"McGregor wird aussehen wie ein Schuljunge"

Conor McGregor und Floyd Mayweather Jr. wollen ein Feuerwerk abbrennen
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SPOX: Hat McGregor überhaupt die Mittel dazu, Mayweather zu ärgern?

Trachte: Der Ire hat eine gute Boxschule, das will ich ihm nicht absprechen. Daran hat vor allem Sutcliffe einen großen Anteil. Das Fundament stimmt, aber er boxt nicht auf einem kleinen Event, bei dem er seine ersten Schritte als Profi machen und wichtige Erfahrungen sammeln kann, sondern gegen Mayweather. In dieser Liga ist er einfach nicht und das kann er auch gar nicht sein. Im Octagon ist er mit seinem Stand Up erfolgreich, die Fans sehen dort ebenfalls gerne krachende Knockouts. Er hat die Power, die Explosivität, ist schnell und hat ein gutes Auge. Nicht umsonst sind seine Konter mit der Linken so gefährlich. Im Boxring ist sein Stand Up jedoch nicht so viel wert. Dennoch ist er in diesem Fight besser aufgehoben als so manch anderer MMA-Fighter, dessen Stärken abseits des Strikings liegen.

SPOX: McGregors Coach, John Kavanagh, sagte unlängst, dass Boxen viel simpler sei als die MMA. Die Lernkurve des Iren müsste also extrem steil verlaufen.

Trachte: Diese Aussage kann ich nicht teilen. Ich habe mich früher selbst in anderen Bereichen ausprobiert, habe unter anderem aktiv Thai- und Kickboxen betrieben. Letztlich habe ich aber die Liebe zum Boxen entdeckt und mit der Zeit auch die unglaubliche Tiefe, die dieser Sport mit sich bringt. Das Boxen ist extrem komplex. Der Umstand, dass ein MMA-Fighter vielseitiger sein muss, steht außer Frage. Auf einem niedrigen Level ist das Boxen deshalb deutlich einfacher. Das Niveau und die Tiefe in der Weltspitze sind eine ganz andere Sache. Die Luft wird einfach immer dünner. Das wird McGregor merken, wenn er mit Mayweather in den Ring steigt.

SPOX: In der Vorbereitung hat McGregor passenderweise auf die Verpflichtung eines erfahrenen Box-Trainers verzichtet und mit Striking-Coach Owen Roddy trainiert. Wird er dafür nicht bezahlen?

Trachte: Diesen Schritt verstehe ich ehrlich gesagt auch nicht. Klar, er setzt natürlich auf das über die Jahre gewachsene Vertrauensverhältnis zu seinem jetzigen Team. Ihm ist klar, dass er seinen Leuten jederzeit uneingeschränkt vertrauen kann und das ist schon extrem wichtig. McGregor kennt seine Coaches und schätzt sie. Außerdem soll er ja durchaus box-untypisch sowie unberechenbar bleiben und nicht komplett umprogrammiert werden, was letztlich ein Fehler wäre. Dennoch halte ich es für taktisch unklug, auf die Expertise eines erfahrenen Trainers, der sich auf den Boxsport spezialisiert hat, zu verzichten.

SPOX: Auch während des Kampfes hätte ein erfahrener Mann sicher nicht geschadet.

Trachte: Er hätte jede Hilfe annehmen müssen, die es gibt. Für mich wird es durch diese Entscheidung in der Tat besonders spannend sein, zu sehen, wie die Jungs während des Kampfes in der Ecke arbeiten. Die Bedeutung dieser Arbeit wird oft nicht richtig gewürdigt, Kommandos und Hinweise des Teams sind wichtig für den Kämpfer. Gerade gegen einen so erfahrenen Gegner wie Mayweather muss es Hilfe von außen geben. Da müssen alle Register gezogen werden.

SPOX: Welche Rolle spielt dabei der Handschuhwechsel von zehn auf acht Unzen?

Trachte: Ich sehe hier zwar auf den ersten Blick einen Vorteil für McGregor, für den jede Unze weniger eine geringere Umstellung mit sich bringt. Auch sind die Hände von Floyd verletzungsanfällig, weshalb ihm die leichteren Handschuhe nicht unbedingt entgegenkommen. Dennoch hat nicht umsonst das Mayweather-Camp diesen Wechsel angestrebt. Der Schritt verstärkt bei mir das Gefühl, dass Mayweather der Welt etwas beweisen und den Kampf vorzeitig beenden möchte. Gerade bei der Anzahl an Treffern, die klar zu Gunsten Floyds ausfallen wird, kommt ihm die Gewichtsreduktion entgegen. Die härtesten Hits bleiben aber ungeachtet der Größe die, mit denen ein Kämpfer nicht rechnet. Wenn man einen Schlag nicht kommen sieht, kann ganz schnell das Licht ausgehen.

SPOX: Bleibt also für McGregor der berühmte Lucky Punch. Kann McGregor einen solchen Schlag überhaupt ohne Zutun von Mayweather landen?

Trachte: Der US-Amerikaner hat zwar klar gesagt, dass er nicht weglaufen, sondern McGregor stellen will. Er hat ein vorzeitiges Ende mehrfach angekündigt, was für ihn eigentlich untypisch ist. Ich bezweifle aber ernsthaft, dass Floyd letztlich zu viel riskiert. Das ist nicht seine Art und daran wird sich gegen Conor nichts ändern. Sollte er sich auf einen Schlagabtausch einlassen, würde er einen Fehler machen, den er vielleicht teuer bezahlen könnte. Und das weiß er auch. Bei all der Erfahrung von Mayweather ist McGregor deshalb an der komplett falschen Adresse, wenn es um den Glücksfaktor geht. Ein Lucky Punch? Gegen Floyd? Keine Chance.

SPOX: Auf der mentalen Ebene wird er diesen wohl ebenfalls eher nicht landen können.

Trachte: Die Psyche macht bei einem Boxkampf mindestens 70 Prozent aus. McGregor hat das im Vorfeld schon gut gemacht, das muss man ihm lassen. Er verfügt über das Selbstvertrauen und hat dies auch gezeigt. Sobald es im Ring zur Sache geht, ist es allerdings etwas anderes. Dass er dort mental mit Floyd auf einem Level bleiben kann, ist unwahrscheinlich. Floyd hat das Boxen praktisch mit der Muttermilch aufgesogen. Er lebt diesen Sport seit er ein kleines Kind ist. Durch seine überragende Defensive kann und wird er McGregor zudem schnell frustrieren. Merkt der Ire, dass es nicht läuft, wie es sein Plan vorsieht, wird er noch Plan B oder C versuchen. Doch spätestens dann wird er realisieren, dass er nicht wirklich weiterkommt. Bei Floyd sind das alles Automatismen, die tief in seinem Hirn verankert sind. Er konnte in der Vergangenheit gegen jeden Gegner die passende Antwort finden. Auf der mentalen Ebene wird es eine sehr große Herausforderung für McGregor werden und man wird sehen, was wirklich in ihm steckt.

SPOX: Erlebt der Ire unter diesen Vorzeichen überhaupt den letzten Gong?

Trachte: In der weitläufigen Meinung ist ein Punktsieg Mayweathers am weitesten verbreitet, für McGregor gibt es durch den Lucky Punch vermeintlich die Chance, den Fight vorzeitig zu beenden. Was viele außer Acht lassen, ist die dritte Variante: Mayweather gewinnt durch einen Knockout. Ich denke, dass McGregor, sobald seine Power nachlässt und er viele präzise Treffer kassiert hat, Gefahr laufen wird, zu Boden zu gehen. Die Umstellung von fünf Runden, auch wenn diese anstelle von drei im Octagon fünf Minuten betragen, auf zwölf ist enorm. Gerade wenn es darum geht, sich die Kräfte richtig einzuteilen. Zwölf Runden gegen einen Boxer wie Mayweather, den man kaum trifft, der selbst aber chirurgisch genau arbeitet und Treffer setzt, können unendlich lang sein. Da hilft es auch nicht, dass die Reflexe von Floyd inzwischen sicherlich nachgelassen haben. Das Distanzgefühl, das Timing, das Auge? So etwas verliert ein Champion nicht so schnell.

SPOX: Ist Mayweather dennoch nicht auf gewisse Weise ein dankbarer Gegner für McGregor? Man stelle sich vor, der Ire würde gegen Gennady Golovkin oder Canelo Alvarez, die im September für ein wahres Box-Highlight sorgen werden, in den Ring steigen.

Trachte: Er hat auf jeden Fall bessere Chancen, nicht ausgeknockt zu werden. (lacht) Im Ernst: An seiner Siegchance würde sich bei keinem der drei genannten Boxer etwas ändern. Diese ist praktisch nicht vorhanden. Ein Lucky Punch gegen erfahrene Kämpfer auf diesem Niveau? Unwahrscheinlich. Und trotzdem kann ich es nicht ganz ausschließen.

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