Boxen - Henry Maske im Interview: "Bei McDonald's hieß ich Peter Sahr"

Henry Maske leitete als Franchise-Unternehmer insgesamt zehn McDonalds-Filialen.
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Es geht mit dem Gentleman in den Ring! In seinem Leverkusener Büro traf SPOX einst Henry Maske und sprach mit dem ehemaligen Box-Weltmeister im Halbschwergewicht über den Mauerfall, einen kubanischen Ohrenbeißer und japanische Fernseher. Außerdem: Warum er in der DDR beschimpft wurde, was es mit seinem Comeback auf sich hatte und wie er zum McDonalds-König wurde.

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Bereits 2015 hat SPOX eine Legenden-Serie abseits von König Fußball veröffentlicht. Zu diesem Anlass wurden ausführliche Interviews mit Andreas Thiel (Handball), Michael Groß (Schwimmen), Frank Busemann (Leichtathletik), Walter Röhrl (Motorsport) und Henry Maske (Boxen) geführt. Wir blicken zurück.

Herr Maske, während Ihrer aktiven Karriere waren Sie als Gentleman-Boxer berühmt. Wie viel Gentleman steckt denn in dem Menschen Henry Maske wirklich?

Henry Maske: Die Frage ist, was heißt Gentleman eigentlich. Dass ich mit Messer und Gabel essen kann? Dass ich bitte und danke sage? Ich bin sicherlich nicht fehlerlos, wie jeder Mensch habe ich meine Macken. Insofern passt der Gentleman auf meine Karriere im Ring, aber ich war abseits davon kein Gunter Sachs, der sofort das Feuerzeug griffbereit hatte, wenn eine Frau eine Zigarette rauchen wollte.

Bevor Sie zum Gentleman-Boxer wurden, lebten Sie 25 Jahre lang in der DDR. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?

Maske: Es herrschte diese Freiheit und Entspanntheit, die ich gerade als kleiner Junge genossen habe. Wenn ich aus meinem Kinderzimmer geschaut habe, habe ich nur Wiesen und Felder gesehen, ein kleiner Bach, Hühner, Kühe. Meine Eltern mussten nicht die ganze Zeit auf mich aufpassen, ich konnte mich frei bewegen, ohne dass sie sich Sorgen machen mussten.

Das klingt ein wenig sehnsüchtig?

Maske: Ich würde das nicht als Sehnsucht bezeichnen. Aber es war nicht alles schlecht in der DDR, wie es heute häufig erzählt wird. Der Neidfaktor war deutlich geringer, man befand sich auf Augenhöhe mit seinen Mitmenschen.

In der DDR starteten Sie auch Ihre sportliche Karriere. Wann standen Sie zum ersten Mal im Ring?

Maske: Mit sechs Jahren fragte mich ein Junge aus meiner Klasse, ob ich nicht zum Boxen mitkommen wolle, weil er sich alleine nicht getraut hatte. Für den Trainer waren wir wohl erst mal nicht mehr als Störenfriede, die in absehbarer Zeit die Lust verlieren würden. Mein Freund hat tatsächlich nach zwei Wochen das Handtuch geworfen, ich habe es dann mit 26 Jahren doch ein wenig länger ausgehalten (lacht).

Waren Sie sofort Feuer und Flamme für das Boxen?

Maske: Ich hatte Zweifel, keine Frage. Das lag vor allem daran, dass ich nur trainieren durfte. Erst als Zehnjähriger konnte man damals auch auf Wettkämpfe fahren. Aber ich wollte nicht so lange warten, irgendwann riss mir der Geduldsfaden und ich wollte alles hinschmeißen.

Aber Sie haben weitergemacht?

Maske: Ja, weil mein Vater mir einen Satz gesagt hat, den ich niemals vergessen werde: "Wer A sagt, muss auch B sagen." Da wurde mir klar, dass ich nicht aufhören darf, ohne etwas zu hinterlassen, auf das ich mit Stolz zurückblicken konnte.

Für eine besondere Brisanz bei Turnieren sorgten die Duelle mit Boxern aus der Bundesrepublik. War Hass mit im Spiel?

Maske: Nein, wir haben uns gegenseitig respektiert. Aber es war jedem klar, dass diese Kämpfe eine spezielle Note hatten. Jede Niederlage wäre eine Klatsche für uns gewesen, die wir uns nicht leisten wollten. Dafür wurden wir auch viel zu gut gefördert. Sehen Sie: Wir trainierten in der Woche zehn- bis zwölfmal, die Boxer aus dem Westen nur vier- bis fünfmal. Natürlich kam es mal vor, dass einer von uns einen Kampf verloren hat. Aber das war eine Seltenheit.

Spielte Neid untereinander eine Rolle?

Maske: Nun ja, mich hätte es schon gewurmt, wenn ich gewusst hätte, dass mein Gegner eine viel bessere Förderung erhalten hätte als ich. Auf der anderen Seite bekamen wir zu hören: "Ihr tut mir ja schon leid mit eurem Trabi." Aber mir war das egal, ich war stolz auf meinen Trabi. Und mit der Zeit haben wir gemerkt, dass auch im Westen bei weitem nicht alles Gold ist, was glänzt.

Zum Beispiel?

Maske: Ich kann mich an ein Turnier in Helsinki erinnern. Ich bin davor durch die Stadt gelaufen. Die Schaufenster waren vollgepackt mit Sachen, die ich - wenn überhaupt - nur aus der Werbung gekannt habe. Es war eine andere Welt, bis ich auf einmal einen Obdachlosen sah, der sich auf einen Abzug eines U-Bahn-Schachts gelegt hatte, um sich zu wärmen. Da habe ich mich schon gefragt: Wie kann so etwas sein? Offenbar ist bei denen doch nicht alles so wahnsinnig toll.

Gab es sportliche Schlüsselerlebnisse in Ihrer Amateurkarriere?

Maske: Ganz ehrlich, jede Niederlage war ein Schlüsselerlebnis. Eine Sache ist mir aber besonders in Erinnerung geblieben. Wir kamen einmal nach einer Woche von einem Wettkampf zurück und Manfred Wolke, mein damaliger Trainer, hat mich vor der kompletten Gruppe in Frage gestellt. Er wollte testen, wie stark mein Motiv war, wie sehr ich es wollte. Es ging weniger um die reine Motivation, sondern um die Frage, warum der Maske überhaupt boxen wollte. Das hat mir Wolke auf niederschmetternde Art und Weise aufgezeigt, während alle anderen mich anstarrten.

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Sie haben die Niederlagen angesprochen. Auf einen Namen trifft man immer wieder, wenn man auf Ihre Amateurkarriere blickt: Angel Espinosa. Träumen Sie noch schlecht von ihm?

Maske: Nein, so schlimm ist es nicht. Ich habe erst letztens ein langes Interview mit ihm gelesen, er war ein außergewöhnlicher Boxer. Und eigentlich der einzige in meiner Karriere, der mich - zumindest bei einem Weltcup 1987 - im Ring wie einen kleinen Jungen vorgeführt hat, das muss ich leider zugeben.

Das war aber nicht die einzige schmerzhafte Begegnung mit einem Kubaner.

Maske: Nein, bei einem Turnier in Berlin hat mir einer - Gomez müsste er geheißen haben - ins Ohr gebissen. Das war die kleine Version von Holyfield gegen Tyson. Zum Glück sind meine Ohren aber ganz geblieben (schmunzelt).

Ein erfreulicheres Erlebnis als Amateur war wahrscheinlich der Olympiasieg 1988 in Seoul. Sie bekamen dafür 25.000 Ost-Mark. Was haben Sie sich mit diesem Geld gekauft?

Maske: Die meisten hätten sich wohl einen Trabi geholt, aber den hatte ich ja schon. Ich hatte eher ein Auge auf einen Lada oder Wartburg geworfen. Das Problem war, dass man eine Zusageberechtigung brauchte, und für unsere Boxgruppe gab es nur eine oder zwei davon. Ich drücke es mal so aus: Der Verbandstrainer kam relativ schnell mit einem Lada um die Ecke (schmunzelt). Im Nachhinein bin ich aber gar nicht so traurig darüber. Mit der Wende ein Jahr später wäre das herausgeschmissene Geld gewesen und der Farbfernseher für 6300 Mark, den ich mir gekauft habe, war so schlecht ja auch nicht.

Sie sollen auch von Ihren Wettkampfreisen das eine oder andere Souvenir mitgebracht haben.

Maske: Das stimmt. Ich habe letztens erst einen Fernseher entsorgt, den ich mir 1986 in Japan gekauft hatte. Der hatte sogar eine Fernbedienung, so was war zu der Zeit eine echte Rarität. Es gab zwar nur drei Knöpfe, Sender hoch, Sender runter, Ein und Aus, aber ich weiß noch, dass ich in dem Laden meinen Augen nicht trauen konnte, als ich ihn sah. Den Ghettoblaster, den ich im Jahr davor in Asien gekauft habe, steht sogar immer noch bei mir rum. Ich kann mich davon einfach noch nicht trennen.

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