Vor dem Abflug ins Trainingslager nach Katar huschte Sportvorstand Hasan Salihamidzic kurz ein verschmitztes Lächeln über die Lippen, als der Name Daley Blind fiel.
"Das ist wirklich ein glücklicher Umstand, dass so ein Spieler auf dem Markt ist", kommentierte Salihamidzic die Verpflichtung des Niederländers bei Sky. "Er hat uns von der ersten Minute an signalisiert, dass er unbedingt zum FC Bayern kommen möchte. Wir haben eine gute Lösung gefunden."
Am Donnerstag landete Blind in München und unterschrieb einen Vertrag bis Saisonende. Da zuvor zum Jahresende sein Vertrag bei seinem Herzensklub Ajax Amsterdam aufgelöst wurde, war der 32-Jährige ablösefrei zu haben.
"Durch den Ausfall von Lucas Hernández haben wir uns umgeschaut und wirklich einen guten Spieler gefunden", meinte Salihamidzic. Blind kann sowohl als Linksverteidiger als auch als Innenverteidiger agieren und ist als Linksfuß ein adäquater Ersatz für Hernández, der mit einem Kreuzbandriss noch monatelang ausfallen wird. Aber was zeichnet Blind konkret aus?
FC Bayern: Daley Blind größerer Ballverteiler als Toni Kroos
Da ist in erster Linie seine Passstärke zu nennen, wodurch der 99-malige niederländische Nationalspieler auch als spielaufbauender Sechser eingesetzt werden kann. Dank seiner Routine am Ball war Blind bei Ajax eine gefragte Anspielstation. Laut Daten von CreateFootball wurde Blind 65-mal pro Spiel angespielt - Spitzenwert im europäischen Vergleich.
Eine genauere Analyse seiner Passqualität verdeutlicht seinen Wert, der auch dem Spiel der Bayern guttun kann. Im zurückliegenden Kalenderjahr 2022 ist Blind mit durchschnittlich 84,2 Zuspielen pro Liga-Partie der zweitstärkste Passgeber im Vergleich mit den fünf stärksten Ligen Europas, nur Marco Verratti (91,1 Pässe/Spiel) war ein noch fleißigerer Ballverteiler. Blind lässt übrigens auch Passmaschine Toni Kroos (84,0 Pässe/Spiel) hinter sich.
Meiste Pässe* | Meiste vertikale Pässe* | Meiste Pässe ins Offensivdrittel* |
1. Verratti - 91,1 | 1. Blind - 39,2 | 1. Blind - 18,2 |
2. Blind - 84,2 | 2. Aké - 34,9 | 2. Kroos - 16,5 |
3. Kroos - 84,0 | 3. Medina - 33,0 | 3. Laporte - 14,1 |
* Pässe pro Ligaspiel im Kalenderjahr 2022 in Europas Top-5-Ligen und Eredivisie (Daten: CreateFootball) |
Auffällig ist vor allem Blinds offensive Ausrichtung in seinem Passspiel. Mit 39,2 vertikalen Pässen pro Spiel weist er im europaweiten Vergleich vor seinem Landsmann Nathan Aké von Manchester City (34,9 Pässe/Spiel) mit deutlichem Vorsprung die meisten auf. Zudem spielte Blind durchschnittlich die meisten Pässe ins Angriffsdrittel (18,2 Pässe/Partie) - noch mehr als Kroos (16,5 Pässe/Partie).
FC Bayern: Daley Blind als Mentor für Matthijs de Ligt
Seine Passqualität kommt vor allem bei einer dominanten Spielweise, wie sie Ajax in der Eredivisie praktiziert, besonders gut zur Geltung. Der ebenfalls auf Dominanz ausgerichtete Spielstil der Bayern dürfte Blind daher entgegenkommen. "Er hat große internationale Erfahrung und Führungsqualitäten. Ich bin sicher, dass er uns helfen wird", sagte Salihamidzic.
Blind gilt als kommunikativer Spieler mit großem taktischen Verständnis, der in dieser Hinsicht auch ein guter Mentor für seinen früheren Ajax-Teamkollegen Matthijs de Ligt oder auch für Stamm-Linksverteidiger Alphonso Davies sein kann.
"Ich hoffe, ich kann meine Erfahrung einbringen, um der Mannschaft zu helfen und werde alles für Bayern München geben", sagte Blind, für den "der Hunger nach Titeln" ausschlaggebend für seine Unterschrift gewesen ist.
FC Bayern: Daley Blind war langsamster Verteidiger der Eredivisie
Defizite hat Blind in puncto Tempo. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von unter 33 km/h zählte er in der bisherigen Saison zu den langsamsten Verteidigern der Eredivisie. Bei den Bayern landet er damit ebenfalls noch hinter dem langsamsten Defensivmann Josip Stanisic, der in der laufenden Spielzeit mit einem Topspeed von 33,07 km/h nur knapp diese Marke riss.
Aufgrund seiner fehlenden Geschwindigkeit kann man Blind auch nicht zu einem Linksverteidiger der modernsten Prägung zählen, der die Außenbahn entlang sprintet und eine Flanke nach der anderen in den Strafraum schlägt. Nur zwei Flankenversuche pro Partie sind ein Beleg für seine Harmlosigkeit, seit 2015 gelangen ihm in der Eredivisie auf diese Weise zudem nur überschaubare elf Assists. Wertvoller sind da schon seine oben erwähnten einleitenden Pässe.
Seine Geschwindigkeitsdefizite macht Blind mit seinem guten Stellungsspiel wett. Das hilft ihm gleichzeitig auch im Abwehrzentrum, denn mit seiner Größe von 1,80 Meter verfügt er nicht unbedingt über ein Gardemaß für einen Innenverteidiger. Am Boden gewann Blind in seiner Karriere fast 70 Prozent seiner Zweikämpfe - ein starker Wert, der seine Cleverness in seiner Abwehrarbeit untermauert. Dafür vermeidet er Luftduelle, was in der Innenverteidigung ein Schwachpunkt sein könnte.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Blind vor allem aufgrund seiner Passqualität ein wichtiger Faktor im Spiel der Bayern sein kann. Als Linksverteidiger ohne großen eigenen Offensivdrang dürfte er dabei vor allem als Initiator in Erscheinung treten. Auch für den linken Part in einer Dreierkette, die Trainer Julian Nagelsmann bei eigenem Ballbesitz hin und wieder spielen lässt, scheint Blind geeignet.
Gegen wuchtige und schnelle Gegner könnte Blind wiederum an seine Grenzen stoßen und womöglich im Achtelfinal-Kracher in der Champions League gegen die Star-Offensive von Paris Saint-Germain um Kylian Mbappé, Lionel Messi und Neymar zu einem Risikofaktor werden.