"kicker meets DAZN - Der Fußball Podcast" - Ilkay Gündogan: "War nie der Typ Oliver Kahn"

Von Alexander Schlüter, Benny Zander
Ilkay Gündogan kommt in dieser Saison auf 21 Einsätze für Manchester City in der Premier League.
© getty

Ilkay Gündogan war in der neuen Ausgabe von "kicker meets DAZN - Der Fußball-Podcast" bei Alexander Schlüter und Benny Zander zu Gast. Dabei sprach er über seine Entwicklung zum Mittelfeldstrategen, seinen Trainer Pep Guardiola und die Premier League.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Außerdem äußerte er sich zu seiner sportlichen Zukunft und verrät, welcher Spieler ihn am meisten beeindruckt hat.

Ilkay Gündogan über ...

... die körperliche Belastung der vielen englischen Woche: "Im Vergleich zu den vielen Spielen im Dezember und Anfang Januar nimmt die Intensität gerade ein bisschen ab. Dafür nimmt aber die Qualität der Gegner zu. Das ist dann eher eine psychische Belastung."

... seine Entwicklung zum Mittelfeld-Strategen: "In der Jugend war ich lange Stürmer. Dann bin ich auf die ‚10' zurückgerutscht, wie zum Beispiel in Nürnberg. So richtig begann es erst bei Borussia Dortmund, unter Jürgen Klopp, auf der Doppel-Sechs. Das spiele ich heute auch noch, aber bei Manchester City meist alleine. Ich habe mich sehr daran gewöhnt. Ich habe viel mehr Bälle, kann viel mehr antreiben und es gibt mir insgesamt ein gutes Gefühl."

... über sein bestes Spiel: "Es gibt ein Spiel, da erinnere ich mich nicht an Details, aber vom Gefühl war es eines meiner besten Spiele. Das war 2012 in Dortmund gegen den VfB Stuttgart. 4:4 war der Endstand. Wir haben 2:0 geführt und ich wurde nach 60 Minuten ausgewechselt, wohl auch, um mich für die Champions League zu schonen. Das Spiel ist danach komplett abgegangen. Aber in den 60 Minuten, die ich gespielt habe, hat es sich für mich sehr vollkommen angefühlt."

... über den Wert seiner Position fürs Team: "Das kommt auf den Blickwinkel an. Ich würde sagen, dass meine Position nicht so anspruchsvoll ist, wie der Rechtsverteidiger oder Stürmer. Das liegt einfach daran, dass ich mit dieser Position gewachsen bin. Aber wenn man zentral spielt, passiert einfach überall etwas. Ob vor einem oder dahinter, links oder rechts. Man muss immer in Bewegung und aufmerksam sein. Deshalb schaue ich auch permanent über meine Schulter und versuche die Situation zu analysieren, um mir das Leben schon früh so einfach wie möglich zu machen."

Ilkay Gündogan wechselte 2016 vom BVB zu Manchester City.
© getty
Ilkay Gündogan wechselte 2016 vom BVB zu Manchester City.

Gündogan: "War nie der Typ Oliver Kahn, der einen direkt anschreit"

... über die Taktik des Gegners gegen ihn: "In dieser Saison gab es das Heimspiel gegen Leicester, das wir 3:1 gewonnen haben. Da stand mir der James Maddison immer auf dem Fuß. Ich konnte den Ball nur schnell klatschen lassen. Nach unserer Führung wollte Leicester mehr Druck ausüben und hat nicht so gepresst. Da hatte ich wieder mehr Ballkontakte. Das brauche ich für mein Spiel. Ich muss das Gefühl haben, im Spiel drin zu sein. Über die Anzahl der Ballkontakte definiere ich mich ja auch irgendwo. Dabei muss ich immer sehen, dass ich den Raum, den ich besetzen soll, nicht verlasse."

... über seine Rolle im Team von City: "Wenn es gut läuft, hört man von mir nicht viel. Wenn ich aber merke, dass es schlechter läuft, dann versuche ich, ein wenig lauter zu werden. Ich war nie der Typ Oliver Kahn, der einen direkt anschreit. Das werde ich auch nie. Aber ich sage dann schon was. Ich finde auch, dass man eine Führungsrolle übernimmt, wenn man in schwierigen Situationen den Ball fordert und haben will. Darüber definiere ich mich. In Besprechungen, wenn die Emotionen runtergekocht sind, dann sage ich auch gern was.""

... über seine variable Spielweise bei City: "Es kommt schon darauf an, wer neben mir steht. Aber ich würde meine Spielweise nicht komplett verändern, je nachdem, wer mit mir aufläuft. Ich will mir irgendwie treu bleiben. Ich versuche nicht ein Spiel zu spielen, das ich eigentlich nicht kann. Dafür kennt mich der Trainer auch zu gut. Ich versuche keine Zauberdinge, von denen ich weiß, dass ich sie nicht kann. Ich möchte die kleinen Dinge, die ich mache, möglichst perfekt machen."

... über die Gegner-Analyse von Pep Guardiola: "Wir versuchen, jeden Gegner zu analysieren. Egal ob das Liverpool, ein Zweit- oder Viertligist ist. Bei unterklassigen Gegnern ist das ein bisschen einfacher, weil man weiß, dass sie viel mit langen Bällen operieren werden. Da ist es wichtig, fokussiert zu sein, um die zweiten Bälle rund um unseren Strafraum - und damit den Torschuss - zu verhindern. Andere Teams, wie zum Beispiel Leicester, wollen immer von hinten herausspielen. Auch bei uns in Manchester. Das findet Pep Guardia geil, wenn der Gegner auch Fußball spielen will. Da gibt es große Unterschiede. Im Spiel mit Ball versuchen wir immer, Überzahl aufzubauen. Da muss selbst unser Torwart anlaufen, wenn er frei ist. Denn damit zieht er den Gegner raus und macht einen anderen Mitspieler frei. Das ist unser Prinzip, mit dem wir arbeiten. Das macht Spaß. Das dauert eine gewisse Zeit, das zu lernen, aber dann ist das sogar recht einfach."

Ilkay Gündogan: "Pep war mit der Hauptgrund, dass ich zu City gewechselt bin"

... über die taktischen Ansprachen von Pep Guardiola: "Wir vertrauen darauf, unsere Stärken gegen jeden Gegner auszuspielen. Wir sprechen auch eher über die positiven Dinge des Gegners, als über die negativen. Klar gibt es in den Aufzählungen der PowerPoint-Präsentationen zu jedem Spieler ein paar negative Punkte. Aber die werden von Pep nicht in der Ansprache erwähnt, sondern da geht es eher um die Taktik insgesamt. Das Motto ist, keinen Gegner zu unterschätzen."

... über Pep Guardiola als Trainer: "Wenn für einen alles neu ist, ist es schwieriger, ihn zu verstehen. Nicht nur auf der fußballerischen Ebene, sondern auch auf der persönlichen. Man hat es ja gehört: Es gibt die, die ihn lieben. Aber es gab auch Leute, die Schwierigkeiten mit ihm hatten. Ich mache mir lieber ein eigenes Bild und Pep war mit der Hauptgrund, dass ich zu City gewechselt bin. Ich bin jetzt auch sehr froh, wie es läuft, sowohl privat als auch sportlich."

... über das erste Treffen mit Pep Guardiola: "Bei unserem ersten Treffen haben wir natürlich sehr viel über Fußball gesprochen. Aber er mag es auch total gern, sich über private Themen zu unterhalten. Er fragt in Vier-Augen-Gesprächen immer, wie es der Familie geht und wie es sonst so läuft. Das ist für ihn wichtig. Als David Silvas Sohn vor zwei Jahren gesundheitliche Probleme hatte, ging ihm das nahe, da hat er sehr mitgelitten. Als Trainer fordert er sehr viel von seinen Spielern. Aber das muss auch so sein als Weltklasse-Trainer. Das war unter Klopp in Dortmund ähnlich. Das ist eine Qualität für einen Trainer."

... über die Anpassung an die Premier League: "Ich hatte nicht wirklich Probleme. Ich bin nur noch einmal eine Position weiter zurückgerutscht und spiele alleine auf der Sechs. Ich definiere mich nicht über das physische Spiel, aber ich muss natürlich eine Grundaggressivität zeigen."

Gündogan: "Stimmung in den Stadien ist in Deutschland viel besser"

... über die Atmosphäre in der Premier League und der Bundesliga: "Die Stimmung in den Stadien ist in Deutschland viel besser. Das allein macht schon viel und gibt eine gewisse Duftnote. Dortmund ist dabei sicherlich das beste Stadion in Europa. In England kommt die Stimmung von Aktion zu Aktion. Da muss schon etwas passieren, ansonsten ist es sehr leise. Das möchte ich gar nicht kritisieren, aber das ist einfach eine andere Stimmung. Die Leute sind aber nicht so verbissen. Die eigene Mannschaft wird eigentlich nie ausgepfiffen."

... über das sportliche Niveau in der Bundesliga und der Premier League: "Durchschnittliche Teams in der Bundesliga müssen sich nicht vor den durchschnittlichen Teams aus der Premier League verstecken. Das gilt vor allem für die Taktik und den Spielaufbau. Das liegt aber auch daran, dass sich so Mannschaften wie zum Beispiel Southampton oder Burnley gar nicht mit viel Geplänkel im Mittelfeld aufhalten wollen. Sie wollen möglichst schnell vors Tor. Deshalb denkt man, dass es ein taktisch schwächeres Niveau ist. Dabei ist es schön, viele Strafraum-Szenen zu haben. Im Gegensatz dazu versuchen zum Beispiel Mainz und Augsburg immer hinten herauszuspielen. Das sieht dann gut aus, aber man denkt sich oft, es könnte ein bisschen mehr los sein und ist für den neutralen Zuschauer nicht so interessant."

... über den Spieler, der ihn am meisten beeindruckt hat: "Da gab es eigentlich nur einen: Mario Götze. Als ich von Nürnberg zum BVB gewechselt bin und Mario das erste Mal im Training gesehen habe, dachte ich bloß, wow, wie soll man diesem Jungen den Ball wegnehmen. Das waren unglaubliche Dinge, die er damals gemacht hat. Das war Weltklasse, und das von einem 18-Jährigen. Diese Geschichte erzähle ich heute noch meinen Freunden."

Mario Götze und Ilkay Gündogan spielten zusammen beim BVB unter Trainer Jürgen Klopp.
© getty
Mario Götze und Ilkay Gündogan spielten zusammen beim BVB unter Trainer Jürgen Klopp.

Gündogan über Zukunft: "Türkei würde ich nicht ausschließen"

... über sein Vorbild in der Jugend: "Was Kaka von AC Mailand früher gespielt hat, das fand ich schon richtig geil. Er war extrem dynamisch, auch mit Ball, und hat in Tempo-Dribblings den Gegner aussteigen lassen. Es sah alles so einfach aus, was er gemacht hat. Den habe ich versucht, ein wenig nachzuahmen."

... über Lionel Messi: "Gegen ihn zu spielen, fühlt sich nicht gut an (lacht). Er verliert einfach keinen Ball. Er trifft immer die richtigen Entscheidungen. Man hat immer das Gefühl, dass er ganz allein entscheidet, wann er das Tor schießen will und wann nicht, je nachdem, wie er gerade Lust und Laune hat. Deshalb versucht man zu vermeiden, dass er an den Ball kommt."

... über das Mittelfeld in der deutschen Nationalmannschaft: "Es gibt keine Nation, von der ich sagen würde, dass sie personell besser aufgestellt ist. Ich habe insgesamt das Gefühl, dass jeder Spieler wieder sehr gerne zur Nationalmannschaft anreist. Der Spaß ist wieder da, sei es im Training oder in Veranstaltungen drumherum. Wir haben tolle Fußballer in Deutschland, die gerade auch alle in einer guten Form sind. Und deshalb können wir ein tolles Turnier spielen. Bis dahin müssen sich nur noch die Automatismen einspielen."

... über Erfolgsdruck: "Man hat als Fußballer und als Mensch immer einen gewissen Druck. Der ist immer da. Und das ist gut so. Das muss ja nicht negativ sein. Und dieser Druck muss sein, um ein gutes Spiel oder Turnier zu spielen. Selbst im Training bin ich manchmal ein wenig nervös, denn auch da will ich gut sein. Nur so werde ich besser und bin an diesem Punkt angelangt, an dem ich heute stehe."

... über seine sportliche Zukunft: "Ich habe keinen konkreten Plan. Ich würde mir aber zutrauen, noch einmal eine andere Station im Ausland mitzunehmen. Das hängt aber von meiner Form ab und wie mein Niveau mit 32 oder 33 Jahren noch ist. Die Türkei würde ich nicht ausschließen, aber es gibt noch andere Ligen, die mich aktuell mehr reizen würden. Auf einem sportlich hohen Niveau kommen für mich eigentlich nur noch Italien oder Spanien in Frage."

... seine wichtigste Lehre fürs Leben in seiner Karriere: "Das Wir-Gefühl in einer Gruppe, in der man seinen Platz finden muss. Wo gehört man hin? Denn man muss sich realistisch einschätzen. Das merke ich immer wieder, dass Menschen sich nicht richtig wahrnehmen. Ich glaube, dass man erst dann richtig glücklich ist, wenn man das kann."

Artikel und Videos zum Thema