Manchester United in der Krise: Tiefflug trotz Ronaldo

Cristiano Ronaldo hat mit Manchester United 2:4 gegen Leicester City verloren.
© getty

Manchester United befindet sich nach der 2:4-Niederlage bei Leicester City in der Krise. Vor allem Trainer Ole Gunnar Solskjaer steht in der Kritik - Cristiano Ronaldo hat aber ebenfalls seinen Anteil an den Problemen.

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Ganz so ungelegen kam Manchester United der öffentliche Entrüstungssturm über die Flugreise zum Premier-League-Auswärtsspiel am Samstag nach Leicester wohl nicht. Wegen Vorhersagen von Verkehrsstörungen auf der Autobahn M6 hatte der Tross die rund 120 Kilometer per Flugzeug zurückgelegt, gedauert hat das 15 Minuten. Der Kurzstreckenflug war das bestimmende Thema des Wochenendes und drängte somit die immer akutere sportliche Krise zumindest etwas in den Hintergrund.

In Leicester gelandet verlor die Mannschaft von Trainer Ole Gunnar Solskjaer nämlich mit 2:4. Eine Führung durch ein Traumtor von Mason Greenwood sowie ein 2:2-Ausgleich in der 82. Minute reichten nicht zu einem Punktgewinn. Der Rückstand auf Tabellenführer FC Chelsea beträgt bereits fünf Punkte.

Für United war es die vierte Niederlage im elften Pflichtspiel der Saison. In den vergangenen fünf gelang gegen nominell schwächere Mannschaften nur ein Sieg - ein glückliches 2:1 gegen den FC Villarreal in der Champions League dank des Siegtores von Cristiano Ronaldo tief in der Nachspielzeit.

Cristiano Ronaldos Verpflichtung entfachte Euphorie

Ronaldos Verpflichtung hatte bei United im Sommer eine Erwartungshaltung entfacht, wie es sie wohl letztmals unter Trainer Alex Ferguson gegeben hatte. Sogar ein Angriff auf den Meistertitel erschien denkbar. Ronaldo erzielte seitdem zwar bereits fünf (teils wichtige) Treffer, die Euphorie ist aber längst verflogen.

Symbolisch für diese besorgniserregende Entwicklung steht Ronaldos Reaktion nach dem Abpfiff in Leicester: Resignativ marschierte der 36-Jährige Richtung Spielertunnel, ehe ihn Solskjaer zum Gang zu den mitgereisten Fans animierte, den er dann auch etwas missmutig absolvierte. Obwohl es keine reguläre Flugverbindung zwischen Manchester und Leicester gibt, haben es die Fans übrigens pünktlich ins Stadion geschafft.

Paul Pogba: "Problem noch nicht gefunden"

Im Zentrum der Kritik steht Trainer Solskjaer, der seiner Mannschaft bisher kein erkennbares Konzept vermittelte. Bei eigenem Ballbesitz lautet der aktuelle Plan: Irgendeiner der zahlreichen brillanten Offensivspieler wird das schon irgendwie richten. Mit Ronaldo, Greenwood, Marcus Rashford, Edinson Cavani, Anthony Martial, Jadon Sancho, Jesse Lingard und Bruno Fernandes verfügt United nominell über eine der besten Angriffsreihen der Welt.

"Wir müssen die Mentalität und die Taktik finden, um zu gewinnen", sagte Paul Pogba nach dem Spiel. "Wir haben das Problem noch nicht gefunden. Wir müssen reifer werden, müssen mit mehr Erfahrung und einer positiven Arroganz spielen." Problematisch seien laut Pogba auch die "dummen Gegentore", die United in höchster Regelmäßigkeit kassiert.

Youri Tielemans' 1:0 ging beispielsweise ein böser Patzer von Kapitän Harry Maguire voraus, den Solskjaer nach auskurierter Wadenverletzung direkt in die Startelf beordert hatte. In der ganzen Saison spielte United erst einmal Zu-Null.

Manchester Uniteds Defensivprobleme

Die Defensivprobleme ziehen sich durch die ganze Mannschaft und fangen schon bei Sturmspitze Ronaldo an. Aktives Pressing zählt bekanntlich nicht zu seinen Lieblingsaufgaben, entsprechend ist die Anzahl an Pressing-Situationen bei United im Vergleich zur Vorsaison deutlich zurückgegangen. Laut des Statistik-Portals FBRef.com in der Premier League im Schnitt von 133 auf 120 pro Spiel (bei seinem Ex-Klub Juventus Turin stieg sie unterdessen an). Ronaldos Wert von 3,9 zählt zu den schlechtesten der ganzen Mannschaft. "Ihre zentralen Spieler haben nicht gepresst. Deshalb konnten wir uns den Ball geduldig zuspielen", erklärte Leicester-Trainer Brendan Rodgers.

Im Mittelfeld sucht Solskjaer unterdessen noch nach einer idealen Besetzung. Im Laufe der Saison probierte er in seinem bevorzugten 4-2-3-1-System mäßig erfolgreich bereits sieben verschiedene Kombinationen. Gegen Leicester begann Nemanja Matic neben dem enttäuschenden Pogba. "Wir wurden zu leicht ausgespielt", klagte Solskjaer. "Das hatte aber nicht nur mit Nemanja und Paul zu tun, sondern mit dem ganze Team. Wir müssen kompakter und aggressiver sein."

Manchester United hat ein schweres Programm vor sich

Umsetzen muss die Mannschaft diese Vorgaben in den kommenden Wochen gegen deutlich bessere Gegner als zuletzt. Bis zur nächsten Länderspielpause geht es in der Champions League zweimal gegen Atalanta Bergamo und in der Premier League gegen den FC Liverpool, Tottenham Hotspur und Manchester City.

"Wir sind gut darin, Charakter zu zeigen, wenn es darauf ankommt. Wenn wir mit dem Rücken zur Wand standen, haben diese Jungs immer gekämpft", sagte Solskjaer, dessen Vertrag bis 2024 läuft. Tatsächlich stand er im Laufe seiner bisher knapp zweieinhalbjährigen Amtszeit schon mehrmals kurz vor der Entlassung, ehe er mit seiner Mannschaft erstaunliche Erfolgsserien startete.

In der Länderspielpause sprach Fußball-Direktor John Murtough unterdessen Solskjaer das Vertrauen aus: "Ole und sein Staff arbeiten sehr fokussiert. Wir haben einen langfristigen Plan und vertrauen darauf, dass wir uns in die richtige Richtung bewegen. Wir glauben, dass wir das nötige Talent und die nötigen Charaktere haben, um erfolgreich zu sein." Müssen die vorhandenen Talente und Charaktere also nur mehr zu einer funktionierenden Mannschaft geformt werden.

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