Der Wandel des Ex-BVB-Spielers Mikel Merino bei Real Sociedad: Komplett (unterschätzt)

Ein anderer Spieler als in Dortmund: Mikel Merino trumpft bei Real Sociedad auf.
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Er steht in der öffentlichen Wahrnehmung eher im Schatten der Offensivkünstler Martin Ödegaard, Mikel Oyarzabal und Alexander Isak, für den Höhenflug von Real Sociedad ist Mikel Merino aber gleichermaßen verantwortlich. Der bei Borussia Dortmund gescheiterte Baske hat sich in seiner Heimat zu einem kompletten Mittelfeldspieler entwickelt, der auch für die spanische Nationalelf ein Thema werden könnte.

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Für die Verantwortlichen von Borussia Dortmund war das Risiko relativ gering, als Mikel Merino ihnen im Sommer 2016 sein Ja-Wort gab. Läppische 3,75 Millionen Euro überwies der Bundesligist an CA Osasuna, den damals in der zweiten spanischen Liga aktiven Heimatverein des Mittelfeldspielers. Für Merino, vom Dortmunder Sportdirektor Michael Zorc feierlich als "großes Talent der spanischen Fußballschule" vorgestellt, war der Wechsel eine tückische Herausforderung. Eine zu tückische, wie sich schnell herausstellte.

Merino, den die Angebote prominenter Klubs aus dem Baskenland wie Real Sociedad nach dem Anruf aus Dortmund nicht mehr interessierten, war mit seinen 20 Jahren vom ersten Tag an schlichtweg fehl am Platz beim BVB. Zu groß die Umstellung auf den schnelleren wie körperbetonteren Fußball in Deutschland, zu groß die Sprachbarriere und allen voran: zu groß die Konkurrenz im Mittelfeld. Julian Weigl, Nuri Sahin, Sebastian Rode und Gonzalo Castro hatten die Nase vor ihm, und da waren ja auch noch Spieler wie Shinji Kagawa oder Mario Götze, die wenn auch etwas offensiver ebenfalls im Mittelfeld agierten.

Merinos Abenteuer BVB: Keine Spielpraxis unter Tuchel

Da brachten auch all der Fleiß, durch den sich der Merino während seiner Zeit als Schwarz-Gelber stets auszeichnete, wenig. Thomas Tuchel, in jener Saison noch Trainer der Borussia, gewährte ihm nur 311 Spielminuten. Die logische Konsequenz: Merino wurde verliehen. An Newcastle United. Wieder eine neue Liga, wieder eine neue Sprache, wieder ein neues Umfeld. Aber er hatte mit Rafa Benitez immerhin einen spanischen Trainer, der das tat, was Tuchel nicht tun wollte oder konnte: Er förderte ihn.

25 Mal kam Merino unter Benitez zum Einsatz, das Vertrauen zahlte er mit starken Leistungen zurück. Auf der Insel stellten sie schon Vergleiche mit Xabi Alonso an, der baskischen Fußball-Legende schlechthin. Vergleiche, die durch drei Sätze des einstigen Alonso-Mentors Benitez zusätzlich befeuert wurden. "Ich sehe Ähnlichkeiten und damit meine ich nicht nur ihre Herkunft. Sie lesen das Spiel ähnlich. Xabis weite Pässe waren besser, aber Mikel ist dynamischer", sagte Benitez.

Zuhause ist es am Schönsten: Merino blüht bei "la Real" auf

Merino ließ sich von derartigen Lobeshymnen jedoch nicht beeinflussen. Als seine überaus erfolgreiche Saison mit Newcastle zu Ende ging und viele Anfragen diverser europäischer Klubs bei ihm eintrudelten, wählte er den Weg der Vernunft, den er 2016 noch aus Abenteuerlust ausgeschlagen hatte: Er wechselte nach San Sebastian. Zu Real Sociedad. Zurück in die Nähe seiner Heimatstadt Pamplona. "Es ist wichtig für ihn, Zeit mit uns zu verbringen. Er braucht nur eine Stunde mit dem Auto nach Hause. Die Familie tut ihm gut", sagte sein Vater Miguel, einst selbst Fußball-Profi in Spanien, schon kurz nach dem Wechsel seines Sohnes der Zeitung El Desmarque.

Merino ist heute nicht nur ein glücklicherer Mensch. Er ist auch ein besserer Fußballer. Ein präsenter. Ein kompletter. Das Spiel des 23-Jährigen lebt von gesunder Aggressivität und herausragender Übersicht, anders als der im von Trainer Imanol Alguacil bewährten 4-1-4-1 etwas offensiver agierende Martin Odegaard ist auf ihn auch im Spiel gegen den Ball stets Verlass.

Dynamisch und aggressiv: Mikel Merino ist unangefochtener Stammspieler bei Real Sociedad.
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Dynamisch und aggressiv: Mikel Merino ist unangefochtener Stammspieler bei Real Sociedad.

Merino "ein anderer Spieler" als in Dortmund

Merino grätscht, wenn es nötig ist, und legt auch bei Luftzweikämpfen eine hohe Robustheit an den Tag. Er ist der Anker im Mittelfeld, Bindeglied zwischen Defensive und Offensive. Ähnlich wie einst Alonso. Merino aber interpretiert seine Rolle insgesamt noch ein wenig offensiver als der frühere Regisseur des FC Bayern, traut sich auch mehr Abschlüsse zu. In der laufenden Saison kommt er auf vier Treffer und einen Assist. Den Alonso'schen Part als klassischen Sechser bekleidet eher das 22 Jahre alte Eigengewächs Igor Zubeldia.

"Ich denke, dass mein Arbeitsauftrag ziemlich klar ist: Ich muss das Team zwischen der Offensive und Defensive zusammenhalten. Ein Gleichgewicht geben, wenn wir verteidigen und helfen, die Stürmer mit ordentlichen Bällen versorgen. Dazu gehört auch, dass ich viele Wege in die Defensive mache und generell viel laufe", sagte Merino erst im Februar. Im Vergleich zu seiner Zeit beim BVB sei er "ein anderer Spieler". Grund dafür sei das Vertrauen seines Trainers, wie er in einem Interview mit dem offiziellen Kanal der spanischen Liga verriet.

Merino: "Als junger Spieler hat mir das gefehlt"

"Wenn du Minuten bekommst, gewinnst du an Erfahrung und diese gibt dir das Wissen, was in welcher Situation zu tun ist. Als junger Spieler hat mir das gefehlt", erklärte er. Zudem überzeuge ihn die Spielidee seines Trainers. "Ich mag es, zu pressen, Ballbesitz zu haben und Risiken einzugehen. Das ist der moderne Fußball. Das ist der schöne Fußball, der Spaß macht."

Fußball, der den Klub ins Finale der Copa del Rey manövriert hat, in dem es ausgerechnet zum baskischen Derby gegen Athletic Bilbao kommt. Fußball, der den Klub zu einer attraktiven Adresse in Spanien gemacht hat, die auch dem Gusto des spanischen Nationaltrainers Luis Enrique entspricht. Es heißt, der bislang noch nie für die A-Nationalelf nominierte U21-Europameister Merino dürfe sich durchaus Hoffnungen auf eine Nominierung für die Länderspiele gegen Deutschland (26. März) und die Niederlande (29. März) machen. Womöglich bietet sich ihm dann die Chance, auch auf internationaler Bühne zu zeigen, dass er ein anderer Fußballer ist als damals in Dortmund.

Saison 2019/20: Mikel Merino in Zahlen

SpielminutenToreVorlagenPassquoteZweikampfquote
25424176,6 %56,1 %
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