Marcel Heister von Ferencvaros Budapest im Interview: "Ich bin doch nur der Marci von der Schwäbischen Alb"

Marcel Heister spielt mit Ferencvaros Budapest in der Champions League gegen Stars wie Lionel Messi oder Cristiano Ronaldo.
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Als Sie Doll dann als Trainer kennenlernten, hat sich da Ihr positiver Eindruck bestätigt?

Heister: Voll und ganz. Er ist ein absoluter Kumpeltyp. Wenn man ihn kennt, mag man ihn einfach. Er saß oft mit uns Spielern in der Sauna und hat Witze gerissen. Im Grunde verhielt er sich außerhalb des Platzes wie ein Spieler. Auf dem Feld war er professionell und forderte sehr viel von uns, aber er wurde von wirklich jedem sehr gemocht und behandelte alle gleich.

Fünf Jahre lang war Doll bei Ferencvaros Trainer, 2016 gewann er die Meisterschaft. Sie arbeiteten jedoch nur sehr kurz mit ihm zusammen, da er bald nach Ihrer Ankunft trotz Tabellenführung entlassen wurde. Warum?

Heister: Ich kann über die genauen Gründe nichts sagen. Wir sind leider in Tel Aviv unglücklich aus der Europa-League-Qualifikation ausgeschieden. In der Liga haben wir aber die ersten vier Partien souverän gewonnen und anschließend ein Spiel unentschieden gespielt - und dann wurde er entlassen. Womöglich, weil den Verantwortlichen das internationale Abschneiden zu wenig war. Er hat mir echt richtig leid getan.

Thomas Doll war von 2013 bis 2018 Trainer bei Ferencvaros Budapest.
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Thomas Doll war von 2013 bis 2018 Trainer bei Ferencvaros Budapest.

Seitdem steht Sergei Rebrow an der Seitenlinie. Unter ihm wurde die Meisterschaft mit 13 Punkten Vorsprung klargemacht. Es war der erste Titel Ihrer Karriere. Wie hat sich das angefühlt?

Heister: Das war für mich ein Riesending. Zunächst wurde im Stadion gefeiert, es gab ein Feuerwerk und die Leute waren alle aus dem Häuschen. Anschließend sind wir in einen Club gegangen und haben dort lange durchgehalten. Ich kannte es ja gar nicht, so souverän und dominant aufzutreten und die Meisterschaft zu gewinnen. Das war wunderschön, eine Bestätigung für mich und meinen Weg.

Marcel Heister über Zuschauer während der Corona-Pandemie

Ein Jahr später dasselbe Spiel, Ferencvaros wurde erneut mit 13 Zählern Vorsprung Meister. Dazu qualifizierte man sich im Sommer erstmals nach 25 Jahren für die CL-Gruppenphase, in der Sie nun auf Barcelona, Juventus und Dynamo Kiew treffen. Gegen Turin waren trotz steigender Corona-Zahlen in Ungarn 20.000 Zuschauer im Stadion, an die geläufigen Hygieneregeln wurde sich dabei kaum gehalten. Wie denken Sie darüber?

Heister: Es ist in der jetzigen Situation natürlich schwer nachvollziehbar, wenn sich Tausende dicht gedrängt in ein Fußballstadion begeben. Als Spieler freut man sich zwar über die gute Stimmung im Vergleich zu den Geisterspielen, aber die Regeln müssen einfach eingehalten werden. Zuletzt in der Liga hat das aber deutlich besser geklappt.

Sie werden als Spieler zwar regelmäßig getestet, aber wie gehen Sie mit der Pandemie in Ihrem Alltag um?

Heister: Ich bin wirklich sehr vorsichtig, weil ich unbedingt vermeiden möchte, mich anzustecken oder in Quarantäne zu müssen. Erst Recht jetzt, da die Champions-League-Spiele auf dem Programm stehen, denn die sind für jeden unserer Spieler eine einmalige Gelegenheit. Ich meide Restaurants oder Cafes und habe mir sogar eine Haarschneidemaschine gekauft, um nicht zum Friseur zu müssen. Meine Frau sagt, ich würde es übertreiben - aber die spielt ja auch nicht Champions League. (lacht)

In der Liga standen Sie fast immer in der Startelf, in Barcelona und gegen Juventus saßen Sie zunächst nur auf der Bank. Hat Sie das geärgert?

Heister: Nein. Unser Trainer hat auf jeder Position zwei Spieler zur Auswahl. Mein Konkurrent Eldar Civic ist jung, spielt Nationalmannschaft und kickt auf demselben Niveau wie ich. Wenn der Trainer ihn aufstellt, entscheidet er sich nicht gegen mich, sondern für ihn. In diesen Dingen bin ich mittlerweile deutlich reifer geworden und sehe das nicht mehr so eng. Ich bin über jede Minute dankbar, weil es für mich alles andere als normal ist, auf einmal in der Champions League aufzulaufen. Das war immer mein Traum. Daher wäre ich schön blöd, wenn ich jetzt daran herummäkeln würde.

Bei Barca gab es eine 1:5-Klatsche (die Highlights im Video) , Sie kamen 27 Minuten zum Einsatz. Wie war's?

Heister: Ich war total aufgeregt und konnte es am Spieltag nicht erwarten, bis wir endlich in dieses riesige Stadion kamen. Plötzlich stand ich da neben den Stars, mit denen ich immer bei FIFA auf der Playstation zocke. Ich weiß noch, wie ich einmal Messi beim Reden mit Dembele beobachtete und wie in eine Art Tagtraum verfiel. (lacht) Andere Leute würden alles dafür tun, einmal Messi oder Ronaldo nah zu sein. Und ich stehe mit denen auf dem Platz und muss schauen, dass sie mich nicht tunneln. Ich bin total glücklich, bei all dem dabei sein zu dürfen.

Marcel Heister über Messi und Ronaldo

Und wer hat das Messi-Trikot bekommen?

Heister: Ich hätte es schon gerne gehabt, aber da ja absehbar war, dass das jeder haben möchte, habe ich mich in weiser Voraussicht gleich gänzlich zurückgehalten. Er hat den anderen signalisiert, dass er es in den Katakomben überreichen wird, aber er ist dann direkt verschwunden.

Marcel Heister spielt derzeit bei Ferencvaros Budapest in Ungarn.
Marcel Heister spielt derzeit bei Ferencvaros Budapest in Ungarn.

Wie lief es nach dem 1:4 gegen Juve (die Highlights im Video) bei Ronaldo?

Heister: Mir kam er etwas angefressen und sauer vor. Er hat nur abfällig abgewunken, als er nach seinem Trikot gefragt wurde. Vielleicht, weil ihm kein Tor gegen uns gelungen ist. Oder aber, weil ich ihn beim Versuch eines Dribblings den Ball abgenommen habe. Das wurde auch fotografisch festgehalten, ich habe es bei Instagram gepostet. Das schönste Erlebnis meines Lebens. (lacht)

Ihr Vertrag in Budapest läuft 2021 aus. Wie sieht Ihre Zukunft aus?

Heister: Ich kann es nicht sagen, denn wir haben noch keine Gespräche geführt. Ich muss abwarten und weiß nicht, wie der Verein plant. Ich mache mir aber keinen Kopf, denn ich fühle mich hier sehr wohl.

Glauben Sie, dass Sie vielleicht doch noch einmal in der Bundesliga landen könnten?

Heister: Ich würde mich über ein Angebot aus Deutschland freuen, keine Frage. Die Bundesliga ist für mich aber kein Muss oder ein Argument, um alle anderen möglichen Türen sofort zu schließen. Ich hätte überhaupt kein Problem damit, ein gutes Angebot irgendwo aus dem Ausland anzunehmen und dafür eines aus der Bundesliga abzulehnen. Wenn es zu einer Vertragsverlängerung kommen sollte, würde ich mich freuen. Wenn nicht, geht es eben in ein neues Abenteuer. Sicher ist jedenfalls: Ich werde weiterhin meinen eigenen Weg gehen.