Benjamin Henrichs von der AS Monaco im Interview: Thierry Henry? "Ich dachte, ich träume"

Von Robin Haack
Benjamin Henrichs wechselte 2018 von Leverkusen nach Monaco.
© getty

Ein Transfer zur AS Monaco, Trainerwechsel von Leonardo Jardim zu Thierry Henry und zurück - der ehemalige Leverkusener Benjamin Henrichs blickt auf ereignisreiche Monate zurück, in denen er sich plötzlich im Abstiegskampf statt im Rennen um die Champions League wiederfand.

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Im Interview mit SPOX und Goal spricht Henrichs über die turbulente Saison der Monegassen, die Talentförderung des DFB und die anstehenden Aufgaben der U21-Nationalmannschaft. Außerdem verrät Henrichs, wie er die Zusammenarbeit mit einer lebenden Legende wie Henry erlebt hat, was er von ihm lernen konnte und wie ihm der Weltmeister von 1998 Tricks aus den berühmten Joga-Bonito-Spots beigebracht hat.

Benjamin, Sie haben schon einige Spiele in der A-Nationalmannschaft gemacht und gelten in der U21 als gesetzt. Muss Ihr Anspruch nun sein, voranzugehen?

Benjamin Henrichs: Absolut, mein Anspruch ist es, mich als Führungsspieler zu zeigen und denjenigen zu helfen, die noch nicht so lange dabei sind. Schon in den letzten Jahren durfte ich beim DFB wertvolle Erfahrungen sammeln und beim Confederations Cup auch auf höchstem Niveau zeigen, was ich kann. Das will ich weitergeben und die Jungs mitreißen.

Insgesamt dreimal durften Sie bislang für die A-Nationalmannschaft auflaufen. Sehen Sie es persönlich als Rückschritt, wieder bei der U21 dabei zu sein?

Henrichs: Ich bin schon seit einiger Zeit wieder regelmäßig bei der U21 dabei und sehe die Zeit auf keinen Fall als Rückschritt an. Die U21 bietet mir die Chance, mich auf hohem Niveau zu präsentieren. Ich bin sicher, auch der Bundestrainer verfolgt unsere Spiele sehr intensiv und gerade die Europameisterschaft im Sommer ist ein gutes Sprungbrett.

Gab es seit Ihrem Wechsel zur AS Monaco Kontakt zu Joachim Löw?

Henrichs: Zuletzt im August, als mein Wechsel perfekt war. Er hat mir zum Transfer gratuliert und mir in Monaco viel Erfolg gewünscht. Seitdem hatten wir keinen Kontakt. Ich weiß aber, dass er sich mit Stefan Kuntz ständig über alle U21-Spieler austauscht.

Sie haben die U21-EM in Italien angesprochen. Deutschland geht als Titelverteidiger an den Start. Wie sehen Sie Ihre Chancen?

Henrichs: In den vergangenen Testspielen haben wir uns mit starken Gegnern gemessen und keines der Spiele verloren. Allein das zeigt, welche Qualität in unserer Mannschaft steckt. Zuletzt haben wir viel ausprobiert und neue Systeme getestet. Noch klappt zwar nicht alles, aber ich denke, wir sind bereit für die EM.

Durch Auftritte wie zuletzt gegen Frankreich zählen Sie zwangsläufig zum Favoritenkreis.

Henrichs: Mit uns muss man auf jeden Fall rechnen. Wir sind Titelverteidiger und werden mit viel Selbstvertrauen nach Italien reisen. Frankreich hat eine sehr gute Mannschaft, doch speziell in der ersten Halbzeit hat man gesehen, dass auch wir eine enorme Qualität haben. Nach dem Spiel habe ich mit einigen Spielern der Franzosen gesprochen und sie waren total überrascht von unserer Stärke. Sie hatten nicht erwartet, dass wir einen solchen Druck machen werden.

Obwohl in der U21 zahlreiche Bundesligaprofis spielen, die in ihren Vereinen regelrecht gehyped werden, ist der öffentliche Zuspruch relativ gering. Verdient die U21 mehr Aufmerksamkeit?

Henrichs: Ja, ich denke schon, dass wir mehr Aufmerksamkeit verdienen. Nach dem EM-Titel 2017 war auch die U21 mehr im Fokus der Öffentlichkeit. Etwas Ähnliches müssen wir uns nun wieder erarbeiten. Trotzdem ist es korrekt, dass man hier deutlich weniger beachtet wird als in der Bundesliga oder bei der A-Nationalmannschaft. Wenn wir aber künftig so guten und attraktiven Fußball zeigen wie zuletzt gegen Frankreich, bin ich sicher, dass es auch in der Öffentlichkeit honoriert wird.

Obwohl mit Frankreich ein hochkarätiger Gegner zu Gast war, kamen nur 4.227 Zuschauer ins Stadion nach Essen. Warum ist die U21 für Fans nur bedingt interessant?

Henrichs: Wenn ich ehrlich bin, wundert es mich auch etwas. Ich kann es mir nicht erklären, aber die Zuschauer, die da waren, haben ein wirklich gutes Spiel gesehen. Es war eine Art Werbung für unsere nächsten Spiele. Ich glaube, pünktlich zur EM im Sommer stehen wir wieder mehr im Fokus.

Seit dem frühen WM-Aus in Russland wird in Deutschland heftig über die Nachwuchsförderung diskutiert. Wie beurteilen Sie, als jemand, der seit der U15 alle Junioren-Nationalteams durchlaufen hat, diese Diskussion?

Henrichs: Man darf nicht vergessen, dass die Nationalmannschaft mitten im Umbruch steckt. Und dieser Umbruch braucht Zeit. Ich spiele in Frankreich und merke, dass dort reihenweise Spieler aus der Jugend kommen, die eine enorme Qualität mitbringen. Trotzdem darf man nicht alles schwarzmalen. Erfolge wie der U21-EM-Titel oder der Confed-Cup-Sieg zeigen, dass wir in Deutschland genug Qualität haben. Wir haben in zwei Jahren nicht alles verlernt. Die Nachwuchsförderung im DFB ist deutlich besser, als sie aktuell dargestellt wird.

Fehlen in Deutschland vielleicht trotzdem die viel zitierten "Straßenfußballer"?

Henrichs: Beim DFB haben wir aktuell keine Spielertypen wie Jadon Sancho, die die Bundesliga schon mit 18 Jahren schwindlig spielen. Trotzdem hat man Spieler wie Kai Havertz, Julian Brandt, Leroy Sane, die alle schon fester Bestandteil der A-Nationalmannschaft sind und es nach ganz oben schaffen können. Sie sind alle stark am Ball und trauen sich, ins Eins-gegen-Eins zu gehen.

Gerade bei Ihrem aktuellen Klub in Monaco baut man vermehrt auf junge Spieler. Können auch Bundesligisten von dieser Philosophie lernen?

Henrichs: Es ist schwer, das zu verallgemeinern. In Monaco haben wir sehr viele junge Spieler im Kader, doch auch Verletzungen der Etablierten haben dazu geführt, dass die Jungen schon früh regelmäßig zum Einsatz kamen. Aber auch in der Bundesliga baut man in den vergangenen Jahren vermehrt auf junge Spieler. Das zeigt allein ein Blick auf die U21-Nationalmannschaft Frankreichs. Zahlreiche französische Talente haben den Schritt nach Deutschland gewagt und sich dort durchgesetzt.

War diese Philosophie der Hauptgrund für Ihren Wechsel nach Monaco?

Henrichs: Mit Bayer habe ich 2016 in der Champions League gegen Monaco gespielt und rückblickend hat mich sehr beeindruckt, was aus einigen der Jungs geworden ist, die damals mit mir auf dem Platz standen. Mit Blick auf die Vergangenheit ist Monaco eine Top-Adresse für junge Spieler. Daran will ich mir ein Beispiel nehmen und im Idealfall einen ähnlichen Weg einschlagen. Ich will hier Fuß fassen und regelmäßig spielen, obwohl ich ein Jahr erwischt habe, in dem in Monaco sehr viel los ist. (lacht)

Mit Abstiegskampf und zwei Trainerwechseln hätte wohl niemand gerechnet.

Henrichs: Ich hätte natürlich nicht erwartet, mit Monaco gegen den Abstieg zu spielen, nachdem der Klub in den vergangenen Jahren Dauergast in der Champions League gewesen ist. Doch Fußball ist manchmal nicht planbar. Auch mit Leverkusen steckten wir in der Saison 16/17 plötzlich im Abstiegskampf. Wichtig ist nur, dass man es schafft, sich aus solchen Krisen heraus zu kämpfen. Und in Monaco sind wir aktuell auf dem besten Weg.

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