Die Geschichte hinter dem Sensationstitel 1995: Als die Blackburn Rovers die Premier League schockten

Alan Shearer (l.) und Chris Sutton bejubeln den Gewinn der Premier League im Mai 1995.
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Berg über Walker: "Er war wie ein Großvater für uns"

Die Rovers etablierten sich in der Saison 1994/95 von Beginn an in der Spitzengruppe und übernahmen Anfang Dezember erstmals die Tabellenführung. Da die Mannschaft im FA Cup, League Cup und UEFA Cup frühzeitig scheiterte, lag der Fokus bald ausschließlich auf der Meisterschaft.

Gleichzeitig verbesserten sich die Trainingsbedingungen: Die Rovers übersiedelten vom städtischen Park in ein neu errichtetes Trainingszentrum. "Dort gab es sechs, sieben fantastische Plätze", schwärmt Berg. Gezahlt hat dafür natürlich Walker, der außerdem einen Um- und Ausbau des Stadions Ewood Park in ein etwas mehr als 30.000 Zuschauer fassendes reines Sitzplatzstadion vorantrieb.

Walker war omnipräsent. "Vor den Spielen kam er oft in die Kabine, um mit uns zu sprechen. Er war echt witzig und wir haben viel mit ihm herumgescherzt", sagt Berg. 65 Jahre war Walker damals alt und "ein bisschen wie ein Großvater für uns". Einmal hätte er sogar die ganze Mannschaft in sein Haus auf der Insel Jersey eingeladen, erzählt Berg: "Wir waren zwei Tage dort, haben mit ihm gegessen und sind am Abend gemeinsam ausgegangen."

Titelgewinn in Liverpool, Party in Preston

Trainer Dalglish und die Spieler erfüllten Walker dafür seinen größten Wunsch und machten seine Rovers im Mai 1995 zum Meister - doch nicht ohne großes Zittern. Der zunächst komfortable Vorsprung an der Tabellenspitze auf Manchester United war aufgrund einiger Patzer vor dem abschließenden Spieltag auf zwei Punkte zusammengeschrumpft. Die Rovers waren bei Dalglishs Ex-Klub Liverpool zu Gast, United bei West Ham United.

Torschützenkönig Shearer traf mit seinem 34. Saisontor zwar früh zur Führung, doch Liverpool drehte das Spiel und erzielte in der 90. Minute den Siegtreffer. Die Rovers mussten somit auf Schützenhilfe von West Ham hoffen. "Es war eine emotionale Achterbahnfahrt: Zunächst waren wir am Boden zerstört, aber etwa fünf Sekunden nach dem Gegentor begannen unsere Fans wie verrückt zu jubeln", erinnert sich Berg, der rechts hinten wie immer durchspielte. Das Spiel in London war zu Ende, United nicht über ein 1:1 hinausgekommen und die Rovers erstmals seit 1914 und vier Jahre nach einem Fast-Abstieg in die dritte Liga englischer Meister.

"Nach dem Spiel sind wir alle zusammen nach Preston gefahren", erzählt Berg. Blackburns Nachbarstadt war mit damals rund 130.000 Einwohnern etwas größer - und verfügte über ein besseres Nachtleben. "Wir sind in ein Restaurant gegangen, in dem wir davor schon für einige Mannschaftsabende waren. Zunächst haben wir uns hingesetzt und gegessen und als wir damit fertig waren, wurde die Musik aufgedreht und alle haben auf den Tischen getanzt. Es war die verrückteste Nacht meines Lebens."

Premier League: Die Abschlusstabelle der Saison 1994/95

PlatzVereinSpieleDiffPkt.
424189
424988
422977
422874
422173
422072
42862
42260
42-1756
42-254
42-554
42351
42-851
42-450
42-750
42-1850
42-1149
42-548
42-1545
42-1743
42-3529
42-5727

Warum brauchen wir Zidane? Wir haben doch Sherwood!

Auf die verrückteste Nacht von Preston folgte der Kater von Blackburn. "Wir wussten alle sofort, dass das eine einmalige Erfahrung gewesen sein wird", erinnert sich Berg. Und sie sollten rechtbehalten.

Dalglish, in der Meistersaison zu Englands Trainer des Jahres ernannt, übergab den Posten an seinen Assistenten Ray Harford und übernahm selbst das Amt des Sportdirektors. "Harford war inhaltlich einer der besten Trainer, die ich je hatte. Aber wegen seiner Persönlichkeit ist ihm der Übergang vom Co-Trainer zum Boss schwergefallen", sagt Berg.

Auf dem Transfermarkt verfolgten die Rovers unterdessen eine fatale Strategie. "Es kamen hauptsächlich Spieler, die den Kader aber nicht die Startelf besser machten. Die Meisterspieler wurden kaum unter Druck gesetzt", erzählt Berg. Vor allem Walker sah wenig Grund für Veränderungen. Als der damals 23-jährige Zinedine Zidane von Girondins Bordeaux auf den Markt kam, soll Dalglish auf eine Verpflichtung gedrängt haben - doch Walker nur gesagt haben: "Warum brauchen wir Zidane? Wir haben doch Sherwood!"

Vereinsbesitzer Jack Walker mit Stürmer Alan Shearer und der Premier-League-Trophäe.
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Vereinsbesitzer Jack Walker mit Stürmer Alan Shearer und der Premier-League-Trophäe.

In vier Jahren vom Meister zum Zweitligisten

Der Start in die neue Saison misslang gänzlich: In der Champions League beendeten die Rovers ihre Gruppe mit Spartak Moskau, Legia Warschau und Rosenborg Trondheim auf dem letzten Platz; in der Premier League schlitterten sie zunächst in die untere Tabellenhälfte und landeten am Ende auf Platz sieben.

Im Sommer verließen Shearer, der sich trotz des Abwärtstrends erneut zum Torschützenkönig gekrönt hatte, und Sportdirektor Dalglish den Klub. Ein weiterer katastrophalerer Saisonstart ohne Sieg aus den ersten elf Spielen resultierte im Rücktritt von Trainer Harford und im Sommer ging auch Berg. Die meisten Titelhelden hatten den Verein innerhalb kürzester Zeit verlassen und 1999 verließ der Verein schließlich die Premier League.

Ein Jahr später verstarb Walker, der mit seinem Investment von umgerechnet rund 150 Millionen Euro den rasanten Aufstieg erst ermöglicht - und dafür die richtige Zeit erwischt hatte. "Wenn es damals schon das Financial Fairplay gegeben hätte", sagte Dalglish später, "dann wären wir niemals Meister geworden."