noch ein Turnier in Marokko gewesen, aber wir sind dann lieber wieder heimgeflogen und waren zuhause noch wochenlang krank.

Als gebürtiger Kölner sind Sie großer Fan des Effzeh und wurden schon im Stadion ausgezeichnet. Die Video-Abteilung des Klubs ist berüchtigt und hat kürzlich ein 15-minütiges Rückblickvideo gedreht, in dem Trainer Steffen Baumgart einen Campingtouristen mimt. Pflichtprogramm für sie?

Otte: Das muss ich mir unbedingt noch ansehen, aber ich habe die anderen Folgen der Dokumentation gesehen. Lars Übel, der Trainer von Daniel Masur, hat mir auch schon viermal den Link geschickt, er ist auch Effzeh-Fan.

Die Fußball- und Tennisszene ist relativ gut vernetzt, Sie haben auch schon Köln-Stürmer Anthony Modeste getroffen. Haben Sie ansonsten Kontakte zu Kölner Profis?

Otte: Nein, noch nicht, ich bin selten zuhause und dann bin ich froh, wenn ich meine Ruhe habe und Freunde oder meine Familie sehen kann. Mit Anthony Modeste habe ich nach den US Open ein bisschen geschrieben, aber mehr noch nicht.

Was sind Ihre Ziele in Paris?

Otte: Ich gucke von Match zu Match. Ich fühle mich in guter Form. Mein Ziel ist es, in die zweite Woche zu kommen.

Mittelfristig spielen sie mit Daniel Altmaier um den Platz als Nummer zwei im Deutschen Herrentennis. Pushen Sie sich gegenseitig?

Otte: Ja, wir spielen jetzt auch Doppel zusammen und verstehen uns sehr gut. Wer die deutsche Nummer zwei wird und beim Davis Cup spielt, werden wir sehen. Das ist aber noch zu weit weg, deshalb fokussiere ich mich erstmal auf Paris.

Unter den deutschen Davis-Cup Spielern herrscht ohnehin weniger Konkurrenz, oder?

Otte: Genau, es herrscht eine sehr gute Stimmung. Alle verstehen sich sehr gut und sind auch privat gut befreundet. Neid gibt es da nicht.

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