"Ich stelle eine grundsätzliche Frage"

Dirk Bauermann trainierte von 2003-2011 die deutsche Basketball-Nationalmannschaft
© getty

Die Gegner sind NBA-erprobt, dennoch will sich der ehemalige Bundestrainer Dirk Bauermann mit Iran den Olympia-Traum erfüllen und die Asienmeisterschaft gewinnen. Welche Defizite der 57-Jährige beim DBB sieht. Warum Henrik Rödl sie beheben kann. Und was er Dennis Schröder rät.

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SPOX: Herr Bauermann, Sie arbeiten seit knapp drei Monaten als Nationaltrainer des Iran. Läuft es so abenteuerlich, wie es klingt?

Dirk Bauermann: So abenteuerlich geht es gar nicht zu. Der Iran ist nicht Syrien oder der Irak sondern ein stabiles, wohlhabendes Land, das zwar von einer sehr stark islamisch, um genauer zu sein schiitisch denkenden Regierung geführt wird, aber der Großteil der Bevölkerung sich westlich orientiert. Das sieht man in unserer Mannschaft, in der beispielsweise zwei Christen spielen. Auch die Aufhebung der Sanktionen zeigt, dass das Land sich bewegt. Dass mir vieles dennoch Bauchschmerzen bereitet, muss ich ehrlicherweise zugestehen. Aber ich bin eben vor allem Trainer mit einem großen sportlichen Ziel und da lässt es sich in diesem Land gut arbeiten: Die Strukturen sind sehr gut. Wir fliegen Business Class, wir buchen gute Hotels und das Trainingszentrum in Teheran erfüllt alle Anforderungen.

SPOX: Mussten Sie sich nicht anpassen?

Bauermann: Das Arbeiten an sich ist mit Deutschland sehr vergleichbar. Wenn es einen Unterschied gibt, dann im direkten Miteinander. In der iranischen Gesellschaft kommen traditionellen Werten eine weitaus größere Bedeutung zu als bei uns. Es herrscht ein anderes Maß an Respekt. Wenn der Headcoach als Letzter in einen Besprechungsraum kommt, stehen alle Spieler und Assistenzcoaches auf. Und wenn wir zusammen durch eine Tür gehen oder in einen Aufzug steigen, wird immer mir der Vortritt gelassen. Im Gegenzug haben die jüngeren Spieler einen deutlich schwereren Stand als bei uns. Ältere Spieler haben grundsätzlich kein Problem damit, kritisiert zu werden, nur wenn es vor versammelter Mannschaft und damit den jungen Spielern passiert, sind sie schnell verärgert.

SPOX: Sie wurden verpflichtet, um den Iran zum Sieg bei der am Mittwoch beginnenden Asienmeisterschaft und damit zu den Olympischen Spielen 2016 zu führen. Die Zweit- bis Fünfplatzierten nehmen lediglich an einem der Olympia-Quali-Turniere teil. Welches konkrete Ziel wurde Ihnen für das Turnier, das im zentralchinesischen Changsha stattfindet, mitgegeben?

Bauermann: Die Erwartungen im Iran sind sehr hoch, Basketball ist neben Volleyball und natürlich Ringen und Fußball eine der Volkssportarten. Daher setzen wir alles daran, uns direkt für Olympia zu qualifizierten und Asienmeister zu werden. Laut des Power Rankings der FIBA sind wir an eins, China an zwei. Nicht nur deswegen sehen wir die Chinesen als die größten Konkurrenten: Sie haben mit Yi Jianlian einen bekannten Namen in ihren Reihen - und sie sind der Veranstalter. Bei Olympia 2008 in Peking haben wir mit der deutschen Nationalmannschaft bereits unsere Erfahrungen damit gemacht, was das bedeuten kann, als wir gegen China um den Einzug ins Viertelfinale spielten. Ich erinnere mich an zwei Schrittfehler und ein Offensivfoul gegen Dirk Nowitzki in den letzten zwei Minuten und wir verloren. Wir wissen schon jetzt, dass es uns nicht einfach gemacht wird, wir müssen auf alles vorbereitet sein.

SPOX: Der größte Star bei den Asienmeisterschaften ist Ex-NBA-Profi Andray Blatche, der für die Philippinen aufläuft - wie es heißt für eine Million Dollar Antrittsgage. Was wissen Sie von ihm?

Bauermann: Zunächst muss man wissen, dass in den Philippinen Basketball die Sportart Nummer eins ist. Die Basketball-Nationalmannschaft besitzt einen unglaublich hohen Stellenwert. Der philippinische Verband hat sich, um den hohen Erwartungen gerecht zu werden, nicht lumpen lassen, um ihn zum zweiten Mal nach 2014 von einer Teilnahme zu überzeugen. Er verstärkt sie ungemein, wir haben die Philippinen wegen Blatche ganz oben auf dem Zettel. Ich konnte ihn bereits bei der WM 2014 in Spanien beobachten und es gibt keine wirkliche Erklärung, warum er in China unter Vertrag steht und nicht in der NBA spielt. Er hat das gesamte Paket: Er wirft Dreier, er geht von außen im Eins-gegen-eins zum Korb, er punktet direkt am Brett.

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SPOX: Sie verfügen mit Hamed Haddadi gleichfalls über einen NBA-erfahrenen Big Man.

Bauermann: Hamed ist hoch veranlagt. Ein Spielertypus, der mich an Chris Welp erinnert. Ein spielender Center mit einem guten Wurf aus der Mitteldistanz und dem Auge für den Pass. Dass Hamed fünf Jahre in der NBA war, wundert mich nicht, er kann offensiv und defensiv Spiele dominieren. Er wird kommende Saison wieder in China spielen, doch vom Talent her würde er sich bei jedem Euroleague-Topteam durchsetzen.

SPOX: Wie wird es mit Ihnen nach den Asienmeisterschaften weitergehen?

Bauermann: Wenn wir das Turnier gewinnen, verlängert sich der Vertrag automatisch, wobei nicht definiert ist, ob ein hauptamtlicher Vertrag aufgesetzt wird, oder ich auf Honorarbasis die Mannschaft bei den Olympischen Spielen betreue. Wichtig ist jetzt aber erstmal nur die Olympia-Qualifikation, danach sehen wir weiter.

SPOX: Sie haben zwei Jahre lang als Assistenztrainer der Fresno State University Erfahrung gesammmelt und pflegen guten Kontakt in die NBA: Ist ein Modell wie bei Chris Fleming und den Denver Nuggets sowie Deutschland denkbar? Sie arbeiten vollzeitlich als Assistant Coach in der NBA und zugleich bleiben Sie Nationaltrainer des Iran?

Bauermann: Hypothetische Fragen sollte man nicht beantworten, es liegt kein Angebot aus der NBA vor. Ich freue mich sehr für Chris. Ich lehnte damals ein ähnliches Angebot von Donnie Nelson ab und sehe mich in meiner jetzigen Lebensphase ausschließlich als Cheftrainer vor allem in Europa.

Seite 1: Bauermann über das Abenteuer Iran und den Traum Olympia

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