"Motivation nach Olympia Problem"

Seine Saisonbestleistung warf Robert Harting schon Anfang Juni in Hengelo (USA): 69,91 m
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SPOX: Wie kriegen Sie den Spagat hin zwischen Training, Studium, Wettkampf, Charity und allen anderen Verpflichtungen?

Harting: Tja, ich mache es einfach, entscheide mich aber bewusst für oder gegen etwas. Ich habe irgendwann mal akzeptiert, dass mein Leben stressig ist. Und seitdem geht es mir besser.

SPOX: Klingt nach einem guten Tipp. Sie haben einmal erzählt, dass Sie sich nach Olympia bei all den Medienterminen irgendwann nicht mehr wohlgefühlt haben. Inwiefern?

Harting: Das war irgendwann einfach langweilig. Am Anfang hatte ich noch 30 Sätze, um die Situation in London zu erklären, aber irgendwann waren es nur noch vier. Es wurde immer mehr verkürzt. Das hat mich genervt und keinen Sinn mehr für mich gemacht. Ich musste zur Normalität zurückkehren und zum Leistungssport.

SPOX: Stellten Sie sich die Sinnfrage?

Harting: Nein, es war eher eine Phase von Begreifen und Neuordnen. Ich musste erst mal begreifen, dass ich Olympiasieger bin. Bei mir war das erst im März der Fall. Ich dachte mir dann: Na toll, jetzt bin ich es, jetzt ist es vorbei. Aber das stimmte nicht: Etwas war kategorisch zu Ende, aber noch lange nicht vorbei. Es geht weiter, man kann es noch einmal, wieder und anders machen.

SPOX: Erst dann konnten Sie neu starten?

Harting: Ja, erst dann konnte ich mir wieder Subziele aufbauen, die man Stück für Stück errreicht und sich daran hochzieht zum großen Ziel. So läuft das, reine Psychologie.

SPOX: Dann war es nie ein Problem, Motivation für die neue Saison zu erlangen?

Harting: Doch, das war ein großes Problem. Aber nicht das Ob, sondern das Wie. Wenn du dir jahrelang verboten hast, auch nur ans Ausruhen zu denken, immer nur den Olympiasieg im Kopf hast, ein Gedanke, der dich in jedem Tief antreibt, dann ist der Neustart ein Problem.

SPOX: Können Sie da jetzt schon an Rio 2016 denken?

Harting: Nö. Das ist zu weit weg, aber ich will auf jeden Fall dabei sein.

SPOX: Noch weiter weg ist vielleicht das Karriereende, dennoch bauen Sie sich mit dem Studium ein zweites Standbein auf. Gibt es schon eine Idee, wo es hingehen soll?

Harting: Nein, mich interessieren ziemlich viele Sachen, die im Studium vorkommen. Aber es wird wahrscheinlich irgendetwas Kreativ-Strategisches sein.

SPOX: Ihr Markenzeichen, nach Erfolgen das Trikot zu zerfetzen, das haben Sie sich lange zugelegt, bevor Sie sich studientechnisch mit Werbung und Kommunikation beschäftigt haben. Sie sind häufig dafür kritisiert worden, haben Sie das jemals bereut?

Harting: Nein, dazu gab es aber eine lustige Geschichte. Als ich damit anfing, hat mein alter Ausrüster immer geschimpft, ich solle damit aufhören. "Verbietet dem das", hieß es da. Mein neuer Ausrüster aber tönte plötzlich: "Ja, super, total geil!" Das zeigt, dass die Leute diesen Akt der Befreiung einfach verstanden haben.

SPOX: Kreative Ideen haben Sie auch für Ihren Sport: Sie kritisieren das Nichtformat der Leichtathletik und schlagen stattdessen einen medienwirksameren Zehnkampf vor. Wie soll das funktionieren?

Harting: Für die Zuschauer und damit für mehr TV-Präsenz müsste bei den Meetings ein Wiedererkennungswert geboten werden. Daher die Idee, zehn ständig gleiche Disziplinen plus eine Einladungsdisziplin festzulegen. Es ist nur eine Idee, die kann diskutiert und abgelehnt werden, aber da muss etwas passieren.

SPOX: Wen wünschen Sie sich in dieser Angelegenheit als Ansprechpartner?

Harting: Es wäre wichtig, dass es Leute sind, vielleicht von einer Filmschule, die einen neuen Blick auf die Sache werfen. Neue Bilder finden, neu Schnitte und Präsentationsmöglichkeiten finden. Eigentlich müssten das junge Leute machen. Erfahrene und trotzdem noch junge Leute.

SPOX: Das heißt, auf die Verbände hoffen Sie nicht wirklich.

Harting: Nein, das bringt nichts. Wenn man 50 Jahre Leichtathletik erlebt hat, kann dabei logischerweise keine neue Perspektive herauskommen. Das soll gar kein Vorwurf sein, aber so jemand steckt in diesen Mustern drin.

SPOX: Apropos Funktionäre, haben Sie inzwischen mal mit Dr. Thomas Bach über Ihre unterschiedlichen Vorstellungen von einem Fördermodell sprechen können?

Harting: Nein. Er kandidiert für das Amt des IOC-Präsidenten, hat damit im Prinzip sein Ziel erreicht. Im Grunde genommen kann er nichts mehr für Deutschland tun. Ein großes Problem bei Olympia ist der Gigantismus, den will er bekämpfen, da bin ich gespannt.