Sascha Bajin im Interview zur Coronakrise im Tennis: "Lasst die Leute doch wissen, was los ist!"

Sascha Bajin ist einer der Top-Coaches auf der WTA-Tour.
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Seit Mittwoch ist klar: Die Tennis-Welt steht zumindest bis 7. Juni still, alle Events bis dahin sind abgesagt. Sascha Bajin, der seit dieser Saison das ukrainische Supertalent Dayana Yastremska trainiert, erklärt im Interview, warum er sich eine bessere Kommunikation gewünscht hätte, was die Coronakrise für ihn persönlich bedeutet und warum er jetzt zum großen Renovierer wird.

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Herr Bajin, wo erreiche ich Sie gerade? Und vor allem: Wie geht es Ihnen?

Sascha Bajin: Mir geht es gut, danke. Ich bin zuhause in Florida. Hier ist die Lage noch relativ entspannt. Es gibt zwar auch die Anweisung, Abstand zu halten und lieber zu Hause zu bleiben, aber die Leute gehen noch recht locker damit um. Es fängt gerade erst alles so an. Aber Nudeln und Klopapier fehlen auch hier in Florida schon. (lacht)

Sie waren bereits in Indian Wells, als das Turnier in der vergangenen Woche abgesagt wurde. Wie haben Sie davon erfahren?

Bajin: Eines vorweg: Dass das Turnier abgesagt wurde, war sicherlich richtig. Aber die Art und Weise fand ich nicht gerade optimal. Ich hätte mir eine bessere Kommunikation gewünscht. Bei mir war es so, dass ich nach dem Training vom Platz kam und von einer Dame darauf angesprochen wurde. Sie fragte mich, was ich davon halten würde, dass das Turnier abgesagt worden wäre. Und ich meinte nur: Welches Turnier? Wir haben davor nicht einmal eine einzige Nachricht bekommen, dass über eine Absage nachgedacht wird. Da hätte man die Spieler mehr einbeziehen können. Die ganze Kommunikation ist verbesserungswürdig, das haben wir ja jetzt auch bei der Verschiebung der French Open gesehen.

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Zumal für die Spielerinnen und Spieler ja extrem viel dranhängt.

Bajin: Richtig. Ich habe das Glück, dass ich eine Spielerin coache, die finanziell ganz gut dasteht. Aber vielen anderen geht es nicht so gut. Viele hatten sich in Indian Wells für eine Woche ein Haus gemietet, da entstehen große Unkosten. Das Wichtigste wäre eine gute Kommunikation. Auch nach der Absage von Indian Wells wussten wir gar nicht, was Sache ist. Was ist mit Miami? Einige konnten nicht nach Hause fliegen, weil es mehrere Tage lang hieß, dass Miami stattfinden würde. Dann haben wir Gerüchte gehört, es würde ohne Fans ausgetragen, so wie die Geisterspiele beim Fußball. Es gab zu viele falsche Informationen und wir wurden nicht auf dem Laufenden gehalten. Dabei müssen wir vor jedem Turnier alle Kontaktdaten angeben, es wäre leicht gewesen, da eine Info rauszuschicken.

Sascha Bajin: "Es war nur das i-Tüpfelchen"

Wenn man einige verärgerte Reaktionen der Spieler nach der Entscheidung der French Open sieht, zum Beispiel vom meinungsstarken Kanadier Vasek Pospisil, erkennt man, dass es auf der Tour brodelt. Was kriegen Sie davon mit?

Bajin: Ich selbst kann dazu nicht viel sagen, ich bin kein Spieler. Aber auch als Trainer sehe ich, dass das jetzt nur das i-Tüpfelchen war. Da gibt es hinter den Kulissen sicher noch mehr Dinge. Ich verstehe es einfach nicht. Es bringt dir ja keinen Vorteil, die Spieler nicht gut zu informieren. Manchmal habe ich das Gefühl, da wird mit Informationen so umgegangen, als wäre es irgendeine kostbare Ware. Wir arbeiten alle zusammen in diesem Business, lasst die Leute doch wissen, was los ist! Man könnte ja wenigstens alle paar Tage ein Status-Update herumschicken. Das ist nicht so schwer.

Freuen Sie sich schon auf die French Open eine Woche nach Ende der US Open?

Bajin: (lacht) Ich habe absolut keine Ahnung, was jetzt alles auf uns zukommt. Bis Mittwoch war ja noch nicht einmal die ganze Sandplatzsaison abgesagt. Jetzt wissen wir wenigstens, dass die Punkte erst einmal eingefroren werden. Aber es bleiben natürlich viele Fragezeichen. Eine Woche nach Ende der US Open Roland Garros auf Sand spielen? Wirklich? Ich bin gespannt, was alles noch kommt. Ich hoffe natürlich, dass es so bald wie möglich weitergeht und dass vor allem alle gesund bleiben.

Wie ist denn Ihr Plan mit Ihrer Spielerin Dayana Yastremska? Was können Sie überhaupt machen?

Bajin: Bis Mittwoch war der Plan, dass sie zwei Wochen frei macht und dass wir dann nochmal eine Art vierwöchige Vorbereitung starten. Jetzt müssen wir durch die längere Pause wieder neu überlegen. Sobald es möglich ist, würde ich dann zu ihr nach Europa fliegen.

Sascha Bajin: "So viele falsche Informationen - Wahnsinn!"

Sie ist also aktuell in der Heimat?

Bajin: Ja, sie ist in der Ukraine. Das war auch so eine Geschichte. Wir waren beim Topgolf spielen, als es plötzlich hieß, dass ab morgen keine Flüge mehr nach Europa gehen. Das hat so aber gar nicht gestimmt. Es ist Wahnsinn, wie viele falsche Informationen in der ganzen Coronakrise im Umlauf sind. Da weißt du manchmal gar nicht mehr, was du jetzt noch glauben sollst.

Was bedeutet es für Sie persönlich, wenn jetzt mindestens mehrere Monate Pause ist?

Bajin: Ich habe das Glück, dass ich finanziell ganz gut aufgestellt bin und mir keine Sorgen machen muss. Ich habe Dayana auch gesagt, dass ich natürlich für die Monate, in denen wir jetzt nichts machen, auch kein Gehalt bekommen will. Wenn wir wieder anfangen, geben wir Gas, aber bis dahin will ich kein Geld von ihr. Und dann habe ich abseits der Tour auch noch ein Video-Projekt, das ich jetzt an den Start bringen will. Da geht es um Videos, mit denen ich Grundlagen im Tennis erklären will. Da bin ich aktuell auch sehr motiviert.

Aber es gibt sicher Kollegen, die es hart trifft, oder?

Bajin: Sicher. Es gibt genügend Leute, die auf der Tour von Monat zu Monat leben. Ich weiß nicht, was für die Kollegen jetzt Plan B ist. Das ist echt schwer. Zum Beispiel auch für Physios. Selbst wenn sie jetzt andere Aufträge hätten, können sie diese wohl kaum annehmen, wenn enger Kontakt vermieden werden soll. Es wäre schön zu sehen, wenn wir da auch im Tennis viel Solidarität erleben würden in dieser Zeit. Wenn die WTA zum Beispiel ein Projekt starten würde, wäre ich sehr gerne bereit, zu helfen.

Sascha Bajin arbeitet seit dieser Saison mit Ausnahmetalent Dayana Yastremska zusammen.
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Sascha Bajin arbeitet seit dieser Saison mit Ausnahmetalent Dayana Yastremska zusammen.

Sascha Bajin: "... dann werde ich verrückt"

Aktuell überlegt sich ja jeder, was er mit seiner freien Zeit anfängt. Was steht bei Ihnen an?

Bajin: Ich habe mein Haus in Florida seit sechs Jahren, aber ich habe nie etwas gemacht. Ich will die Zeit jetzt nutzen, um zu renovieren. Ich habe mir eine neue Küche ausgesucht, ein neues Ankleidezimmer steht auf der Liste, neue Fliesen - ich habe genug zu tun für einige Monate. Das ist das Gute an der Selbst-Isolation.

Ihre Freundin ist Italienerin. Was erzählt Sie Ihnen?

Bajin: Ich höre leider auch nur schlimme Geschichten aus Italien. Sie ist wie das ganze Land jetzt auch schon einige Zeit in Quarantäne. Einmal wollte sie mit ihrem Vater wenigstens kurz das Haus verlassen und mit dem Auto herumfahren, aber sie wurde sofort von der Polizei angehalten. Wenn du dann keinen plausiblen Grund hast, warum du nicht zu Hause bist, bekommst du sofort eine Strafe. Sie würde mich jetzt auch gerne besuchen, was aber natürlich auch nicht geht. Wir müssen da alle irgendwie durch.

Neben der Arbeit am Haus, haben Sie auch vor, die Zeit für tiefgreifendere Analysen im Tennis zu nutzen? Dazu kommt man ja im Tourstress sonst auch weniger.

Bajin: Das ist schwierig. Darauf müsstest du wirklich schon sehr hungrig sein. Wenn ich mich jetzt drei Monate lang zu Hause mit Tennis beschäftige und nur Videos schaue, es dann aber nicht anwenden kann, werde ich verrückt. Priorität aufs Tennis bezogen hat für mich die Frage, wie wir es schaffen, dass Dayana genau dann in absolut bester Form ist, wenn es weitergeht. Darauf kommt es jetzt an, aber das können wir eben auch nur angehen, wenn wir wissen, wann dieser Zeitpunkt wirklich ist.

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