Megafight: Demonstration oder Sensation?

Floyd Mayweather Jr. und Conor McGregor wollen es krachen lassen
© getty

Floyd Mayweather Jr. steigt in der Nacht auf den 27. August (ab 3 Uhr live auf DAZN) gegen Conor McGregor in den Ring - der erste Kracher des Jahres vor dem Fight zwischen Gennady Golovkin gegen Canelo Alvarez, der ebenfalls auf DAZN zu sehen ist. Es ist das Duell zweier Welten, das die Chance hat, zur größten Sensation der Box-Geschichte zu werden. Schafft The Notorious die Überraschung oder wird er von seinem Gegenüber aus den Vereinigten Staaten vorgeführt? SPOX hat beide Duellanten vor dem Event des Jahres auf Herz und Nieren geprüft. Das Head-to-Head.

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  • Vorbereitung

Beide Fighter haben in den Wochen vor dem Kampf nahezu alle Register gezogen, um in der Nacht auf den 27. August auf dem absoluten Höhepunkt ihrer Möglichkeiten zu sein.

Das Camp von Mayweather im Mayweather Boxing Club verlief äußerst ruhig. Alles andere wäre auch eine Überraschung gewesen. Für den US-Amerikaner ist das Duell mit McGregor der 50. Kampf als Profi. Floyd weiß genau, was er zu tun hat, wann und vor allem wie oft. Er hat jeden Ablauf tausende Male hinter sich. Seine Trainingsroutine ist perfektioniert. Die Tatsache, dass er im Februar bereits 40 Jahre alt wurde, änderte nichts an seiner üblichen Vorbereitung. Lediglich ein Aspekt dürfte sich von den letzten Fights unterschieden haben.

Eine spezifische Vorbereitung auf seinen Gegner war diesmal nicht möglich. Zwar betonte Mayweather stets, dass er sich nie auf den Boxstil seiner Kontrahenten vorbereite, sondern auf die Menschen, allerdings dürfte sein Team ihn dennoch ideal auf den wahrscheinlichen Gameplan des jeweiligen Gegenübers eingestellt haben. Da McGregor allerdings noch nie als Profi in einem Boxring stand und die Auftritte im Octagon dafür mehr oder weniger wertlos sind, befindet sich Mayweather zumindest etwas im Dunklen. Dennoch wirkte er stets gelöst und locker.

Die Vorbereitungsphase des Außenseiters aus Dublin verlief ungleich unruhiger, wenngleich dies McGregor kaum beeinflusst haben dürfte. Vor allem der Disput zwischen dem 29-Jährigen und Paulie Malignaggi, einem ehemaligen Weltergewichtsboxer, sorgte für eine enorme mediale Aufmerksamkeit. Die dadurch an die Öffentlichkeit gelangten Einblicke in die Sparringseinheiten des Iren hielten sich in Grenzen. Was zu sehen war, sah zwar ansprechend aus, dürfte Mayweather jedoch kaum in Angst und Schrecken versetzt haben.

Dies gilt auch für ein Video, das unlängst auf YouTube auftauchte. "Paulie und ich sind schon lange befreundet. Das wird Paulie für immer in Erinnerung behalten", sagte Mayweather in eben jenem Clip: "Paulie und ich werden uns zusammensetzen und über die Taktik sprechen. Danke, dass du rüber gegangen bist, so wie ich es dir aufgetragen habe."

Das Statement Floyds, dass Malignaggi als Spion in seinem Auftrag unterwegs war, kann man getrost als Psychospielchen abhaken. Sein Grinsen sagte mehr als tausend Worte.

Verwunderlich war allerdings, dass McGregor, der extrem viel Sparring betrieb, im Vorfeld des Kampfes darauf verzichtete, sich einen erfahrenen Box-Trainer in sein Team zu holen und stattdessen zusammen mit seinem Striking-Coach Owen Roddy an seinen Fähigkeiten feilte. Ein vermeintlich kleines Detail, das sich aber rächen könnte, hätte der MMA-Kämpfer doch jede noch so kleine Hilfe gegen den übermächtig erscheinenden Mayweather gebrauchen können. Immerhin holte er sich den erfahrenen Ringrichter Joe Cortez in sein Team, der ihm bei jeder Einheit die Grenzen, die er aus dem Octagon nicht kennt, aufzeigte.

SPOX-Urteil: Vorteil Mayweather

  • Physis

Die körperlichen Voraussetzungen sorgen für Spannung. McGregor ist größer als Mayweather (175 zu 173 Zentimeter), er hat die größere Reichweite (188 zu 183 Zentimeter), ist elf Jahre jünger (29 zu 40 Jahre) und ist zudem noch ein unangenehmer Rechtsausleger, der ordentlich Dampf hinter seiner Linken hat. Mit Southpaws hatte Floyd in seiner Karriere weniger Spaß, geschlagen hat er sie dennoch.

Auch beim offiziellen Wiegen behielt der Ire die Nase vorn. Während es Mayweather auf ein Gewicht von 149,5 Pfund brachte, zeigte die Waage bei McGregor 154 Pfund. Der Außenseiter kündigte zudem an, in der Nacht auf Sonntag mit knapp 170 Pfund in den Ring zu steigen, wenngleich diese Aussage etwas hoch gegriffen sein dürfte.

"Ich bin ein Profi. Ich habe das Gewichtslimit eingehalten", erklärte McGregor im Anschluss an das Wiegen. "Schaut mich an. Ich bin auf dem Höhepunkt meiner körperlichen Fitness. Ich bin bereit. Ich werde in der Nacht des Kampfes deutlich stärker sein als er." Wirklich beeindrucken ließ sich Mayweather davon allerdings nicht. "Das Gewicht gewinnt keinen Kampf", konterte der US-Amerikaner mit einem Lächeln trocken. Und damit hat er recht.

Dennoch spricht bei der Physis beinahe alles auf dem Papier dafür, dass McGregor eine Chance hat, den Kampf als Sieger zu beenden. Ob er diese Vorteile im Endeffekt aber auch umsetzen kann, daran gibt es mehr als berechtigte Zweifel. Mayweather ist einer der besten Defensivspezialisten aller Zeiten, seine Shoulder-Roll-Defense hat viele Gegner an den Rand der Verzweiflung und darüber hinaus gebracht. McGregor wird wohl keine Antwort haben.

Mayweather hat zudem auch in einem für einen Boxer hohen Alter noch eine extreme Beweglichkeit im Oberkörper, die es ihm zusammen mit seiner Beinarbeit ermöglicht, ungewollten Konfrontationen jederzeit aus dem Weg zu gehen und sich so Schlägen des Gegners zu entziehen. Dass er leichter ist, spielt ihm zudem auf lange Sicht wohl in die Karten. Bei der reinen Physis hat Money allerdings einen Nachteil gegenüber McGregor.

SPOX-Urteil: Vorteil McGregor

  • Ausdauer

Der größte X-Faktor ist beim Kampf der Welten die Ausdauer. Diese kann gerade für McGregor, sollte er wirklich mit an die 170 Pfund in den Ring steigen, zum Zünglein an der Waage werden. Der Ire hat keinerlei Erfahrung, wie unglaublich lange ein Boxkampf über zwölf Runden werden kann. Sein Gegenüber hat als Profi 49 davon hinter sich. Floyd weiß, wann er eine Pause braucht, wie er sie sich nehmen oder wann er richtig Gas geben kann.

Er ist es gewohnt, seine technischen Vorteile auszunutzen und über die volle Distanz einen Gegner zu bearbeiten und so auf den Scorecards klar in die Knie zu zwingen. Das wird er notfalls trotz seines Alters auch gegen einen unerfahrenen McGregor unter Beweis stellen.

Zwar haben beide Kämpfer im Vorfeld angekündigt, das Aufeinandertreffen vorzeitig beenden zu wollen, allerdings wird sich erst im Ring zeigen, was diese Aussagen wert sind.

Gerade Mayweather dürfte sich im Zweifelsfall darauf besinnen, was nötig ist, um den Ring als Sieger zu verlassen. Ein Knockout ist nicht mehr als ein Bonus. Außerdem hat er den Vorteil, dass sein Kontrahent aus Dublin kommen muss. McGregor muss den Fight zu Money bringen und den Favoriten unter Dauerdruck setzen, schnell ein Ende suchen.

Ob er dann noch die taktische Disziplin hat, sich im Zaun zu halten und nicht zu sehr zu verausgaben, ist fraglich. Von den vielen Bodyshots durch Floyds Jab, die er während des Kampfes kassieren wird und die ihm die Luft rauben werden, ganz zu schweigen.

Auch der Altersunterschied von elf Jahren, der eigentlich eine Garantie zu sein scheint, bei der Ausdauer die Nase vorne zu haben, verliert somit dermaßen an Wertigkeit, dass im Endeffekt Mayweather derjenige sein wird, der gerade in der zweiten Hälfte des Kampfes fitter auftreten wird. Schafft es McGregor nicht, früh zu siegen, kann es bitter werden.

SPOX-Urteil: Vorteil Mayweather

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