Handball-EM - DHB-Rückfall in alte Zeiten: Mit Vollgas in die spanische Falle

Deutschland hat sein zweites EM-Spiel krachend gegen Spanien verloren.
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Deutschland hat sich bei der EM in Norwegen, Schweden und Österreich eine 26:33-Packung gegen Spanien abgeholt. Dabei tappt das DHB-Team in eine altbekannte Falle. Die Einstellung der Spieler lässt zu wünschen übrig, zwei Entscheidungen von Bundestrainer Christian Prokop entpuppen sich als Fehler.

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Torhüter Andreas Wolff war den Tränen nahe, Kapitän Uwe Gensheimer feuerte wutentbrannt sein Handtuch durch die Gegend und der Rest der Truppe blickte fassungslos ins Leere: Die deutsche Nationalmannschaft hat sich bei der Klatsche gegen Spanien in Trondheim in desaströser Verfassung präsentiert.

Es war der wahrscheinlich schlechteste und blutleerste Auftritt des DHB-Teams seit dem 24. Januar 2018. Damals unterlag die deutsche Auswahl zum Abschluss der EM-Hauptrunde im kroatischen Varazdin nach katastrophaler Performance mit 27:31. Der Gegner damals wie heute: Spanien.

Das Turnier war damit beendet, es folgten monatelange Diskussionen um Prokop. Diesmal kann man dem Bundestrainer definitiv nicht die alleinige Schuld in die Schuhe schieben. Erstens ist das Turnier längst noch nicht gelaufen. Zweitens sind für Einstellung und Kampf immer noch die Spieler selbst verantwortlich.

"Es ist ziemlich ernüchternd", sagte Kreisläufer Hendrik Pekeler gegenüber handball-world: "Es gab keine Emotionen. Natürlich ist es schwierig, bei acht Toren Rückstand Emotionen zu zeigen, aber man kann sich zumindest wehren. Das haben wir leider nicht gemacht."

DHB-Team tappt in die spanische Falle

Dabei spielte Spanien - mit der Ausnahme des bärenstarken Alex Dujshebaev (7 Tore bei 7 Würfen) - nicht einmal außergewöhnlich gut. Der Titelverteidiger bekam von Gonzalo Perez de Vargas (34 Prozent gehaltene Würfe) wie eigentlich immer eine ordentliche Torhüterleistung.

Mit ihrer offensiven, aggressiven Abwehr stellten die Iberer wie immer Fallen, um schwierige Würfe des Gegners oder Ballverluste zu provozieren und dann über Tempogegenstöße zu leichten Toren zu kommen. Spanien war einfach Spanien - wie immer. Diese solide Leistung genügte, um Deutschland komplett den Schneid abzukaufen.

"Es ist genau das eingetreten, wovor Christian uns gewarnt hat und was wir wussten. Wir haben genau die Fehler gemacht, die die Spanier haben wollten", stellte Pekeler, der mit fünf Toren aus fünf Versuchen bester DHB-Werfer war, völlig bedient fest.

Prokop: "Eine unterirdische Angriffsleistung"

Das DHB-Team leistete sich direkt in der Anfangsphase zahlreiche technische Fehler, spielte ungeduldig und schloss entsprechend überhastet ab. Am Ende stand eine lausige Gesamttrefferquote von 59 Prozent für den Europameister von 2016 zu Buche. Die Spanier versenkten dagegen 77 Prozent ihrer Würfe.

"Wir sind sehr enttäuscht wegen unserer Leistung im gesamten Spiel. Wir kommen direkt schlampig rein, obwohl wir sehr gut vorbereitet waren. Es war eine unterirdische Angriffsleistung. Der Gegner war uns in allen Belangen überlegen", sagte Prokop.

Nach dem Fehlstart und dem zwischenzeitlichen 4:10-Rückstand kämpften sich die Deutschen mit einem 5:0-Lauf auf ein Tor heran. Doch anstatt das Spiel zu drehen, was gegen zu diesem Zeitpunkt mäßige Spanier durchaus möglich gewesen wäre, kehrte der Schlendrian mit voller Wucht zurück.

Das DHB-Team traf im zweiten EM-Spiel auf Spanien.
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Das DHB-Team traf im zweiten EM-Spiel auf Spanien.

Gensheimer lange auf der Bank - Wolff ganz schwach

"Wir können stolz sein, dass wir uns über die aggressive 3-2-1-Deckung durch Ballgewinne zurückgekämpft haben. Wir waren aber nur zwischen der 15. und der 30. Minute besser als Spanien. Wir haben letztlich verloren, weil wir zu viele Zweikämpfe verloren haben. Das müssen wir akzeptieren", meinte Gensheimer (4 Tore bei 7 Würfen).

Der Capitano zeigte erneut eine teilweise unglückliche Vorstellung. Wie schon im Auftaktspiel gegen die Niederlande, wo er bereits in der ersten Hälfte nach einem Strafwurf ins Gesicht des Torhüters die Rote Karte gesehen hatte, verwarf er auch diesmal zwei Siebenmeter.

Nach dem Seitenwechsel setzte der Bundestrainer seltsamerweise überhaupt nicht mehr auf den Mann von den Rhein-Neckar Löwen. Stattdessen durfte sich fast 29 Minuten lang Patrick Zieker (0 von 1) erfolglos auf Linksaußen versuchen.

Ebenso fragwürdig war Prokops Entscheidung, Wolff nach seiner schlechten Leistung in der Anfangsphase zu Beginn der zweiten Halbzeit erneut einzuwechseln - obwohl Jogi Bitter seine Sache bis dato ordentlich machte. Wolff hielt zwischen der 30. und 42. Minute keinen einzigen Ball und stand letztlich bei einer unterirdischen Quote von 6 Prozent gehaltener Bälle (1 von 16). Bitter kam immerhin auf 26 Prozent (6 von 23).

"Wir haben in der Abwehr inklusive Torhüter nicht das gezeigt, was man in so einem Spiel braucht", sagte Prokop.

Zerfall in der Schlussphase "enttäuschend"

Noch schmerzlicher war allerdings der Zerfall der Mannschaft in der Schlussphase der Partie. Zwischendurch lag Deutschland mit zehn Toren Differenz zurück, was die höchste Pleite eines DHB-Teams bei einer EM überhaupt bedeutet hätte.

"Wie wir uns in der letzten Viertelstunde beziehungsweise in den letzten 20 Minuten präsentiert haben, war enttäuschend", befand Pekeler. "Das haben wir uns anders vorgestellt. Spanien wollte einfach mehr als wir", sagte Patrick Wiencek und schob hinterher: "Aber das Turnier ist noch nicht vorbei."

Handball-EM: Die aktuelle Tabelle der Gruppe C

PositionTeamSpieleSiegeNiederlagenToreDifferenzPunkte
1Spanien22066:48184:0
2Deutschland21160:5642:2
3Niederlande21155:58-32:2
4Lettland20246:65-190:4

So zieht Deutschland in die Hauptrunde ein

Damit hatte der Kreisläufer natürlich recht. Der Einzug in die Hauptrunde ist nach wie vor wahrscheinlich und wäre bei einem Sieg gegen den krassen Außenseiter Lettland (Mo., 18.15 Uhr im LIVETICKER) sicher. Sollte Deutschland nur unentschieden spielen, ist man auf Schützenhilfe der Spanier angewiesen, die in dem Fall ihr letztes Gruppenspiel gegen die Niederlande nicht verlieren dürften.

Bitter bleibt aber: Das DHB-Team würde definitiv ohne Punkte nach Wien reisen und würde damit sehr wahrscheinlich vier Siege aus vier Spielen benötigen, um noch eine Chance auf das Halbfinale zu haben.

Vom Halbfinale wollte nach der Schmach gegen Spanien aber ohnehin niemand sprechen.

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