Rafael Marquez: Vom Staatsfeind der USA auf den Trainerstuhl des FC Barcelona

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Die USA warfen Rafael Marquez jahrelang vor, Mitglied eines Drogenkartells zu sein und behandelten ihn wie einen Staatsfeind. Nun ist der Mexikaner frei von allen Vorwürfen und wechselte auf Anhieb zum FC Barcelona, um dort die zweite Mannschaft zu trainieren. Warum aber eigentlich?

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Diese sogenannten Fieldinterviews sind den meisten Fußballern ein Dorn im Auge. Voller Adrenalin, die Gedanken und Emotionen noch auf dem Platz und dann begegnet man Fragen, deren Antwort eigentlich schon klar sind. Wie es laufen kann, sah man bei Toni Kroos nach dem Champions-League-Finale zwischen Real Madrid und dem FC Liverpool.

Rafael Marquez blieb bei der WM 2018 von diesen Interviews verschont. Dabei wäre er als lebende Legende und Gesicht der Mannschaft aus Mexiko fast der einzig interessante Ansprechpartner für das internationale Publikum. Aber Marquez durfte nichts sagen. Nicht, wie man die deutsche Mannschaft zum Auftakt besiegte. Nicht, wie man das Aus gegen Brasilien bewertet. Marquez durfte so vieles nicht.

Weil dem damals 39 Jahre alten Abwehrspieler vorgeworfen wurde, sich der Geldwäsche im Zusammenhang mit Drogenschäften im Kartell von Raul Flores Hernandez schuldig gemacht zu haben, setzte ihn das U.S. Department of the Treasury's Office of Foreign Assets Control, also die Abteilung für die Kontrolle ausländischer Vermögenswerte des US-Finanzministeriums, gemeinsam mit 21 anderen Mexikanern auf die Schwarze Liste.

Er wurde mehr oder weniger wie ein Staatsfeind behandelt: Seine Konten in den USA wurden eingefroren, seine Immobilien beschlagnahmt. Kein US-Bürger, kein US-Unternehmen durfte eine geschäftliche Beziehung mit ihm haben.

Rafael Marquez bei seiner fünften WM gegen Marco Reus
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Rafael Marquez bei seiner fünften WM gegen Marco Reus

Rafael Marquez bestritt alle Vorwürfe

Wäre Marquez zu einem offiziellen Interview bei der WM gekommen, hätte er vor einer Sponsorenwand mit den Logos zahlreicher US-Unternehmen gestanden, was man als Geschäftsbeziehung verstehen könnte und daher nicht ging. Marquez durfte nicht mal die offiziellen Trainingsklamotten oder Leibchen tragen, weil u.a. Coca-Cola darauf warb.

Marquez stritt die Vorwürfe stets ab, versprach, mit den Behörden zusammenzuarbeiten. "Meine Aufgabe ist es, alles so schnell wie möglich aufzuklären, um wieder der Rafa Marquez zu sein, den alle kennen", sagte er in einer TV-Botschaft an die mexikanische Öffentlichkeit 2018.

In Mexiko wurde das Thema ohnehin nie so hoch gehängt, war er doch ein Volksheld und zum fünften Mal bei einer WM dabei. Lediglich die Zeitung Reforma ging der Sache auf den Grund und berichtete, dass selbst die Mutter des Ex-Fußballers, Rosa Alicia Alvarez Pinones, eine hochrangige Politikerin, Geschäfte mit Flores machte.

Als der FC Barcelona vor rund einem Jahr die Idee hatte, Marquez zum Trainer der zweiten Mannschaft zu machen, rieten die Klub-Anwälte davon ab. Die US-Maßnahmen gegen Marquez waren noch nicht aufgehoben. Eine Anstellung des Mexikaners hätte die Geschäfte Barcelonas, das natürlich auch den US-Markt bedient und aktuell wieder dort auf Werbetour ist, eventuell geschädigt.

Seine Erfahrung? Fünf Monate Jugendtrainer eines Viertligisten

Weil das US-Finanzministerium nun Marquez, der seinen Worten Taten folgen ließ und mit den Behörden kooperierte, von der Schwarzen Liste gestrichen hat, darf sich der inzwischen 43-Jährige frei bewegen und ohne Bedenken als Trainer eingestellt werden. Der FC Barcelona hat ihn offiziell als Trainer der Zweitausgabe vorgestellt. Doch warum man so sehr an ihm festgehalten hat, müssten die Katalanen noch erklären.

Die Versuche der lokalen Medien, die Anstellung damit zu begründen, dass er genau wie Cheftrainer Xavi Hernandez das 4-3-3-System bevorzugt, reicht an der Stelle nicht aus. Denn umgesetzt hat es Marquez bisher lediglich in seiner fünfmonatigen Amtszeit als A-Jugendtrainer des Madrider Vorortklubs RSD Alcala, dessen erste Mannschaft in der 4. Liga spielt. Mehr an Trainer-Erfahrung hat er nicht. Bei Alcala kündigte er im März 2021 vorzeitig, weil er sich offenbar schon im Klaren darüber war, dass er zum FC Barcelona darf.

Er machte bei der Präsidentschaftswahl seine Unterstützung für Joan Laporta sehr deutlich und sprach in Medien sehr lobend über den Mann, der ihn schon als Spieler zum FC Barcelona holte. Mit Barca wurde er viermal Meister, gewann zwei Mal die Champions League, wurde zu einem der besten Spieler der Klub-Geschichte. Sein Trainer Pep Guardiola sah ihn damals als "mein Vertreter auf dem Platz".

Für Yaya Toure, großartiger Mitspieler bei Barcelona, war Marquez "einer der besten Spieler der Klub-Geschichte und zehn Mal besser als Gerard Pique, obwohl ich Pique auch mag". Marquez hat bei Barca viel geleistet und sich in die Annalen des Klubs geschrieben.

Mit Ronaldinho, Messi und Co.: Marquez war ein Teil des großen FC Barcelona.
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Mit Ronaldinho, Messi und Co.: Marquez war ein Teil des großen FC Barcelona.

Xavi, Alves und Co.: Joan Laporta setzte auf die Vergangenheit

Es liegt nahe, dass die tiefe Verbundenheit von Marquez zum Klub (und zu Laporta) eine Rolle bei seiner Wahl gespielt hat. Barca-Boss Laporta hat an vielen Stellen die Rückkehr zu den Wurzeln ausgerufen. Das ging bei der Wahl des Cheftrainers Xavi los, setzte sich bei Spielertransfers wie Dani Alves oder Adama Traore oder der Verpflichtung von Jordi Cruyff - Sohn von Klub-Legende Johan - als globaler Sportdirektor fort und zeigte sich auch im Nachwuchs, wo beispielsweise Ex-Spieler Sergi Barjuan als Trainer geholt wurde. Laporta ging sogar so weit, dass er inzwischen den Namen der zweiten Mannschaft verändert hat.

Barcelona B heißt neuerdings wieder Barcelona Atlètic. So hieß die Zweite bei der Gründung 1970. 1990 wurde die Mannschaft Barcelona B umgetauft, 2008 war es Laporta, der Barça Atlètic zurückholte, bis Nachfolger Sandro Rosell wieder Barcelona B durchdrückte. Laporta hat die Zeit zwischen Rechteverkauf und Lewandowski-Kauf gefunden, um dem Aufsichtsrat davon zu überzeugen, zu Atlètic zurückzukehren.

Vielleicht will er auch die vergangene Saison vergessen lassen. In der 3. Liga wurde man nur Neunter in der Staffelgruppe, dabei wurde klar der Aufstieg gefordert und erwartet. Weil Barjuan ihn verpasst hat, bekommt er nun intern einen anderen Job und wird von Marquez ersetzt. Für den Trainer-Neuling wird es allerdings eine Mammutaufgabe.

Nicht weniger als 14 Spieler haben Barca Atlètic verlassen. Darunter auch Top-Torjäger Ferran Jutgla, der 19 Tore in der abgelaufenen Saison schoss und nun nach Brügge ging oder Arnau Comas, der zum FC Basel wechselte. Marquez muss eine komplett neue Mannschaft zusammenstellen und am besten schon in der kommenden Saison aufsteigen.

"Er sollte schon letztes Jahr Trainer werden, aber es gab Dinge, die ihn daran gehindert haben. Jetzt ist er befreit. Ich bin sehr froh, dass es geklappt hat, weil ich schon den Spieler Rafa kannte und weiß, welch große Persönlichkeit er ist", sagt Laporta.

Ob diese Persönlichkeit reichen wird, um den hohen Erwartungen gerecht zu werden, wird die Zeit zeigen. Wenn man mal wissen will, wie es läuft, wird er sicher Rede und Antwort stehen. Interviews sind wieder erlaubt.

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