Michael Owen exklusiv über Wechsel von Liverpool zu Real Madrid: "Ich heulte mir die Augen aus"

Von Mark Doyle
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© getty

Wenn der FC Liverpool und Real Madrid am Samstag im Champions-League-Finale von Paris aufeinandertreffen, ist das für Michael Owen ein Duell zweier Ex-Klubs - wenngleich der frühere englische Nationalstürmer sicherlich den Reds die Daumen drücken wird.

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SPOX und GOAL konnten im Vorfeld des Endspiels exklusiv mit Owen sprechen: Über seinen Wechsel aus Liverpool zu Real im Sommer 2004, die Eindrücke seiner Zeit bei den Königlichen, den Abschied aus Madrid, aber auch über aktuelle Stars wie Karim Benzema oder Virgil van Dijk.

Michael Owen exklusiv über ...

... seinen emotionalen Abschied aus Liverpool 2004 (war 13 Jahre lang im Verein): "Ich habe eine Woche lang nicht geschlafen. Auch noch auf der Fahrt zum Flughafen heulte ich mir die Augen aus, das gebe ich ganz offen zu. Einerseits denkt man, man würde sein Leben lang für Liverpool spielen, aber andererseits wird einem bewusst: 'Oh mein Gott, das ist Real Madrid. Wenn ich Nein sage, werde ich das mein Leben lang bereuen.' Es war die Chance, eine andere Liga, ein anderes Land, eine andere Sprache und eine andere Kultur kennenzulernen. Es ging darum, in diesem berühmten weißen Trikot spielen zu können, im Bernabeu. Mit Spielern wie Zidane, Figo, Beckham oder Roberto Carlos. Und dennoch dachte ich mir zwei Sekunden später eigentlich: 'Nein, ich will mein ganzes Leben lang bei Liverpool bleiben'. Es war also eine dieser wirklich komplizierten, lebensverändernden Entscheidungen."

... Gedanken an eine mögliche Rückkehr nach Liverpool: "Nachdem ich entschieden hatte, zu gehen, beruhigte ich mich selbst mit dem Gedanken, dass einst Ian Rush (ebenfalls Liverpool-Legende, d. Red.) den Klub in Richtung Juventus verlassen hatte und später wieder zurückkam. Vielleicht könnte ich das also auch tun. Ich fragte daher den damaligen Vorstandschef Rick Parry nach einer Art Gentleman's Agreement, wonach Liverpool mich nach ein paar Jahren in Madrid zurückholen könnte. Wir machten das dann auch so, aber man kann eine Karriere eben nie perfekt durchplanen (Owen kehrte 2005 zwar nach England zurück, spielte aber nicht mehr für Liverpool, sondern für Newcastle, Manchester United und Stoke, d. Red.)."

... seine Nervosität vor den ersten Tagen bei Real, die sich seinerzeit gerade in der Galacticos-Ära befanden: "Wenn man an einen neuen Arbeitsplatz kommt, ist man immer ein wenig aufgeregt und nervös. Aber ich denke mein vorrangiger Gedanke war, dass ich mich sehr gut fühlte. Ich hatte immerhin mal den Ballon d'Or gewonnen, also dachte ich keineswegs, dass dort jeder besser sei als ich. [...] Ich war voller Vorfreude darauf, im Training allen zu zeigen, wie gut ich bin. Wenn man zu einem neuen Team kommt, will man sich immer gleich den Respekt der neuen Kollegen erarbeiten. Der Respekt von den Fans oder dem Trainer kommt dann später. [...] Ich wollte also, dass Zidane mir den Ball zuspielt, obwohl ich gedeckt bin. Oder dass Ronaldo ihn mir zuspielt, obwohl drei Gegenspieler um mich herum stehen. Du willst ihren Respekt mehr als alles andere. Wenn sie dir und deinem Talent nicht vertrauen, ist es schwierig, das zu ändern und sich zu integrieren. Daher wollte ich so schnell wie möglich ins Training einsteigen und ihnen beweisen, dass sie mir am Ball vertrauen können."

... das Training bei Real Madrid: "Man hatte viele verschiedene Typen von Spielern. Manche hatten nicht das größte Talent, arbeiteten dafür aber wie besessen an sich, um das zu kompensieren. Dann hat man Jungs, die absolute Genies am Ball sind, aber überhaupt nicht arbeiten. Hier jene, die alle zwei Minuten einen Beinschuss probieren und dort jene, die jede einzelne Trainingseinheit verdammt ernst nehmen. Und schließlich gab es ein Genie, das auch noch hart arbeitete: Zidane. Er war ein Genie und zudem der ultimative Profi."

Michael Owen über Virgil van Dijk: "Der Beste, den ich je gesehen habe"

... seinen Weggang aus Madrid nach nur einem Jahr: "Was den Fußball angeht, hat es mir sehr gut gefallen. Ich habe mich zu Hause gefühlt und konnte auf dem Platz sehr gut spielen. Ich glaube, der Eindruck, den die Leute von meiner Zeit dort haben oder hatten, war, dass ich immer nur von der Bank kam. Aber ich stand in vielen Spielen in der Startelf. Ich war sehr involviert. Ich war allerdings nicht zuversichtlich, dass ich in der folgenden Saison so viele Spiele bestreiten würde, denn Madrid hatte gerade Julio Baptista und Robinho verpflichtet. Wir hatten bereits Fernando Morientes, Raul und Ronaldo, also dachte ich: 'Gott, am Ende der nächsten Saison steht eine Weltmeisterschaft an, ich habe keine Lust, oft auf der Bank zu sitzen'. Meine Frau hatte auch Heimweh. Ich wollte nicht unbedingt weg, ganz und gar nicht. Aber dann hat Madrid im Sommer zu mir gesagt: 'Sieh mal, wir sind froh, wenn du bleibst, aber wir haben ein Angebot erhalten und sind auch bereit, es anzunehmen, wenn du nach Hause gehen willst.' Ich entschied mich nach reiflicher Überlegung, in die Premier League zurückzukehren (zu Newcastle, d. Red.), denn ich wusste, dass ich das irgendwann sowieso tun würde; ich wusste, dass das meine langfristige Zukunft war. Ich hatte die Erfahrung im Ausland gemacht, die ich mir gewünscht hatte, und ich war ein wenig besorgt über die Aussicht, meinen Platz in der englischen Nationalmannschaft vor der Weltmeisterschaft zu verlieren."

... Real Madrids Stürmerstar Karim Benzema: "Es ist schon komisch, denn es gibt keine bestimmte Sache, die einem aus defensiver Sicht Angst macht. Wenn ich als Verteidiger gegen Kylian Mbappe antreten müsste, würde es mir den Schlaf rauben, denn er ist so schnell und geschickt, dass er Dinge tun kann, die dich absolut in Verlegenheit bringen. Es gibt keine Eigenschaften, die Virgil van Dijk das Fürchten lehren könnten. Er (Benzema, d. Red.) ist nicht so groß wie van Dijk, er ist nicht so stark wie van Dijk, er ist nicht so schnell wie van Dijk. Aber er muss sicherstellen, dass er im Endspiel immer konzentriert ist. Denn wenn man gegen Benzema blinzelt, wird er ein Tor schießen. Er ist so ein guter Torjäger und hat so ein tolles Temperament. Sein Ballbesitzspiel ist brillant, er hat alles. Er ist einfach ein brillanter Allround-Stürmer, eine komplette Nummer 9. Er ist jetzt 34 Jahre alt, aber er scheint immer besser zu werden. Er hat eine so gute Saison gespielt und ist nach Cristiano Ronaldos Abgang zum Mittelpunkt der Mannschaft geworden. Er musste den Angriff tragen, aber das hat ihn stärker gemacht."

... Liverpools Abwehrchef Virgil van Dijk: "Er ist der beste, den ich je gesehen habe, und ich habe schon gegen einige großartige Innenverteidiger gespielt. Im Moment geht er vielleicht nicht als der beste Innenverteidiger aller Zeiten in die Geschichte des Fußballs ein, denn die Leute werden sagen, dass er noch nicht alles gewonnen hat oder dass er noch nicht seit 20 Jahren an der Spitze steht. Aber es fällt mir schwer, einen Fehler an ihm zu finden. Jeder macht manchmal Fehler, aber er ist größer als alle anderen, er ist schneller als alle anderen, er ist schlauer als alle anderen. Er ist unglaublich gut am Ball, er schießt Tore, er ist ein großer Anführer. Ich würde behaupten, dass man jeden Verteidiger in der Geschichte des Fußballs gegen van Dijk antreten lassen kann, und ich bin mir nicht sicher, ob es einen besseren gibt. Ich meine, wer ist besser als er? Ich bin erst seit 40 Jahren auf diesem Planeten, aber ich habe noch niemanden gesehen!"