"Man hat uns abgeschrieben"

Von Übersetzt von Daniel Reimann
Ashley Cole hat für England bereits 106 Länderspiele absolviert
© getty

Ashley Cole geht in sein womöglich letztes Turnier mit Englands Nationalmannschaft. Der Linksverteidiger der Three Lions spricht im Interview über Titelchancen bei der WM 2014, eine Blamage gegen Cristiano Ronaldo und seinen Traum vom Ruhm eines Stürmers. Außerdem: Weshalb ihm sein Image egal ist.

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Frage: Herr Cole, Jamie Carragher scherzte kürzlich, niemand wolle als kleiner Junge Außenverteidiger werden - wie ein Gary Neville. Wer wollten Sie als Kind sein?

Cole: Erst einmal liegt Carragher nicht falsch. Kinder wollen nicht Außenverteidiger werden. Als ich klein war, waren meine Idole Arsenal-Stürmer wie David Rocastle oder später Ian Wright. Ich war damals auch Stürmer, deshalb wollte ich sein wie sie. Die, die alle Tore machten und denen all der Ruhm zuteil wurde.

Frage: Wenn man Sie damals hätte spielen sehen, welchen Spielertypen hätte man gesehen? Haben Sie gerne Tricks gemacht?

Cole: Viele Tricks habe ich nicht gemacht. Aber davon abgesehen, dass ich klein und schmächtig war, war ich ein bisschen schneller als die anderen. Deshalb habe ich meist den Ball vorgeschlagen und bin gerannt. Es hat damals gut funktioniert und man sieht selbst heute noch Leute, die das machen.

Frage: Erzählen Sie von Ihrem Weg zum Linksverteidiger!

Cole: Es hat mir Spaß gemacht vorne zu spielen. Aber im Alter von 14 Jahren bekam ich die Chance für eine zwei Jahre höhere Jugendmannschaft von Arsenal zu spielen. Ein Linksverteidiger verletzte sich und ich bin eingesprungen, um die Chance wahrzunehmen, in einem älteren und besseren Team zu kicken. Ich habe dort gespielt und sie haben mich wieder eingeladen, als sich die Verletzung des Jungen als ernsthaft herausgestellt hat. Es schien, als mochte mich der Trainer und mit 15 oder 16 Jahren habe ich die Position dann begonnen ernst zu nehmen. Ich war immer dazu da Tore zu schießen, deshalb war es als Linksverteidiger ein bisschen langweilig. Zu Beginn fand ich es abschreckend, aber meine Zuversicht wuchs genauso wie die des Trainers. Von da an ging es so weiter.

Frage: In den mittleren 90ern haben brasilianische Außenverteidiger diese Position wesentlich attraktiver gemacht. Haben Sie die gesehen und gedacht: Das ist etwas für mich?

Cole: Ja! Es ist inspirierend, großartige Spieler wie Cafu oder Roberto Carlos zu sehen. Als ich klein war, waren Arsenals Außenverteidiger dafür bekannt, dass sie sich zurückhalten und überhaupt nicht angreifen. Ich habe Sie im Jugendteam beobachtet und dachte, mein Job sei nur zu verteidigen. Aber dann kam Roberto Carlos und die Leute haben gesehen, dass man beides machen kann. Ich habe Roberto Carlos sorgfältig beobachtet und selbst als ich gegen ihn gespielt habe, habe ich dazugelernt und nach Möglichkeiten gesucht, mit bestimmten Situationen umzugehen.

Frage: Sie haben Carragher zwar zugestimmt, aber heute sagen viele, dass die Außenverteidiger einem Spiel Breite und Dynamik geben. Können Sie einen Wandel in der Auffassung der Kinder beobachten? Dass manche nun auf dieser Position spielen wollen?

Cole: Das bezweifle ich. Man könnte das auf offensive Außen beziehen, aber nicht auf Außenverteidiger. Aber Sie haben Recht: Viele Teams nutzen offensive Außenverteidiger, um dem Spiel Breite zu verleihen und den Flügelspielern die Möglichkeit geben, nach innen zu ziehen und dort ihre Skills zu zeigen. Heutzutage hat man junge Spieler, die den ganzen Tag rennen können. Für solche ist Außenverteidiger womöglich genau die richtige Position.

Frage: Sie haben es gleich in die erste Mannschaft geschafft und wurden sogar von Patrick Vieira mit Paolo Maldini verglichen. War es auf Ihrem damaligen Level einfach, mit solchen Ritterschlägen umzugehen?

Cole: Für mich war es komisch, denn ich war ein schüchterner Junge. Normalerweise haben sich die Jungs aus der ersten Mannschaft gewundert, wenn ich irgendwann einmal in der Umkleidekabine gesprochen habe. Als Kind hat man Ehrfurcht vor diesen Spielern und dann bist du plötzlich neben Leuten wie David Seaman oder Tony Adams - Legenden! Ich habe von ihnen so viel gelernt und sie haben mir viele Ratschläge gegeben, wie ich meine Position ausfüllen sollte. Als Youngster wusste ich schon bevor der Ball bei mir ankam, was ich als nächstes machen werde. Es war ein sehr wertvoller Instinkt, vor allem für einen jungen Spieler. Es hat mir geholfen, unter den anderen Verteidigern herauszustechen.

Frage: Ihr großes Match auf internationaler Bühne kam 2004, als Sie es bei der Europameisterschaft mit Cristiano Ronaldo zu tun bekamen. Sind Sie besonders motiviert in dieses Match gegangen?

Cole: Nicht wirklich. Wann auch immer man sein Land bei einem großen Turnier vertritt, hat man immer einen solchen Adrenalinschub... An diesem Abend ging es um das Halbfinale und wir hatten alle ein riesiges Selbstvertrauen. Wir haben gespürt: Wenn jeder seinen Job macht, können wir gewinnen.

Frage: Wachsen Sie selbst daran, wenn Sie gegen die Besten auf einer großen Bühne spielen?

Cole: Ja, ich glaube schon. Ich bekam es vor dem Spiel gegen Portugal schon einmal im Old Trafford mit Ronaldo zu tun. Er hat einen Schritt an mir vorbei gemacht und ich fiel deshalb hin und machte einen Spagat. Danach habe ich mir gesagt: Ich werde diesen Typen das nie wieder mit mir machen lassen. Du willst nicht von den besten Spielern bloßgestellt werden oder dämlich aussehen. Deshalb wusste ich vor dem Portugal-Spiel, was ich zu tun hatte um ihn zu stoppen und es lief gut. Ein anderes Mal vielleicht nicht mehr, aber dieses Spiel war sehr wertvoll für mich.

Seite 2: Cole über Englands WM-Träume, Titelhunger & das fehlende Glück von 2002