BVB: Warum feiert Borussia Dortmund seine Titel am Borsigplatz?

BVB, Borussia Dortmund, Borsigplatz
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Sofern Borussia Dortmund an den letzten beiden Spieltagen den FC Bayern München doch noch überholt, wird am Borsigplatz wieder mal eine riesige Party steigen. Warum ausgerechnet dort?

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Der Borsigplatz nordöstlich des Dortmunder Zentrums ist eigentlich ein großer Kreisverkehr. Gefüllt mit einer Wiese und Bäumen. Durchtrennt von Schienen der Linie U44. Umgeben von Döner-Buden und Friseur-Läden, von einer Sozialeinrichtung und einem Nussfachgeschäft namens Muskara. Viel ist hier für gewöhnlich nicht los. Es sei denn, Borussia Dortmund hat zufälligerweise etwas zu feiern.

Während die meisten Klubs ihre Titelfeiern vor dem Rathaus ihrer jeweiligen Stadt abhalten - der FC Bayern München beispielsweise am Marienplatz und Eintracht Frankfurt am Römer - geht es in Dortmund zum Borsigplatz. Als Highlight der Parade drehen die Spieler und Trainer auf einem Bus oder LKW ein paar Runden um den Kreisverkehr und lassen sich von tausenden Fans bejubeln, während sie stets den Gründungsort ihres Klubs im Blick haben.

Das Gebäude in der Oesterholzstraße 60 ist der Grund, warum der BVB seine Titel ausgerechnet am Borsigplatz feiert. Dort befand sich einst das Wirtshaus "Zum Wildschütz", wo am 19. Dezember 1909 18 Männer den Ballspielverein Borussia gründeten. "Borussia" übrigens, weil das dort ausgeschenkte Bier so hieß.

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BVB: Im Gründungsraum wohnt mittlerweile ein Ex-Ultra

Das Wirtshaus "Zum Wildschütz" gibt es schon lange nicht mehr. Im Erdgeschoss befindet sich heute ein Imbiss mit dem durchaus undankbaren Namen "Pommes Rot-Weiß". Darüber wohnt Jan-Henrik Gruszecki. Er war Gründungsmitglied der Dortmunder Ultra-Gruppierung "The Unity", gehörte einst auch zum Führungskreis der "Desperados" und arbeitet mittlerweile als Leiter der Stabsstelle Strategie & Kultur für seinen Lieblingsklub.

Während seiner Zeit als freier Journalist drehte Gruszecki 2015 gemeinsam mit Kumpels einen Film über die Gründungsgeschichte des BVB und stieß im Zuge dessen auf das Wirtshaus "Zum Wildschütz". In der Dokumentation "Am Borsigplatz geboren" spielt das Lokal selbstverständlich eine große Rolle, mittlerweile aber auch in Gruszeckis Leben.

Kurz nach den Film-Recherchen wurden die Räumlichkeiten zwangsversteigert und Gruszecki schlug zu. "So manches Mal, wenn ich die Haustür aufschließe, denke ich: Das ist schon krass. Du lebst in einer historischen Immobilie", sagte er damals der Neuen Westfälischen. "Der Raum, in dem 1909 Borussia Dortmund gegründet wurde, ist heute mein Wohnzimmer."

BVB: Vom Borsigplatz in den Süden

Früher hätte es Gruszecki von hier nicht weit zur Spielstätte seines Lieblingsklubs gehabt. Seine ersten Partien trug der BVB auf einem Acker ein paar Straßen weiter aus. Später übersiedelte er auf einen Sportplatz im heutigen Hoeschpark, benannt nach der Industrieanlage der Hoesch AG. "Weiße Wiese" hieß der Platz zunächst, 1924 wurde er zu einem 10.000 Zuschauer fassenden Stadion ausgebaut.

Als die Nationalsozialisten im Zuge ihrer Kriegsvorbereitungen 1937 eine Expansion der Stahl-produzierenden Hoesch AG anordneten, musste der BVB weichen. Zur neuen Heimat wurde das Stadion Rote Erde im Süden der Stadt. Direkt daneben entstand später das Westfalenstadion. Große Erfolge erlebte der BVB erst nach dem Abschied aus seiner Heimat - für die Feierlichkeiten kehrt der Klub aber stets zurück.

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BVB am Borsigplatz: Ottmar Hitzfeld mit dem Henkelpott

1956 durften Spieler und Fans erstmals einen großen Titel am Borsigplatz feiern, die erste Meisterschaft der Klubgeschichte. Im Laufe der 1950er-und 1960er-Jahre folgten weitere Meistertitel und Pokale, ehe bis zum DFB-Pokalsieg von 1989 Dürre herrschte. 1995 holte Trainer Ottmar Hitzfeld schließlich die Meisterschale zurück nach Dortmund. "Was man in der Stadt und beim Umzug am Borsigplatz erlebt hat, das war unvorstellbar", erzählte Hitzfeld später dem Fanzine schwatzgelb.

"Ich habe so viele alte Leute gesehen, die schwarzgelb angemalt waren und das Trikot anhatten und aus den Häusern geschaut haben, glücklich waren. Es waren nicht nur die jüngeren Fans, sondern auch die älteren Leute, die an den Fenstern waren, überall runtergeschaut haben und ich weiß nicht wie viele Hunderttausende in der Stadt unterwegs waren, das war überwältigend." Nach dem Champions-League-Sieg von 1997 reckte Hitzfeld als bisher einziger Trainer den Henkelpott auf dem Borsigplatz in die Höhe.

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BVB am Borsigplatz: Jürgen Klopp bringt das Double

Jürgen Klopp führte den BVB 2011 zum Meistertitel und in der Saison darauf zum ersten Double der Klubgeschichte. "Am Borsigplatz kamen sogar mir die Tränen", bekannte er später. "Mit der Schale um den Borsigplatz, das ist immer noch eines der ganz großen Highlights meiner Karriere."

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BVB am Borsigplatz: Thomas Tuchel und das letzte Mal

2017 durfte Thomas Tuchel mit seinen siegreichen DFB-Pokalsiegern auf den Borsigplatz. Es ist bis heute die letzte Dortmunder Titelfeier unter jubelnden Menschenmassen.

Zum Zeitpunkt des DFB-Pokalsiegs von 2021 unter Edin Terzic herrschten strenge Corona-Auflagen. Die Mannschaft musste die Parade ausfallen lassen. Einige hundert Fans pilgerten aber trotzdem an den Borsigplatz, fackelten ein paar bengalische Feuer ab und lösten somit einen Polizeieinsatz aus.

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BVB am Borsigplatz: Rückkehr 2023?

Sollte der BVB den FC Bayern im diesjährigen Titel-Endspurt noch überholen, wäre der Borsigplatz erstmals seit sechs Jahren wieder voll. Dortmund ist am Sonntag beim FC Augsburg zu Gast und empfängt am letzten Spieltag den FSV Mainz 05. Der FC Bayern hat noch ein Heimspiel gegen RB Leipzig und ein Auswärtsspiel gegen den 1. FC Köln zu absolvieren. Zwei Spieltage vor Saisonende beträgt Dortmunds Rückstand bei einem schlechteren Torverhältnis einen Punkt.

Bundesliga: Die Spitzengruppe vor dem 33. Spieltag

PlatzTeamSp.ToreDiffPkt.
1.Bayern München3289:345568
2.Borussia Dortmund3278:423667
3.RB Leipzig3257:381960
4.Union Berlin3248:341459