Oliver Kahn beim FC Bayern vor dem Aus? Warum der Vorstandsvorsitzende in der Kritik steht

Oliver Kahn
© getty

Nach den Entwicklungen der vergangenen Monate und dem Aus in der Champions League wird rund um den FC Bayern München über eine mögliche Ablösung des Vorstandsvorsitzende Oliver Kahn gemunkelt. Was kann man Kahn vorwerfen?

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Nach eineinhalb Jahren als normales Vorstandsmitglied übernahm der einstige Mannschaftskapitän des FC Bayern im Sommer 2021 den Vorstandsvorsitz und avancierte damit zum mächtigsten Angestellten des deutschen Rekordmeisters.

kahn
© getty

Oliver Kahn beim FC Bayern: Die sportliche Bilanz

Die am einfachsten messbare Bewertungskategorie von Oliver Kahns bisheriger Amtszeit als Vorstandsvorsitzender ist selbstverständlich die sportliche Bilanz - und die ist zumindest für Münchner Verhältnisse nicht gut. Seit Sommer 2021 gewann der FC Bayern lediglich einen Meistertitel, ein zweiter könnte in diesem Jahr noch folgen. Der Vorsprung auf Verfolger Borussia Dortmund beträgt sechs Spieltage vor Saisonende aber lediglich zwei Punkte.

Im DFB-Pokal scheiterten die Münchner unterdessen an zwei Außenseitern. Vergangene Saison blamabel 0:5 gegen Borussia Mönchengladbach, kürzlich knapp gegen den SC Freiburg. In der Champions League folgte auf das beschämende Aus gegen den FC Villarreal nun immerhin ein deutlich besser verdauliches gegen Manchester City. Nach dem Weiterkommen gegen die Star-Auswahl von Paris Saint-Germain im Achtelfinale schlug sich der FC Bayern trotz des deutlichen Ergebnisses (0:3, 1:1) auch gegen die aktuell vermutlich beste Mannschaft der Welt ordentlich.

mane
© getty

Oliver Kahn beim FC Bayern: Die Kaderplanung

Das Rückspiel gegen Manchester City führte der sportlichen Leitung um Kahn und Sportvorstand Hasan Salihamidzic ihre größte Fehleinschätzung einmal mehr ganz offensichtlich vor Augen: Es fehlt ein Mittelstürmer von höchstem internationalem Format. Der FC Bayern hätte im vergangenen Sommer einen Nachfolger für den abgewanderten Torjäger Robert Lewandowski verpflichten müssen. Die Idee, den Verlust mit vielen flexibel einsetzbaren Offensivspielern aufzufangen, ging nicht auf. "Uns fehlt im Moment der Torjäger, der die Dinger vorne reinmacht", sagte auch Präsident Herbert Hainer nach dem City-Spiel.

Statt eines neuen Mittelstürmers holte der FC Bayern Sadio Mané. Er wurde als Weltstar angepriesen, erfüllte die Erwartungen aber nicht einmal im Ansatz. Flügelstürmer Mané passt nicht ins taktische System und ist aktuell nur Ersatz. Mit seiner tätlichen Attacke auf Leroy Sané sorgte er darüber hinaus für negative Schlagzeilen abseits des Platzes.

In den vier Transferperioden seit Kahns Amtsübernahme gab der FC Bayern 203 Millionen Euro aus und erwirtschaftete insgesamt ein Minus von 95 Millionen. Besser machten die gewaltigen Investitionen den Kader aber nicht. Lediglich Innenverteidiger Matthijs de Ligt verstärkte die Mannschaft sichtlich. Der ablösefrei abgewanderte Leistungsträger David Alaba wurde genau wie Lewandowski unterdessen nicht entsprechend ersetzt. Ein Spielgestalter im zentralen Mittelfeld fehlt nach wie vor.

FC Bayern
© getty

Oliver Kahn beim FC Bayern: Das Projekt Julian Nagelsmann

Mit dem vermeintlich vielversprechendsten Trainer Deutschlands und noch dazu gebürtigen Oberbayern Julian Nagelsmann eine Ära zu prägen, das war die große Vision von Kahn und Salihamidzic. Im Sommer 2021 verpflichteten sie Nagelsmann für über 20 Millionen Euro von RB Leipzig und statteten ihn mit einem Fünfjahresvertrag aus.

Nach nicht einmal zwei Spielzeiten musste er unter durchaus kuriosen Umständen aber schon wieder gehen. Obwohl seine Mannschaft noch in allen drei Wettbewerben vertreten war, obwohl ihm bis kurz vor der Entlassung öffentlich Rückendeckung gegeben wurde. Erfahren hat Nagelsmann von seinem Aus übrigens über die Medien.

Die zwei Hauptvorwürfe der Führungsriege an Nagelsmann waren inkonstante Leistungen und ein angeblicher Verlust der Kabine. An der Inkonstanz änderte sich unter Nachfolger Thomas Tuchel bisher nichts, innerhalb weniger Wochen wurden darüber hinaus bereits zwei Titel verspielt. Den angeblichen Verlust der Kabine dementierten etliche Spieler umgehend ziemlich deutlich. Zumindest kurzfristig wirkte sich der Trainerwechsel eher negativ aus.

kahn-hainer-jhv-bayern-1200
© imago images

Oliver Kahn beim FC Bayern: Öffentlichkeitsarbeit

Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge prägten jahrelang die sogenannte Abteilung Attacke. Wenn es sportlich oder warum auch immer mal nicht lief, gingen die beiden in der Öffentlichkeit auf Konfrontationskurs und lenkten die Aufmerksamkeit von der Mannschaft auf sich selbst. Kahn wählte in seiner bisher rund zweijährigen Amtszeit meist eine gegensätzliche Strategie. Wenn es Erklärungsbedarf gab, dann machte er sich rar.

Etwa im Herbst 2021, als Nagelsmann die vor sich hin wabernden Corona- und Katar-Debatten mehr oder weniger in Eigenregie moderieren musste. Oder auch in den vergangenen Wochen, als der FC Bayern nach dem überraschenden Trainerwechsel zwei Titel verspielte und beim 1:1 gegen die TSG Hoffenheim einen fußballerischen Tiefpunkt erreichte. Statt persönlicher Statements streute Kahn lieber Plattitüden-Tweets ein. In der Öffentlichkeit kommt er eher kalt und unnahbar an.

Kurioser Randaspekt: Im vergangenen Sommer gab Kahn der hauseigenen Website ein Interview, indem er ein Resümee seiner ersten Saison als Vorstandsvorsitzender zog. Was er gelernt habe? "Dass es für die Öffentlichkeit von großer Bedeutung ist, dass die handelnden Personen des FC Bayern in der Außenwahrnehmung präsent sind - und zwar dauerhaft präsent. Weil das Identität stiftet." Grundlegend geändert hat Kahn an seinem Auftreten in der Folge aber nichts.

Tiefpunkt in Sachen Öffentlichkeitsarbeit war wohl die Jahreshauptversammlung 2021, die vorzeitig abgebrochen mit Tumulten endete. Zuvor hatte der Klub mit allen Mitteln versucht, dem Katar-Sponsoring kritisch gegenüberstehende Mitglieder mundtot zu machen. Immerhin daraus hat Kahn gelernt: In der Folge wurde der Dialog mit den Fans gesucht, die JHV 2022 lief folgerichtig gesitteter ab.

kahn1
© getty

Oliver Kahn beim FC Bayern: Internes Auftreten

So wie Kahn auf die Öffentlichkeit wirkt, so kommt er offenbar auch intern an. Die Mutmaßung des TV-Experten Jan Aage Fjörtoft, wonach es Kahn bis heute verpasst habe, "die Mitarbeiter zu überzeugen", deckt sich jedenfalls mit etlichen anderen Berichten. Von der einstmals familiären Atmosphäre sei kaum etwas übrig, viele Angestellten stören sich an Kahns distanziertem Auftreten und offensichtlichen Faible für Unternehmensberater.

Dieses Faible zeigte sich auch bei seinem Prestige-Projekt "FC Bayern AHEAD". An der Ausarbeitung des neuen Leitbilds wurden zwar alle Mitarbeiter beteiligt, allerdings bestand die Arbeitsgruppe nahezu vollständig aus ehemaligen Mitarbeitern der Beratungsagenturen Bain & Company und McKinsey, darunter auch der Projektleiter Daniel Hoegele.