BVB - Ex-Talent Bálint Bajner im Interview: "Ich habe beim besten Dortmund aller Zeiten gespielt"

Bálint Bajner bestritt 65 Pflichtspiele für die zweite Mannschaft des BVB.
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Bálint Bajner spielte zweimal für Borussia Dortmund und kam 2013 bei den BVB-Profis unter Jürgen Klopp zu seinem einzigen Einsatz in der Bundesliga. Später in England löste der Stürmer mit einer unbedachten Aussage einen Hype aus, in dessen Folge sein Heimatland Ungarn von der Facebook-Seite seines Klubs verbannt wurde.

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Im Interview mit SPOX und GOAL spricht der heute 32-jährige Bajner über seine Erfahrungen beim BVB, sein 19-minütiges Debüt in der Bundesliga und blickt zurück auf den Ursprung der "No Bajner, no party"-Welle in England.

Bajner erzählt zudem von einer langwierigen Dopingkontrolle, dem Lamborghini von Pierre-Emerick Aubameyang, einem schläfrigen Jadon Sancho und erklärt, weshalb Corona seine Karriere ausgebremst hat.

Bálint Bajner bestritt 65 Pflichtspiele für die zweite Mannschaft des BVB.
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Herr Bajner, bis Sommer 2021 spielten Sie bei Pécsi MFC in der 2. Liga in Ihrem Heimatland Ungarn. Das war der zwölfte Klub in Ihrer Profi-Karriere. Seitdem sind Sie vereinslos. Warum?

Bálint Bajner: Ich war in meiner Karriere eigentlich kaum ernsthaft verletzt, doch in den vergangenen eineinhalb Jahren hat es mich relativ schwer erwischt. Bei Pécsi laborierte ich an einer Schambeinentzündung, weshalb mein auslaufender Vertrag nicht verlängert wurde. Das kostete mich letztlich ein gutes Jahr. Als ich wieder gesund war, infizierte ich mich zum dritten Mal mit Covid, obwohl ich bereits dreifach geimpft war.

Ein Teil Ihrer Familie lebt in Südafrika, wo Sie schon 2019 zu einem Probetraining bei den Kaizer Chiefs unter Trainer Ernst Middendorp eingeladen waren. Auch im vergangenen Herbst sollen Sie dort ein Kandidat gewesen sein. Warum ist daraus nichts geworden?

Bajner: Das war eine aufgebauschte Mediengeschichte. Als ich in Südafrika landete, erkannte man mich, schoss Fotos und plötzlich hieß es, ich würde bei den Kaizer Chiefs vorspielen. Das stimmte aber alles nicht. Was dagegen richtig ist: Ich hatte im November eine Einladung zum Profitraining bei SuperSport United aus der ersten südafrikanischen Liga. Kurz vor dem Flug dorthin hatte ich aber eine Art Anfall. Ich bekam kaum noch Luft und musste in die Notaufnahme. Dort wurde eine Herzmuskelentzündung diagnostiziert, was in Ausnahmefällen leider eine Post-Covid-Erkrankung sein kann. Ich durfte dann rund zwei Monate keinen Sport machen. Daher ist das geplatzt.

Nachdem Sie zuvor schon in Rumänien, England und Italien spielten, wechselten Sie 2012 in die zweite Mannschaft des BVB. Ein deutscher Berater hatte Sie angerufen und Ihnen die Wahl gelassen, ein Probetraining bei Borussia Mönchengladbach oder in Dortmund zu absolvieren. Wieso entschieden Sie sich für Gladbach?

Bajner: Ich habe keine Ahnung mehr. (lacht) Den Berater kannte ich zuvor auch nicht, daher kam der Anruf und die Einladung sehr überraschend. Ich war ja auch sehr jung und entsprechend naiv. Wahrscheinlich versuchten wir es zuerst in Gladbach, weil es dort einfacher gewesen wäre, einen Platz zu bekommen.

Die Gladbacher konnten Ihnen am Ende aber keinen Vertrag anbieten. Warum nicht?

Bajner: Ich habe bei den Profis mittrainiert und sie wollten mich haben, allerdings wie in Dortmund auch für die U23. Die genauen Gründe, weshalb das doch nicht zustande kam, wurden mir nie genannt. Verstanden habe ich das auch nicht. Ich denke, es lag am Ende daran, dass der Kader eigentlich schon gut gefüllt war.

In Dortmund kamen Sie dagegen direkt in einem Freundschaftsspiel für die zweite Mannschaft zum Einsatz, wo Ihnen auch ein Tor gelang. Wie erinnern Sie sich daran?

Bajner: Es war während der Länderspielpause und ging gegen ein arabisches Team. Unsere Mannschaft war daher mit Profis wie Sven Bender und Spielern aus der Zweiten wie Jonas Hofmann, Koray Günter, Marvin Ducksch oder Leonardo Bittencourt gemischt. Jürgen Klopp hat zugeschaut. Dass ich dann gleich ein Tor schoss, war natürlich überragend für mich. Nach drei Tagen Training beim BVB bekam ich einen Vertrag.

Bálint Bajner gegen Roman Weidenfeller im Training der BVB-Profis.
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Sie spielten unter David Wagner für die U23, waren aber auch regelmäßig im Training der Profis dabei. Wie war das erste Mal, als Sie auf Klopp trafen?

Bajner: Ich war ehrfürchtig und auch ein bisschen ängstlich. Es kam mir schnell zu Ohren, dass er nicht nur total lässig, sondern auch aufbrausend sein kann. Ich weiß noch, dass ich in einem meiner ersten Trainings ein Tor mit links geschossen habe. Kloppo meinte dann, er habe gar nicht gewusst, dass ich beidfüßig bin. Das war nur Glück, sagte ich - und er hat mit seiner typischen Lache lauthals losgelacht. Wenn man die Mischung aus Fachkompetenz und menschlicher Größe sieht, ist er für mich der beste Trainer der Welt. Es ist unglaublich, wie gut er seit über zehn Jahren junge Spieler entwickelt und wie er einen motivieren kann.

Wie oft haben Sie denn oben trainiert?

Bajner: Sehr häufig, eigentlich jede Woche. Nicht nur ich, viele andere Spieler aus der Zweiten waren regelmäßig bei den Profis mit dabei. Rund um mein Bundesligadebüt war ich sogar für mehrere Wochen am Stück oben.

Ein paar Monate vorher kickten Sie noch beim italienischen Sechstligisten ASD Sulmona Calcio und plötzlich standen Sie in Dortmund mit Spielern wie Marco Reus, Mario Götze, Robert Lewandowski, Ilkay Gündogan oder Mats Hummels auf dem Platz. Wie groß war Ihr Rückstand?

Bajner: Riesengroß. Ich kam ja aus dem absoluten fußballerischen Nichts und hatte daher auch einen großen Respekt vor all diesen Spielern. Es stellte sich aber schnell heraus, dass sie alle ganz normal waren und mir auch jederzeit geholfen haben, damit ich mithalten und mich verbessern kann. Andererseits war der Unterschied zwischen dem Training bei Wagner und dem bei Kloppo nicht groß. Man wusste also schnell, was man grundsätzlich zu tun hatte. Doch einfach war es für mich nicht.

BVB: Bálint Bajner und die Stationen seiner Karriere

VereinZeitpunkt
FC Sopron2006-2007
CF Liberty Oradea2007-2009
West Ham United Reserves (Leihe)2008-2009
Honvéd Budapest2009-2011
ASD Sulmona Calcio2011-2012
Bodajk FC Siófok2012
Borussia Dortmund II2012-2014
Ipswich Town2014-2015
Notts County2015
Paksi FC2015-2016
FC Modena2016
Borussia Dortmund II2017-2018
Pécsi Mecsek FC2020-2021

Wie sind Sie damit umgegangen?

Bajner: Ich war damals 21, 22 Jahre alt. Wenn man so jung ist und gewissermaßen zwischen zwei Mannschaften pendelt, braucht man ein stabiles Umfeld, um alles vernünftig einordnen zu können. Es war für mich daher auch eine harte Situation, mit der ich nicht so richtig umzugehen wusste, weil ich keinerlei Erfahrungswerte hatte. Ich war auch ungeduldig und habe mir zu viel Druck gemacht. Dabei war das gar nicht nötig, denn die Spieler bei den Profis waren ja alle Superstars für mich, so dass es wenig Sinn ergeben hat, in sportlicher Hinsicht so sehr auf sie zu schielen. Hätte ich das anders gehandhabt, wäre ich vielleicht auf mehr Bundesligaspiele als nur eines gekommen.

Zumal Sie zu dieser Zeit, also zwischen 2012 und 2014, bisweilen auch Teil einer Profimannschaft waren, die konstant starke Leistungen abgeliefert hat.

Bajner: Eindeutig. Ich habe beim besten Dortmund aller Zeiten gespielt. Das konnte ich ja aber damals nicht wissen. (lacht) Schauen Sie sich nur die ganzen Spieler an, welch sensationellen Karrieren die alle hingelegt haben. Vergleicht man das mit den vergangenen zwei, drei Jahren beim BVB, wäre es heute gewiss einfacher für mich gewesen. Ich bin aber glücklich darüber, dass ich zu dieser Zeit Teil des Vereins war und in dieses Niveau hineinschnuppern durfte.

BVB-Trainer Jürgen Klopp umarmt Bálint Bajner kurz vor seinem Bundesligadebüt.
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Sie haben bei der zweiten Mannschaft stark begonnen und vier Tore in den ersten acht Spielen erzielt. Danach folgte jedoch eine Torflaute. Wieso?

Bajner: Ganz einfach: Ich habe wahnsinnig viele gute Chancen vergeigt. Keine Ahnung warum, vielleicht war ich nicht zu 100 Prozent konzentriert. Bei der Fülle an Gelegenheiten, die ich hatte und vergab, hätte ich mindestens 15 Tore schießen müssen. Wagner hat mich auch immer angestachelt, nach dem Training noch Torschussübungen zu machen, aber im Spiel war es irgendwann wie verhext.

Ihr Vertrag wurde dennoch frühzeitig bis 2014 verlängert. Im Januar 2013 flogen Sie mit ins Trainingslager der ersten Mannschaft und kamen nur einen Monat später am 24. Februar zu Ihrem einzigen Bundesligaspiel, als Sie nach 71 Minuten gegen - ausgerechnet! - Gladbach eingewechselt wurden. Wie groß waren damals Ihre Hoffnungen, sich langfristig bei den BVB-Profis durchsetzen zu können?

Bajner: Sehr groß. Heute weiß ich: zu groß. Das war letztlich mein Problem, ich habe mich selbst zu stark unter Druck gesetzt. Ich wollte unbedingt in dieses Team hinein und noch regelmäßiger mit diesen Spielern zusammen sein. Ich weiß noch, bei einem Freundschaftsspiel gegen Magdeburg habe ich mit Marco Reus zusammen im Sturm gespielt. Das waren solche Momente, in denen ich mich unbedingt beweisen und einen guten Eindruck hinterlassen wollte. Doch dann habe ich stattdessen eine Großchance aus einem halben Meter Entfernung vergeben. Das hat mich tagelang beschäftigt und heruntergezogen. Wagner hat mir immer wieder gesagt, ich solle das nicht tun, weil es mir nicht helfen wird. Ich war aber zu jung, um das hinzukriegen. Hätte ich damals meinen Verstand von heute gehabt, wäre mein Karriereweg garantiert anders verlaufen.

Lewandowski war damals wegen einer Roten Karte gesperrt. Im ersten Spiel ohne ihn erhielt auch Ersatzmann Julian Schieber bereits nach 31 Minuten einen Platzverweis. Sie saßen das erste Mal bei den Profis auf der Bank. Hatten Sie sich da schon Hoffnungen auf einen Einsatz gemacht, zumal es bei dieser Partie gegen Frankfurt bereits nach 65 Minuten 3:0 für den BVB stand?

Bajner: Klar, aber da hockten halt auch Nuri Sahin, Kevin Großkreutz oder Sebastian Kehl neben mir auf der Bank. Dass ich dann trotz der angespannten Personallage im Sturm nicht zwingend die erste Einwechseloption bin, leuchtete mir schon ein. Darauf gehofft habe ich aber natürlich schon, denn es war ein Heimspiel und ich wäre unheimlich gerne einmal vor der Südtribüne aufgelaufen - selbst für ein paar Sekunden. (lacht)

Gegen Gladbach spielte dann zunächst Götze im Sturm. Der traf zwar auch zur Führung, doch vier Minuten nach Gladbachs Ausgleich kamen Sie in die Partie. Waren Sie enttäuscht, dass Sie nicht von Anfang an gespielt haben?

Bajner: Das nicht, aber etwas gewundert hat es mich schon. Klar, Mario ist ein großer Star, daher konnte ich mich nicht beschweren, aber wir haben die gesamte Woche über mit mir als Stürmer trainiert. Daher hatte ich schon Hoffnungen. Vor allem aber darauf, diesmal endlich ein paar Minuten zu bekommen.

Hat Ihnen Klopp vor dem Spiel erklärt, warum er Sie nur auf die Bank setzt?

Bajner: Nein. Er ist der Boss, also muss er nichts erklären. In dieser Hinsicht bin ich immer relativ pflegeleicht gewesen. Und ich war ja grundsätzlich einfach nur glücklich, überhaupt dabei sein zu dürfen.

Bálint Bajner spielte insgesamt 19 Minuten für den BVB in der Bundesliga.
© getty

Wie erinnern Sie sich an die Momente unmittelbar vor der Einwechslung?

Bajner: Ich war mit den anderen beim Warmmachen neben dem Gladbacher Tor und wurde dann zur Bank gerufen. Obwohl es rückblickend betrachtet ja gar nicht so ungewöhnlich war, dass zu diesem Zeitpunkt des Spiels dann noch ein großer Stürmer eingewechselt wird, hat mich das in dem Moment total überrascht. Als ich bereit zur Einwechslung stand, war ich sehr nervös und habe nur gehofft, dass ich keinen Scheiß baue. (lacht) Kloppo sagte, ich solle mein Bestes geben und mich trotz des Spielstands nicht unter Druck setzen.

Es blieb schließlich beim 1:1, für den BVB waren das damals eher zwei verlorene Punkte. Sie kamen auf insgesamt zehn Ballaktionen. Wie erinnern Sie sich an das Spielgeschehen, was ist in den 19 Minuten passiert?

Bajner: Wir haben auf den Sieg gedrückt, besonders in den Minuten kurz vor Abpfiff, aber es war ein offenes Spiel. Es gab noch eine große Torchance für Gladbach, kurz darauf hat Sebastian Kehl eine gute Gelegenheit in der Nachspielzeit vergeben. Leider konnte ich mich nicht entscheidend in Szene setzen.

BVB: Bálint Bajner und seine Statistiken bei seinem Bundesliga-Debüt

KategorieWert
Ballaktionen10
Pässe7
Passquote57%
Abschlüsse0
Torschussvorlagen0
Zweikämpfe10
Zweikampfquote40%

Wie sah das Feedback von Klopp und Ihren Mitspielern nach dem Debüt aus?

Bajner: Unmittelbar danach gab es keines, denn ich musste direkt zur Doping-Kontrolle. Das war Wahnsinn. Ich saß dort mit Granit Xhaka. Er und ich konnten einfach nicht pinkeln, es hat zweieinhalb Stunden gedauert. Die ganze Mannschaft musste auf mich warten. Ich bin als Letzter in den Mannschaftsbus gestiegen. Dort haben mir die Kollegen gratuliert, aber es gab mit Kloppo kein Einzelgespräch oder so etwas. Ich bin ja auch davon ausgegangen, dass ich demnächst noch weitere Einsatzminuten bekommen werde.

Sie haben einmal gesagt, Sie seien sich damals schon sicher gewesen, dass Lewandowski einer der besten Stürmer der Welt würde. Wieso?

Bajner: Das war für mich zu 100 Prozent klar. Er war eine Maschine, wie ich sie nie zuvor und nie danach gesehen habe. Der war ja nie verletzt, nie! Er hat nicht nur auf dem Trainingsplatz, sondern auch sonst hart gearbeitet und seinen Körper gepflegt. Bei ihm ist es nicht nur sein Talent. Gerade seine Mentalität war sehr beeindruckend. Er hat nie aufgegeben und gab immer alles. Er hatte alles in sich, was es braucht, um ein Superstar zu sein.

Glauben Sie, Ihre Karriere wäre anders verlaufen, wenn Klopp längere Zeit Ihr Trainer gewesen wäre?

Bajner: Bestimmt. Schlechter wäre ich unter ihm gewiss nicht geworden. (lacht) Der entscheidende Punkt für mich ist aber: Ich hätte sicherlich mehr erreichen und auch weiterhin auf diesem Niveau spielen können, wenn ich nicht aus Deutschland weggegangen wäre. Das war ein Fehler. Ich hatte aber wie doch eigentlich jeder Spieler den Wunsch, eines Tages höherklassig in England zu spielen. Das Jahr in der Championship hat auch wirklich viel Spaß gemacht und war eine tolle Erfahrung. Im Nachhinein wäre ein Verbleib in Deutschland für meine Entwicklung aber wohl besser gewesen.

Bálint Bajner im Trikot von Ipswich Town gegen Southampton.
© getty

Ihr Vertrag in Dortmund lief aus und Sie sind im Sommer 2014 zu Zweitligist Ipswich Town gewechselt. Wie kam das zustande?

Bajner: Beim BVB sagte man mir, dass ich nicht mehr viel spielen werde und es daher besser ist, wenn ich mir einen neuen Verein suche. In meiner zweiten Saison bekam ich auch keinen Kaderplatz mehr bei den Profis und auch in der zweiten Mannschaft reduzierte sich meine Spielzeit. Schon im Januar stand ich kurz vor einem Wechsel zu den Bolton Wanderers, die ein Jahr zuvor noch in der Premier League spielten. Ich hatte dort sogar bereits den Medizincheck absolviert. Dortmund wollte aber zu viel Geld für mich, also haben sie entschieden, lieber zu warten und mich im Sommer ablösefrei zu holen. Allerdings sind sie plötzlich bis in die League One durchgereicht worden. Ich wurde dann zum Vorspielen bei Ipswich eingeladen und habe drei Tore in drei Testspielen erzielt. Dort hatte man auch Ambitionen auf den Aufstieg, daher klang das für mich sehr vielversprechend.

Für Ipswich spielten Sie nur sieben Mal und wechselten schon nach einem halben Jahr zu Ligakonkurrent Notts County. Wieso ging es in Ipswich so schnell zu Ende?

Bajner: Die Mannschaft war zu stark für mich. Das Team ist regelrecht geflogen, wir standen von Anfang an weit oben in der Tabelle. Mit David McGoldrick und Daryl Murphy gab es zwei tolle Stürmer, die regelmäßig trafen. Auch Verteidiger Tyrone Mings spielte dort, er war bis Sommer Kapitän von Aston Villa. Ich hatte keine Chance und war körperlich zu schwach. Es gab dann ein Spiel im FA Cup gegen Southampton, vor dem mir gesagt wurde, dass dort vier Vereine zuschauen und anschließend entschieden wird, zu welchem Klub ich leihweise wechseln könnte.

Auch bei Notts blieben Sie nur ein halbes Jahr. Sie haben sich in Ihrem Jahr in England aber beinahe unsterblich gemacht - das Stichwort lautet: No Bajner, no party. Alles begann damit, dass Sie bei Ihrem Debüt für Ipswich nach 44 Minuten von Trainer Mick McCarthy ausgewechselt wurden. Nach der Partie antworteten Sie auf die Frage, warum Sie so früh runter mussten: "Damit die Fans mir applaudieren können." Erzählen Sie!

Bajner: Es sollte ein Spaß sein und war ironisch gemeint. Ich war jung und habe immer das gesagt, was ich gedacht und gefühlt habe. Das war in diesem Geschäft leider nicht immer schlau. Manchmal hätte ich lieber zweimal nachdenken und mich nicht von den Emotionen leiten lassen sollen. Ich konnte ja aber nicht wissen, was ich mit dieser Antwort lostrat.

Zunächst noch: Was war denn der wirkliche Grund, weshalb Sie ausgewechselt wurden und McCarthy nicht bis zur Pause damit wartete?

Bajner: Warum er mir nicht noch diese eine Minute zugestand, weiß ich wirklich nicht. Eine gute Frage, darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht! (lacht) Ich war aber überhaupt nicht fit und einfach schlecht in diesem Spiel. Ich hatte Krämpfe, schon nach 20 Minuten war ich eigentlich kaputt. Es kam für mich auch überraschend, dass ich überhaupt in der Startelf stand.

Bálint Bajner (l.) bejubelt ein Tor für Notts County.
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Im Anschluss kamen Sie für Ipswich nur noch als Ersatzspieler zum Einsatz. Daraufhin wurde der Satz "No Bajner, no party" tausende Male auf der Facebook-Seite des Klubs gepostet, weil verärgerte Ungarn Ihre Rückkehr ins Team forderten. Es hieß, das habe daran gelegen, weil Sie Monate zuvor zu BVB-Zeiten in ungarischen Medien gesagt haben, der Fußball in Ihrer Heimat interessiere Sie nicht, weil dort das Niveau zu niedrig sei. Was war da genau los?

Bajner: Ich hatte im Radio gehört, dass der damalige ungarische Nationaltrainer auf mich angesprochen wurde und sagte, es reiche nicht, nur ein paar Minuten für Dortmund zu spielen. Das hat mich geärgert, denn ich war ja nicht bei irgendeinem Klub und hatte dort auch herausragende Konkurrenz. Deshalb habe ich emotional darauf reagiert und diese Dinge gesagt, was dann hohe Wellen schlug. Das hätte ich mir natürlich sparen können, aber es hat mich damals ziemlich aufgeregt, weil ich es ungerecht fand.

Nach Ihrem Wechsel zu Notts kulminierte die Sache mit "No Bajner, no party" so sehr, dass der Klub für einige Tage ganz Ungarn auf Facebook sperren musste, da die Posts überhand nahmen. Wie haben Sie davon erfahren?

Bajner: Vom Verein. Ich hatte keinerlei Ahnung. Ich bekam dann auch jemanden an meine Seite gestellt, der sicherstellen sollte, was ich sagen darf und was nicht. Mir wurde in den ersten Tagen geraten, mich nicht dazu zu äußern und auch nicht ans Telefon zu gehen. Ich wurde dann auch ins Büro zitiert, wo man mir sagte, dass ich mich davon nicht ablenken lassen und auf den Fußball konzentrieren soll. Das kam für mich schon unerwartet, denn ich habe ja nichts Schlimmes gemacht.

Im Februar 2015 erzielten Sie bei Leyton Orient das Tor zum 1:0-Sieg für Notts. Unter den Zuschauern waren einige hundert ungarische Fans, die aufgrund des Social-Media-Hypes extra wegen Ihnen kamen und sich im Gästeblock breitgemacht haben.

Bajner: Das werde ich niemals vergessen. Ich habe das erst mitbekommen, als ich zum Warmmachen aufs Feld kam. Ich war völlig verblüfft und konnte es nicht glauben. In London wohnen zwar viele Ungarn, aber die hätten an diesem Abend ja alle so viele andere Dinge in dieser Stadt tun können. Dann waren sie noch unglaublich laut und haben die gesamte Zeit gesungen. Das Tor zu schießen und beim Jubel auf diese Meute zuzurennen, war einfach unglaublich. Nach dem Spiel habe ich mich bedankt und mein Trikot verschenkt.

Nach drei Toren in 19 Pflichtspielen für Notts gingen Sie in Ihre Heimat zu Erstligist Paksi FC. Warum?

Bajner: Das war ein Fehler. Ich hätte Notts nicht verlassen dürfen, aber war der Meinung, dass ich es mit 24 Jahren vielleicht doch noch auf ein höheres Niveau schaffen kann. Ich war dann bei zwei, drei italienischen Klubs, die in der Serie B spielten. Bei einem Verein sah es auch gut aus und ich hätte unterschreiben können, doch sie haben sich in letzter Minute für einen anderen Stürmer entschieden. Leider ist dann meine Mutter an Krebs erkrankt und später daran verstorben, weshalb ich in ihrer Nähe sein wollte und nach Ungarn zurückging.

Nach etwas mehr als einem halben Jahr bei Paksi wechselten Sie zum FC Modena nach Italien. Dort war die argentinische Stürmer-Legende Hernan Crespo Ihr Trainer - allerdings nur für ein paar Tage.

Bajner: Ich habe ihn leider kaum gesehen, er wurde kurz darauf entlassen. Der Verein stieg dann in die Serie C ab. Das verursachte erhebliche finanzielle Probleme. Ich war schließlich nur sieben Monate dort, weil ich es auf mich zukommen sah, dass der Verein bankrott gehen würde. Das passierte dann auch ein paar Monate nach meinem Abgang. Es lief dort ziemlich unglücklich für mich.

Bálint Bajner während seiner zweiten Zeit beim BVB mit Trainer Jan Siewert.
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Sie waren dann zunächst vereinslos, ehe Sie im Sommer 2017 erneut bei der zweiten Mannschaft des BVB anheuerten. Wie überraschend kam das abermalige Angebot aus Dortmund für Sie?

Bajner: Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. Ingo Preuß, der Teammanager, hat aber mitbekommen, dass ich ohne Klub war und rief mich plötzlich an. Ich war begeistert und bin sehr gerne zurückgekehrt. Ich weiß noch, wie ich an einem der ersten Abende in ein Restaurant ging und dort auf einmal Pierre-Emerick Aubameyang wiedertraf. Ich hatte ihn ein paar Jahre nicht mehr gesehen. Er strahlte, nahm mich in die Arme und lud mich an seinen Tisch ein. Ein sehr herrlicher Typ mit einem guten Charakter. Ab und zu ließ er uns auch in seinen Lamborghini sitzen und staunen. (lacht)

Beim BVB bekamen Sie einen Zweijahresvertrag. Wieso dauerte es aber bis zum Februar 2018, bis Sie Ihr erstes Spiel absolvierten?

Bajner: Ich habe mir in einer der ersten Trainingseinheiten eine Rückenverletzung zugezogen, die sehr hartnäckig war. Ich bekam jeden Tag gleich mehrere Spritzen, aber es wurde lange Zeit einfach nicht besser. Allerdings stellte sich schnell heraus, dass ich nicht wirklich gut in die Mannschaft passte. Ich hatte zehn Kilogramm mehr Muskelmasse als zu meiner ersten Zeit und pflegte mittlerweile auch durch den Aufenthalt in England einen anderen Spielstil.

Sie kamen schließlich auf 13 Einsätze und ein Tor in der Regionalliga West, standen aber nur zweimal in der Startelf. Nach einem Jahr war im Sommer 2018 schon wieder Schluss. Wieso?

Bajner: Weil man immer mehr auf junge Spieler gesetzt hat. Ich war damals 27. Es wurde entschieden, noch häufiger die Talente einzusetzen. Das bedeutete für mich weniger Spielzeit. So läuft es eben im Fußballgeschäft. Jeder will spielen, aber das geht nicht immer und überall. Solche Entwicklungen gehören zu den Gründen, warum viele Spieler in ihrer Karriere oft den Klub wechseln müssen.

Wenn Sie auf Ihre gesamte Zeit in Dortmund zurückschauen, an welche Geschichte abseits des Platzes erinnern Sie sich am liebsten?

Bajner: Nach meiner Rückkehr zum BVB musste ich Jadon Sancho oft morgens vor dem Training mit dem Auto abholen. Ich sprach Englisch, kannte die Situation, in ein fremdes Land zu kommen und er hatte noch keinen Führerschein. Jadon war gerade in Deutschland angekommen und musste sich noch an all die neuen Umstände gewöhnen. Daher hat er einige Male verschlafen und kam zu spät. Er ließ mich meist zehn, 20 Minuten im Auto warten und hat dort dann noch fast weitergepennt. (lacht) Ich hätte nie gedacht, dass er so schnell ein solch großer Spieler wird. Man hat zwar erkannt, er hat hohe Qualität, aber dass seine Entwicklung so zügig voranschreitet und er diese verrückten Scorerwerte abliefert, war nicht abzusehen.

Bálint Bajner schoss für den BVB II zehn Tore und bereitete fünf Treffer vor.
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Was passierte mit Ihnen danach? Offenbar hatten Sie zwei Jahre lang keinen Verein, bis Sie im September 2020 nach Ungarn zu Pécsi MFC wechselten.

Bajner: Ich war auf der Suche. Excelsior Rotterdam hatte Interesse, doch dort wird auf Kunstrasen trainiert, was nach meiner Rückenverletzung schlecht für mich gewesen wäre. Dann kam die Geschichte mit den Kaizer Chiefs unter Middendorp. Das klappte letztlich wegen der Pandemie nicht, weil ich während des Lockdowns keine Arbeitserlaubnis in Südafrika bekommen hätte. Auch bei Pécsi lief es bescheiden, denn zwei Wochen nach meiner Unterschrift habe ich Corona bekommen - damals noch ohne Impfung - und war ganze zwei Monate lang positiv. Ich konnte in der Zeit nicht trainieren, hatte riesigen Rückstand und als ich dann wieder loslegte, erlitt ich die Schambeinentzündung. Corona hat meine Karriere wirklich ausgebremst, anders kann ich das nicht sagen.

Wie schauen Sie nun, nach eineinhalb Jahren ohne Verein, in die Zukunft?

Bajner: Nachdem mein Vertrag bei Pécsi auslief, hatte ich in jedem Transferfenster Angebote - aus der 2. Liga in Ungarn, der Slowakei, aus Frankreich. Ich habe das aber alles abgelehnt, weil ich es moralisch nicht vertretbar finde, Geld zu kassieren, aber noch nicht hundertprozentig fit zu sein und kaum trainieren zu können. Nach eineinhalb Jahren mit Verletzungen, Einzeltraining und einer unklaren Zukunft muss ich jetzt in Bälde eine endgültige Entscheidung treffen, wie es weitergeht.

Es ist also auch ein Karriereende vorstellbar?

Bajner: Ja. Entweder steige ich in Ungarn wieder in ein Mannschaftstraining ein, trainiere ein paar Wochen und schaue, ob ich auf ein Niveau komme, mit dem ich zufrieden bin und an dem ich Freude habe. Ich bin noch sehr motiviert und habe auch die nötige Mentalität in mir, sodass ich denke, in manchen Ligen noch mithalten zu können. Oder aber ich hake den Fußball ab und kümmere mich um unsere verschiedenen Familiengeschäfte in Südafrika. Dort leben mein Bruder und Onkel. Sie haben einige Firmen, da könnte ich mich noch mehr einbringen. Ich bin sehr zwiegespalten, aber ich muss mich jetzt wirklich entscheiden, damit ich mich zu 100 Prozent auf eine Sache konzentrieren kann.