Weise Voraussicht sticht weißes Ballett

Casemiro sollte dem Real-Spiel Stabilität verleihen
© getty

Durch das 1:1 im Clasico hat Real Madrid den FC Barcelona in der Tabelle der Primera Division auf Distanz gehalten. Dass am Ende der Partie im Camp Nou ein Remis stand, hat Real zwei Faktoren zu verdanken: der Denkweise des Trainers und dem unstillbaren Siegeswillen des Kapitäns.

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Die Fans im Camp Nou feiern bereits. Sieg im Clasico, nur noch drei Punkte Rückstand auf den großen Rivalen aus Madrid. Vor wenigen Sekunden hat Cristiano Ronaldo mit einem Kopfball aus kürzester Distanz die Chance zum Ausgleich vergeben. Die wohl letzte Chance.

Doch dann folgt Minute 90. Arda Turan begeht ein unnötiges Foul. Real bekommt einen Freistoß im linken Halbfeld.

Luka Modric läuft an und hebt das Leder gefühlvoll in den Sechzehner. Dort hat sich Sergio Ramos freigelaufen und wuchtet den Ball per Kopf ins linke Eck, Marc-Andre ter Stegen ist zwar noch dran, kann den Einschlag jedoch nicht verhindern.

Totenstille bei den Barca-Fans. Der sicher geglaubte Sieg aus den Händen gerissen. Durch Mr. Last-Minute-Tore höchstpersönlich.

Echter Big-Game-Player

"Bei ihm überrascht mich gar nichts mehr", kommentierte Real-Trainer Zinedine Zidane das späte Tor seines Kapitäns: "So ist er einfach. Er ist eine riesige Persönlichkeit und man kann in sich in diesen großen Spielen immer auf ihn verlassen. Egal, wie es steht, er lässt nie den Kopf hängen und ist motiviert bis zur letzten Minute. Das ist großartig für uns."

Tatsächlich war es nicht das erste Mal, dass Ramos' Rübe Real in großen Spielen den Hintern rettete. Er ist ein echter Big-Game-Player.

Im Champions-League-Finale 2014 sah Atletico bereits wie der sichere Sieger aus, als ebenfalls die Kombination Modric auf Ramos in der 94. Minute den 1:1-Ausgleich und damit die Verlängerung brachte.

Auf Abstand

Im August dieses Jahres vergoldete die Stirn des Kapitäns im UEFA Supercup gegen den FC Sevilla eine Flanke von Lucas Vazquez zum 2:2 - in der 93. Minute.

Nun also der späte Ausgleichstreffer in El Clasico. Auf den ersten Blick scheint der Vergleich zu den wichtigen Toren in großen Finals zu hinken, schließlich fand Reals Gastspiel in Barcelona am 14. Spieltag statt.

"Ergebnis nicht gerecht"

Wie wichtig der Punktgewinn am Ende war, zeigt jedoch ein Blick auf die Tabelle: Durch das 1:1 halten die Königlichen den Verfolger auf Distanz. Statt "nur" drei Punkten Vorsprung bleibt es bei sechs.

Später Torjubel hin oder her - so ganz zufrieden war der Spitzenreiter nach der Partie nicht: "Das Ergebnis ist nicht ganz gerecht", sagte Ramos direkt nach dem Spiel. Da war die Euphorie über sein Tor bereits verflogen.

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Auch Zidane teilte dieses Stimmungsbild: "Das ist kein Unentschieden, das wie ein Sieg schmeckt. Wir haben nur einen Punkt und nicht drei." Allerdings gab der Franzose zu, sich mit diesem einen Zähler durchaus zufrieden zu geben: "Wir sammeln Punkt um Punkt, jetzt geht es darum zu sehen, was wir im nächsten Spiel leisten können. Ich glaube nicht, dass die Moral von Barcelona durch dieses Spiel gebrochen ist. Wir haben sechs Punkte Vorsprung, aber das ändert nichts daran, dass wir weiter hart arbeiten müssen. Die Saison ist noch lang."

Es ist genau dieser Ehrgeiz, gepaart mit einem ordentlichen Schuss Pragmatismus, der Zidane in diesen Tagen auszeichnet.

Casemiro statt Rodriguez

Beim Stand von 0:1 nahm Zizou in der 66. Minute seinen ersten Spielerwechsel vor und beorderte Isco vom Platz. Der natürliche Impuls in dieser Situation wäre wohl gewesen, eine Offensivkraft zu bringen. Immerhin saß 75-Millionen-Mann James Rodriguez auf der Bank. Sicherlich nicht die schlechteste Option, um das Spiel noch offensiver zu gestalten.

Zidane ersetzte den hauptsächlich offensiv denkenden Isco jedoch durch den deutlich defensiveren Casemiro: "Wir haben Casemiro gebracht, weil wir noch einmal eine frische Kraft bringen und Luka und Mateo mehr Freiräume nach vorne schaffen wollten", erklärte Zidane die Maßnahme: "Wir wollten offensive Akzente setzen, ohne unsere defensive Stabilität dabei zu verlieren."

Dass die Einwechselspieler zwei und drei ebenfalls nicht James Rodriguez hießen, ist für den Kolumbianer eine Ohrfeige. In diesem wichtigen Spiel 90 Minuten auf der Bank zu sitzen, ist ein klares Zeichen, dass die Ehe mit Real wohl auf ihr Ende zugeht.

Leistung des Kollektivs

Doch Zidane schert sich nicht um Namen: "Es geht immer um die Mannschaft. Heute war es eine Leistung des Kollektivs."

Neben seinen personellen Entscheidungen zeigte der Franzose gegen Barcelona auch, dass er auf unterschiedliche Gegebenheiten reagieren und das Spiel seiner Mannschaft entsprechend anpassen kann.

Zu Beginn formierten sich die Königlichen in einem klassischen 4-3-3. Schon nach wenigen Minuten ließ sich Lucas Vazquez ins Mittelfeld fallen und Cristiano Ronaldo agierte gemeinsam mit Benzema als klassische Doppelspitze in einem 4-4-2. "Wir können unterschiedliche Systeme spielen. Wir haben einen starken Kader mit vielen Spielern, die alle unterschiedliche Qualitäten in unser Spiel bringen."

Für Zidane zählt nicht das Scheinwerferlicht oder eine starbesetzte Mannschaft mit schillernden Namen. Manchmal ist Kompaktheit und Sachlichkeit für den Coach der bessere Weg.

Erste Meisterschaft seit Mourinho?

Seit 2012 wartet Real auf eine nationale Meisterschaft. Damals auf der Trainerbank: Ergebnis-Fanatiker Jose Mourinho. Eine Entscheidung wie die Einwechslung von Casemiro für Isco hätte auch von The Special One kommen können.

Der Trend gibt Zidane recht: Auch nach 14 Spieltagen bleibt Real in dieser Spielzeit ungeschlagen. Unter dem Motto "Weise Voraussicht sticht weißes Ballett" halten die Königlichen Kurs auf Meistertitel Nummer 33.

Im Zweifel hat der Spitzenreiter eine Waffe immer noch in der Hinterhand. Und diese schlägt gerne in Minute Ramosundneunzig zu...

FC Barcelona - Real Madrid: Die Statistik zum Spiel

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