Sevillas Lehrstunde für die Bundesliga: Der FC Bayern ist nicht unaufhaltsam

Die Verteidiger des FC Sevilla trieben Leroy Sane und Co. zur Verzweiflung.
© imago images / ActionPictures

Wenn auch mit dem Glück des Tüchtigen ausgestattet, trieb der FC Sevilla den FC Bayern im Supercup an den Rand einer Niederlage (die Highlights im Video). Die Vorstellung des Europa-League-Siegers war eine Lehrstunde für die Bundesliga.

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Julen Lopetegui trottete geknickt über den Rasen. Als die wichtigen Leute der UEFA dann endlich da waren und zur Siegerehrung baten, sollte die Enttäuschung beim Trainer des FC Sevilla aber schnell weichen.

Sein Gegenüber Hansi Flick und sogar Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern, kamen zu ihm, um Worte der Anerkennung und Aufmunterung an ihn zu richten.

"Wir können stolz auf uns sein", sagte Lopetegui wenig später. "Wir hatten nur zwölf Tage Vorbereitung, kein einziges Testspiel und die beste Mannschaft der Welt am Limit. Es gab Phasen, in denen wir die Möglichkeit hatten, zu gewinnen."

Sevilla Bayerns "stärkster Gegner seit Monaten"

Das sah auch der Kontrahent so. Javi Martinez, der entscheidende Torschütze in der Verlängerung, bezeichnete Sevilla als "stärksten Gegner seit Monaten". Lopetegui sei "einer der besten Trainer der Welt", fügte der Mittelfeldspieler an. Ein Ritterschlag, bekamen es die Münchner doch zuletzt in der Champions League mit Kalibern wie Paris Saint-Germain zu tun.

"Man darf nicht vergessen, dass Sevilla eine sehr gute Mannschaft ist. Von daher können wir heute auch einfach zufrieden sein mit unserer Leistung", antwortete Manuel Neuer nach dem 2:1 auf die Frage, warum seine Vorderleute denn so große Schwierigkeiten hatten.

Thomas Müller meinte, man habe den Europa-League-Sieger "ein Stück weit auch so unangenehm erwartet". Der Weltmeister fühlte sich an das Pokalfinale 2014 erinnert, das der FCB ebenfalls nach Verlängerung mit 2:0 gegen Borussia Dortmund gewann. "Die Adduktoren haben schon gezappelt."

Zentrum dicht: Thiagos Fehlen macht sich bemerkbar

Ein Gefühl, das Müller und seine Kollegen nicht oft zu spüren bekommen, vor allem nicht in der Bundesliga, in der sich so manche Gegner schon im Vorfeld den Anschein erwecken, nur um Schadensbegrenzung bemüht zu sein. Die Andalusier, nicht erst seit der Ankunft von Lopetegui im Sommer 2019 mit der Mentalität zähnefletschender Krieger ausgestattet, gingen nicht nur geschlossen ins Pressing, sie kam auch schnell hinter den Ball, wenn die erste Pressinglinie überspielt oder der Ball in der Vorwärtsbewegung verloren wurde. Die Grundformation 4-3-3 war im Spiel gegen den Ball mehr ein 4-5-1.

Auffällig war das Defensivverhalten der Außenstürmer Lucas Ocampos und Suso, die immer wieder einrückten, um das von Fernando, Joan Jordan und Ivan Rakitic ohnehin schon dichte Zentrum noch dichter zu machen.

Ohne einen wendigen, kombinationsstarken Mann mit den zündenden Ideen in diesem Bereich des Platzes - Thiago ist jetzt nun einmal der Dirigent von Jürgen Klopp - fanden die Münchner nur selten Struktur und Tiefe in ihrem Spiel. Und wenn sie dann dank einer guten Seitenverlagerung oder eines guten Schnittstellenpasses von Joshua Kimmich und Co. einmal ins letzte Drittel gelangen, wurden sie so massiv bearbeitet, dass sie kaum gefährlich zum Abschluss kamen.

Sevilla mit mehr Expected Goals als Bayern

Statistisch gesehen gab der Favorit zwar eine Vielzahl von Schüssen ab (25), nur sieben davon gingen aber auf das Tor von Sevillas Schlussmann Yassine Bounou. In der regulären Spielzeit kam Sevilla mit nur drei Abschlüssen auf mehr Expected Goals (1,4) als die Bayern (1,2): Sevilla kam in aussichtsreicheren Positionen zum Torschuss.

Der Plan von Lopetegui, allen voran Serge Gnabry und Leroy Sane so wenig Platz wie möglich zu geben, ging auf. Gepaart mit der Einsatzbereitschaft und der Zielstrebigkeit von Spielern wie dem kaum vom Ball zu trennenden Ocampos, aber auch mit dem nötigen Quäntchen ­Glück bei so mancher Schiedsrichterentscheidung wurde Sevilla um ein Haar zur bayerischen "Bestia Negra".

Neuer hält, Martinez trifft: Bayerns individuelle Klasse siegt

Den Unterschied machte am Ende die individuelle Klasse: Während der für Mittelstürmer Luuk de Jong eingewechselte Youssef En-Nesyr zwei Unsicherheiten der Bayern-Abwehr im Eins-gegen-Eins mit dem hellwachen Neuer nicht nutzte, blieb Martinez in seinem vermutlich letzten Auftritt für den Champions-League-Sieger eiskalt, als sich ihm nach einem mäßig parierten Ball von Bounou in der 104. Minute die Chance bot, zum Matchwinner zu avancieren. Sevillas körperlich beherzter, aber taktisch durchdachter Auftritt war aber beispielhaft für jeden, der es in Zukunft mit dem Team von Flick zu tun bekommt.

"Wir waren nahe dran, näher als Bayerns Gegner im vergangenen Monat in der Champions League", sagte Lopetegui. Die Erkenntnis der Partie: Auch die aktuell beste Mannschaft der Welt ist nicht unaufhaltsam­. Schon gar nicht, sollten die Verantwortlichen um Sportvorstand Hasan Salihamidzic bis zum 5. Oktober keine Verstärkungen an Land ziehen.

Bayern-Trainer Flick pocht weiter auf Neuzugänge

Flick wünscht sich angesichts des vollen Spielplans, dass jede Position im Kader doppelt und wenn möglich gleichwertig besetzt ist. Neben einem Rechtsverteidiger (Sergino Dest von Ajax Amsterdam ist im Gespräch) steht noch ein Flügelstürmer, der eine Rolle als Backup wie Ivan Perisic akzeptiert, sowie ein Mann fürs Mittelfeld auf seiner Liste, sofern Martinez wie erwartet den Verein noch verlässt.

"Wir sind einer Meinung, dass wir noch Qualität im Kader brauchen", betonte Flick nach dem Spiel in Budapest. Auf Salihamidzic kommen arbeitsreiche Tage zu.

FC Bayern München: Die nächsten Spiele

DatumWettbewerbGegner
27. SeptemberBundesligaTSG Hoffenheim (A)
30. SeptemberDFL-SupercupBorussia Dortmund (H)
4. OktoberBundesligaHertha BSC (H)
15. OktoberDFB-Pokal1. FC Düren (A)
17. OktoberBundesligaArminia Bielefeld (A)
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