Handball-WM - DHB-Präsident Andreas Michelmann im Interview: "Die Herangehensweise der Politik ist teilweise amateurhaft"

Andreas Michelmann ist DHB-Präsident und Oberbürgermeister von Aschersleben.
© imago images/Hartenfelser

Die deutsche Nationalmannschaft startet am Freitag (18 Uhr) gegen Uruguay in die Handball-Weltmeisterschaft in Ägypten. Vor dem Auftakt sprach DHB-Präsident Andreas Michelmann im Interview mit SPOX über seine Sorgen aufgrund der allgemeinen Corona-Situation und die wichtigsten Argumente für die Austragung des Turniers.

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Der 61-jährige Oberbürgermeister von Aschersleben (Sachsen-Anhalt) äußerte sich außerdem zur WM-Kritik aus der Bundesliga, Sicherheitsvorkehrungen seitens des DHB und zum Unterschied zwischen Politik und Leistungssport im Umgang mit Corona-Regeln.

Herr Michelmann, am Dienstag hat für das DHB-Team mit dem Abflug nach Ägypten das WM-Abenteuer begonnen. Herrscht aufgrund der allgemeinen Corona-Situation mehr Sorge oder mehr Vorfreude?

Michelmann: Es ist eine Mischung aus Vorfreude und ein wenig Sorge. Trotzdem sind alle, die sich für die WM-Teilnahme entschieden haben, guter Stimmung. Wir als Deutscher Handballbund und vor allem unser Bundestrainer Alfred Gislason haben die Entscheidungen in Sachen Teilnahme oder Absage von Einzelnen akzeptiert, unsere Schlüsse daraus gezogen und dann nach vorne orientiert gehandelt. Diesen Eindruck habe ich von allen, die dem Tross angehören werden.

Wer von den DHB-Funktionären wird Teil dieses Trosses sein?

Michelmann: Axel Kromer als Vorstand Sport und Delegationsleiter, Vizepräsident Bob Hanning und ich.

Machen Sie sich für sich persönlich Sorgen wegen Corona?

Michelmann: Ein gewisses Risiko besteht selbstverständlich auch für mich, dessen bin ich mir bewusst. Allerdings sehe ich es für mich so, dass das gesamte Leben ein gewisses Risiko mit sich bringt. Glücklicherweise bin ich erwachsen und kann für mich selbst entscheiden, welches Risiko ich eingehen möchte und welches nicht.

Derzeit wird heiß diskutiert, ob es in Zeiten wie diesen - egal an welchem Ort - vertretbar ist, ein Turnier mit 32 Nationen auszutragen. Was sind für Sie die wichtigsten Argumente für die WM?

Michelmann: Jeder muss für sich in dieser schwierigen Zeit selbst entscheiden, inwieweit er Risiken eingehen oder bestimmte Chancen nutzen möchte und vielleicht auch muss. Das betrifft auf Handball bezogen den DHB, die HBL, die EHF und die IHF. Bei der EM der Frauen wurde nicht halb so heftig diskutiert wie jetzt. Und ich empfinde den Unterschied zwischen 16 und 32 Mannschaften als nicht so dramatisch. Vor allem wenn man bedenkt, dass Dänemark bei der Frauen-EM ganz kurzfristig auf seinen Co-Gastgeber Norwegen verzichten musste und innerhalb von zwei Wochen eine Lösung gefunden hat, das Doppelte an Mannschaften aufzunehmen. Sie haben das perfekt gemeistert und bewiesen, dass man derzeit entgegen aller Unkenrufe eine Großveranstaltung in einer Hallensportart durchführen kann. Aus der HBL gab es Stimmen, wonach sie die EM ganz genau beobachten werden. Für diese ganz genaue Beobachtung waren mir die Stimmen, die das Positive an der EM gesehen haben, deutlich zu leise. Gleichzeitig sind die kritischen Stimmen überhaupt nicht verstummt. Ich habe den Eindruck, dass es manchen ums Prinzip geht und nicht darum, ob etwas möglich ist oder nicht.

Andreas Michelmann ist DHB-Präsident und Oberbürgermeister von Aschersleben.
© imago images/Hartenfelser
Andreas Michelmann ist DHB-Präsident und Oberbürgermeister von Aschersleben.

Andreas Michelmann: "Das ist der falsche Weg"

Ist es nicht verständlich, dass jeder versucht, für sich das Bestmögliche herauszuholen?

Michelmann: Teilweise kann ich es verstehen. Aber ich sage ganz klar: Das ist der falsche Weg! Meiner Meinung nach hat die Corona-Zeit gezeigt, dass es besser und erfolgreicher ist, gemeinsame Lösungen zu suchen. Das haben wir als DHB gemacht, als es für die Klubs um die Coronahilfen ging. Die Initiative ging zwar von der Politik aus, aber wir haben die Politik gleichzeitig massiv darum gebeten, die Klubs finanziell zu unterstützen. Glücklicherweise hat das auch stattgefunden. Der DHB hat schnell erkannt, dass auch wir auf Dinge verzichten müssen. Stichwort Freundschaftsspiele, Stichwort Länderspiele im Nachwuchsbereich und so weiter. Wir haben die Profiklubs bestmöglich unterstützt. Deshalb erwarte ich im Umkehrschluss, dass es auch Verständnis für unsere Interessen gibt.

Um welche Interessen geht es dabei konkret. Um Geld?

Michelmann: Eine WM bringt dem DHB nicht unmittelbar Geld, eine WM-Teilnahme kostet zunächst einmal. Aber es ist so, dass Sponsoring nicht mit Geldverschenken gleichzusetzen ist. Sponsoring bedeutet, dass Sponsoren eine gewisse Gegenleistung erwarten. Das heißt für den DHB, seine Nationalmannschaften öffentlichkeitswirksam zu präsentieren. Dafür sind Großturniere wie eine WM oder EM das wichtigste Werkzeug.

Aus der HBL gab es teilweise heftige Kritik an der WM. Beispielsweise sagte der Aufsichtsratschef des HC Erlangen, Carsten Bissel, die Bubble in Ägypten sei "ein Witz" und das Hygienekonzept spotte "jeder Beschreibung". Woher hat Herr Bissel seine Informationen?

Michelmann: Diese Frage stelle ich mir auch. Ich weiß nicht, ob Herr Bissel die Blase in Dänemark auch als Witz bezeichnet hat. Sie war nämlich ganz offensichtlich kein Witz. Man muss doch sehen, dass es auch in der HBL keine hundertprozentige Sicherheit gibt, sonst hätte es nicht den einen oder anderen Coronafall auch außerhalb von Länderspielen gegeben. Das ist kein Vorwurf, weil bei allen überzeugenden Hygienestandards, die es in der HBL zum Glück gibt, die Spieler ja trotzdem Kontakt zu ihren Familien haben.

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