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"Mafiöser Haufen": WM-Kritik hat neues Level erreicht

SID
WM 2022, Katar, Boykott
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Zwei Monate vor dem Start der Fußball-WM steht die Diskussion um Gastgeber Katar auch beim DFB wieder im Mittelpunkt.

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Gianni Infantino der "Chefzyniker" eines "mafiösen Haufens", der Ausrichter ein systematischer Unrechtsstaat - und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) mehr denn je in der Pflicht. Zwei Monate vor dem Start der Fußball-WM in Katar (20. November bis 18. Dezember) hat die Kritik am Ausrichter und am Weltverband FIFA noch einmal ein neues Level erreicht.

Beim WM-Menschenrechtskongress auf dem DFB-Campus in Frankfurt/Main wurde das Ausmaß der Entrüstung komprimiert wie nie zuvor deutlich. Prominente Vertreter aus der Politik, von Gewerkschaften, unabhängigen Organisationen sowie Fangruppierungen beschrieben am Montag ungeschönt die Lage - gleichzeitig erhöhten sie den Druck auf die FIFA um ihren Präsidenten Infantino und das Emirat.

Vor allem bei der Entschädigung für die Angehörigen von Arbeitern, die auf WM-Baustellen gestorben sind oder verletzt wurden, soll sich die FIFA endlich bewegen. Die Gewerkschaft Bau- und Holzarbeiter Internationale (BHI) verlangt vom Weltverband als "großem Profiteur der WM" die Einrichtung eines Fonds in Höhe von 440 Millionen US-Dollar.

DFB-Präsident Neuendorf: "Fifa muss eigene Grundsätze ernst nehmen"

DFB-Präsident Bernd Neuendorf, der gemeinsam mit Innenministerin Nancy Faeser bei einer Reise nach Katar im Oktober die Kritikpunkte ansprechen möchte, unterstützt die Einrichtung eines solchen Fonds. "Die FIFA muss ihre eigenen Grundsätze ernst nehmen und danach leben", sagte der DFB-Chef.

Wesentlich deutlichere Worte fanden allerdings andere Kongress-Teilnehmer. Dario Minden kritisierte in seiner Rolle als 2. Vorsitzender der Fangruppierung "Unsere Kurve" die FIFA als "mafiösen Haufen" und Infantino als "Chefzyniker".

Geschäftsführer Christian Mihr von "Reporter ohne Grenzen" beschrieb Katar als "absolute, autokratische Monarchie", die durch ihre Investitionen in Sport sowie Medien die kritische Lage hinsichtlich von Presse- und Meinungsfreiheit "verschleiern" möchte. Das Land, das in der Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 119 (von 186) liegt, unterbinde unabhängigen Journalismus und investiere in Internet-Überwachung.

BHI-Vizepräsident Dietmar Schäfers kritisierte wie Luise Amtsberg, die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, die schleppende Umsetzung von Reformen in Katar. Die norwegische Verbandspräsidentin Lise Klaveness und Generalsekretär Markus Beeko von Amnesty International Deutschland bemängelten die fehlende Verantwortung der FIFA bei der Endrunden-Vergabe.

Fanvertreter: "Schämen uns über Käuflichkeit und Ausbeutung"

Am klarsten bezog aber Minden Stellung. "Als Menschen, die den Fußball lieben, schämen wir uns über die Käuflichkeit und die Ausbeutung, die rund um das Turnier stattfinden", sagte der Fanvertreter: "Menschenrechte werden plötzlich wieder Verhandlungsmasse - nur weil der Gegenüber genug Geld hat."

Auch den DFB kritisierte Minden heftig. "Es ist nicht nachvollziehbar, warum niemals ein Boykott ernsthaft erwogen wurde. Damit wurde das verheerende Signal gesendet, dass wir doch eh kommen", äußerte der Jurist.

Als Konsequenz verlangt "Unsere Kurve" vom DFB, dass er nun "Teil einer progressiven Allianz" werden müsse, damit sich die Anhänger "auf solche Fußball-Feste wieder freuen" könnten und Mindeststandards bei künftigen Turniervergaben eingehalten werden. Zudem müsse der Verband auf jegliche WM-Gewinne verzichten, um sich nicht an der Endrunde zu bereichern. Sämtliche Erlöse sollten den "Entrechteten" zur Verfügung gestellt werden.

Derart in die Defensive gedrängt, hatte Katars Botschafter in Deutschland, Abdulla Bin Mohammed bin Saud Al-Thani, alle Hände mit der Verteidigung seines Landes zu tun. Dabei betonte er, dass Katar Reformen eingeleitet habe, auf dem "richtigen Weg" sei, aber "noch Zeit" brauche.

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