Champions League? Revolution auf Raten

Die World Boxing Super Series soll den Boxsport verändern
© getty

Die World Boxing Super Series soll eine Revolution im Boxsport ankurbeln. Im Kampf um die Muhammad Ali Trophy könnten die besten Kämpfer ihrer Gewichtsklasse in einem Turnier gegeneinander antreten. Dem Sieger der "Champions League des Boxens" winkt neben einem hohen Preisgeld vor allem Prestige. Ob das Konzept aber auch aufgeht, muss sich erst zeigen.

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Zwei Gewichtsklassen mit jeweils acht Boxern, ein knallhartes K.o.-System in einem strikt festgelegten Zeitraum und als Kämpfer nur die absolute Elite der vier bedeutendsten Verbände. Dazu ein umfassendes sowie transparentes WADA-Dopingkontrollsystem, ein stattliches Preisgeld und jede Menge Prestige?

Die Grundidee der World Boxing Super Series mag für den normalen Sportbegeisterten auf den ersten Blick zwar nicht revolutionär klingen, für das Boxen kann sie jedoch ein wichtiger Schritt in eine neue Richtung werden.

"Dem Boxen hat ein Turnier wie die World Boxing Super Series gefehlt. Jede große Sportart verfügt über ein solches", beschrieb Richard Schaefer, Vorsitzender der Comosa AG, die sich für das Event verantwortlich zeichnet und deren Chief Boxing Officer Kalle Sauerland ist, das einer Weltmeisterschaft ähnelnde Vorhaben.

Ein schmaler Grat

Wie schmal der Grat des überaus ambitionierten Projekts, an dem vor allem durch Sauerland seit Jahren im Hintergrund gearbeitet wurde, zwischen Erfolg und Scheitern in der Realität ist, wird bei einem Blick auf die unzähligen Faktoren, die erfüllt werden müssen, allerdings schnell deutlich.

"Die World Boxing Super Series wird die Box-Welt nachhaltig verändern. Sie wird neue Standards setzen und zudem über das gesamte Jahr hinweg hochklassiges Boxen garantieren. Es ist unser Anspruch, die Serie zum größten und gleichzeitig besten Turnier der Welt zu machen", führte Comosas Robert Dalmiglio das zu erreichende Ziele weiter aus.

Der Grundgedanke ist in der Tat geeignet, Bewegung in den Sport zu bringen und gleichzeitig durch seine einfache Struktur neue Zuschauer anzuziehen. Das System hinter dem Turnier ist denkbar simpel, erinnert an eine Fußball-WM ohne Gruppenphase und besteht aus drei Runden. Im Viertelfinale stehen sich vier gesetzte Boxer, die nicht aufeinander treffen können, sowie vier ungesetzte gegenüber. Erstere können sich ihre Gegner frei aussuchen. Danach stehen Halbfinale und Finale auf dem Programm.

Lehren aus der Vergangenheit

Auch etwaige Sonderfälle wurden bedacht. Sollte beispielsweise ein Weltmeister teilnehmen, ist eine Einbindung des Titels in das Turnier vorgesehen. Probleme mit Pflichtherausforderern sind durch eine Zusammenarbeit mit den Verbänden ausgeschlossen. Ob diese Idee bei einem Boxer mit Gold um die Hüften aber nicht eher eine abschreckende Wirkung haben könnte, steht auf einem anderen Blatt.

Auffällig sind zudem die Lehren, die aus dem zwar hochkarätig besetzten, letztlich aufgrund seines Aufbaus aber zum Scheitern verurteilten Super-Six-Turniers, welches 2009 begann und durch Verschiebungen erst Ende 2011 mit Andre Ward einen Sieger gefunden hatte, gezogen wurden.

Verzögerungen, eines der Hauptprobleme des Super Six, wird es diesmal nicht geben. Fällt ein Boxer aus, steht ein Ersatzmann bereit. Dass dies ab dem Halbfinale oder gar vor dem Endkampf den Gedanken des Turniers zweifelsohne ad absurdum führen könnte, ist ein Risiko, welches den Verantwortlichen zwar bewusst sein dürfte, das in einem Sport wie dem Boxen aber kaum auszuschalten ist.

"Wimbledon wartet auch nicht auf Federer"

"Die World Series werden einen verlässlichen Zeitplan einhalten", erklärte Sauerland. "Wimbledon wartet auch nicht auf Roger Federer, und genau an solchen Topturnieren orientieren wir uns." Durch Verträge mit Promotern, Ausrichtern und TV-Anstalten ist ein kompletter Ausfall, der einen der Kontrahenten kampflos in die nächste Runde bringen könnte, zu keinem Zeitpunkt eine realistische Option.

Besonders da die Serie, die im September startet, nicht nur in den Vereinigten Staaten ausgetragen wird, sondern überall auf dem Globus. Lediglich die Hälfte der 14 Kämpfe wird in den USA stattfinden. Dass nur die größten Arenen im Visier sind, verwundert wenig. Der Madison Square Garden in New York, die T-Mobile Arena in Las Vegas oder die Mercedes-Benz Arena in Berlin sollen es sein.

Als Anreiz, Termine einzuhalten, Lockmittel und nicht zuletzt, um für ausverkaufte Hallen zu sorgen, sollen 50 Millionen US-Dollar dienen. Ein Sieg im Finale, das im Mai 2018 stattfindet, garantiert zehn Millionen US-Dollar. Dazu kommen Boni sowie das Preisgeld der vorherigen Runden. Eine Summe, die selbst gestandene Namen aufhorchen lässt. Gennady Golovkin erhielt für die Verteidigung seiner WBA-, WBC-, IBF-Gürtel gegen Daniel Jacobs beispielsweise "nur" 2.5 Millionen US-Dollar.

Dennoch kann das Geld nicht als alleiniger Hauptgrund für eine Teilnahme ausreichen. Für die großen Namen des Geschäfts, ohne die die Wertigkeit rapide absinkt, steht der finanzielle Nutzen stets im Verhältnis zum Risiko sowie Ertrag. Jeder Teilnehmer wird also exakt abwägen, ob sich die Serie lohnt. Deshalb setzen die Verantwortlichen neben Geld auf den verbandsübergreifenden Prestige-Faktor.

Prestige-Faktor als Kriterium

"Wer auch immer aus dem Turnier als Sieger hervorgehen wird, darf sich zu Recht über den größten Preis im Boxsport freuen: die Muhammad Ali Trophy", sagte Sauerland im The Pierre Hotel in New York. "Wir sind stolz, dass wir eine enge Kooperation mit der Familie des größten Boxers aller Zeiten verkünden können. Dieses Turnier wird sein Andenken und Vermächtnis in Ehren halten."

Die Trophäe wurde vom mittlerweile verstorbenen Silvio Gazzaniga gestaltet, der für den Pokal der FIFA-Weltmeisterschaft verantwortlich war und wird im gewohnten Format ausgeboxt. Die Kämpfer stehen sich in einem Duell gegenüber, das zwölf Runden a drei Minuten umfasst. Drei Punktrichter bewerten das Geschehen. Entscheidend für den Erfolg der Serie ist deshalb was diese und die Zuschauer zu sehen bekommen werden - oder besser wen.

Die alles entscheidende Frage ist noch offen. Wer Wladimir Klitschko, Ward oder Canelo Alvarez erwartet, dürfte wohl enttäuscht werden. Ein solches Turnier, das einer echten WM am nähsten kommen würde, wird auch mit der Series vorerst ein Traumkonstrukt bleiben. Das erste Ziel ist es, einen Fuß in die Tür zu bekommen.

"Wir wollen uns auf Gewichtsklassen konzentrieren, die vielleicht zuletzt etwas zu kurz gekommen sind", sagte etwa Richard Schaefer, ehemaliger CEO von Golden Boy Promotions. "Wir wollen diese Kämpfer wieder in den Vordergrund rücken und sie präsentieren." Offiziell ist nichts, allerdings wird das Supermittelgewicht als eine der ersten beiden Gewichtsklassen gehandelt. Für den deutschen Markt und damit den Sauerland-Stall ist das Limit bis 76,2 Kilogramm von großem Interesse.

Zwischen den Welten

Mit Tyron Zeuge, dem aktuellen Weltmeister der WBA, Arthur Abraham (Platz zwei der WBO- sowie Platz sechs der WBA-Rangliste) und Vincent Feigenbutz (Rang neun der WBA und IBF) tummeln sich gleich drei potentielle Teilnehmer im Supermittelgewicht, die die sich bietende Bühne nutzen könnten. Besonders für Youngster wie Zeuge und Feigenbutz kann die World Boxing Super Series zu einem wichtigen Karriereschritt avancieren - entsprechende Leistungen im Ring vorausgesetzt.

Um die Qualität der World Boxing Super Series sicherzustellen, haben die Verantwortlichen eine klare Linie gezogen. Jedoch lässt auch diese aufgrund der Anzahl an Verbänden (WBA, WBO, WBC und IBF) noch immer einen immensen Spielraum. Nur Boxer, die zu den besten 15 Kämpfern des jeweiligen Verbandes gehören, sollen für eine Teilnahme zugelassen werden.

Eine Gruppe, die aus Vertretern der Verbände, Journalisten sowie Boxpersönlichkeiten bestehen wird, soll diesem Anspruch Rechnung tragen.

Im Mittelgewicht könnten somit Golovkin, David Lemieux, Chris Eubank Jr. oder Billy Joe Saunders im Verlauf des Turniers aufeinander treffen. Im Gegenzug kann es theoretisch allerdings ebenso zu einem Kampf zwischen Walter Kautondokwo (8. des WBO-Rankings) und Immanuwel Aleem (Rang elf der WBA und neun der WBC) kommen, der die breite Masse wohl kalt lassen dürfte.

Der Ansatz ist dennoch vielversprechend und bietet eine große Möglichkeit für den Sport. Speziell vor dem Hintergrund der Entwicklung, die selbiger durch die Verbände, Interessen von Promotern sowie der TV-Anstalten genommen hat und die sich sicherlich nicht von heute auf morgen mit einem Turnier aufbrechen lässt. Es ist Entwicklung, die die Besten auf Kosten der Fans voreinander fern hält, anstatt sie in den Ring zu zwingen. Eine Revolution geht deshalb nur auf Raten. Die World Series könnte den Anfang markieren, zumindest sofern auch der zweite Schritt in die richtige Richtung geht.

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