Vicente del Bosque exklusiv über WM-Titel 2010: "Waren damals nicht unaufhaltsam"

Von SPOX
Vicente del Bosque glaubt, dass Spanien beim WM-Sieg 2010 nicht unaufhaltsam war.
© imago images / Laci Perenyi

Vor exakt zehn Jahren krönte sich Spanien zum bislang einzigen Mal zum Weltmeister. Der damalige Trainer Vicente del Bosque blickt zurück.
 
 

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Es lief die 116. Minute im Finale der WM 2010 in Südafrika, als sich Andres Iniesta unsterblich machte: Mit einem cleveren Abschluss überwand der Barca-Star Hollands Keeper Maarten Stekelenburg, traf zum 1:0 und machte Spanien damit zum ersten und bis dato einzigen Mal zum Weltmeister.

Exakt zehn Jahre später blickt Spaniens damaliger Trainer Vicente del Bosque, der die Furia Roja zwei Jahre später auch zum EM-Titel führen sollte, im exklusiven Gespräch mit SPOX und Goal zurück auf das Turnier damals. Dabei spricht er unter anderem über die Auftaktniederlage gegen die Schweiz, den Sieg im Halbfinale gegen Deutschland und einen Besuch des damaligen Bondscoachs Bert van Marwijk ein halbes Jahr nach dem Endspiel in Madrid.

Vicente del Bosque exklusiv über ...

... die Erwartungen vor der WM: "Wir gewannen alle zehn Qualifikationsspiele und hofften darauf, eine gute WM zu spielen. Aber Weltmeister zu werden ist dann schon noch mal eine andere Hausnummer. Wir haben einfach einige Dinge richtig gut gemacht, das habe ich auch erkannt, als ich mir Jahre später die Spiele noch einmal angeschaut habe. Wir waren eine extrem ambitionierte Mannschaft und für jeden Gegner extrem unangenehm. Aber man muss sagen, dass wir auch Glück hatten. Einige Umstände kamen uns entgegen, wenngleich wir im ersten Spiel Pech hatten. Doch danach war das Glück auf unserer Seite."

... die 0:1-Auftaktniederlage im ersten Gruppenspiel gegen die Schweiz : "Wir haben danach immer wieder betont, uns niemals selbst zerfleischen zu wollen. Wir wollten uns gegenseitig unterstützen und den Weg weiter verfolgen, der uns so weit gebracht hatte, wollten den selben Spielern und dem selben Stil vertrauen. Alles andere hätte die Spieler verwirrt. Daher war die Startelf im zweiten Spiel gegen Honduras auch fast exakt die gleiche wie gegen die Schweiz. Wir hatten 23 Spieler dabei und durchaus die Möglichkeit, mehr Wechsel vorzunehmen - aber wir entschieden uns dafür, dem Altbewährten zu vertrauen."

... den Sieg über Portugal im Achtelfinale und das knappe Weiterkommen im Viertelfinale gegen Paraguay: "Der Sieg gegen Portugal gab uns Selbstvertrauen und Optimismus. Aber man darf nicht vergessen, dass wir gegen Paraguay viel gelitten haben. Sie waren ein harter Gegner, der uns nicht erlaubte, das Spiel zu kontrollieren. Ich würde nicht so weit gehen, zu sagen, dass sie uns beherrschten, aber es war sehr kompliziert. Sie hätten in Führung gehen können (durch einen Elfmeter von Oscar Cardozo, den Iker Casillas aber hielt, d. Red.) und niemand kann sagen, was passiert wäre, wenn Cardozo getroffen und Iker seinen Versuch nicht pariert hätte. Vielleicht hätten wir trotzdem gewonnen, aber man weiß es nicht. Das sind die Dinge, die den Fußball einzigartig machen."

Del Bosque über Halbfinale gegen Deutschland: "Nicht unaufhaltsam"

... den 1:0-Sieg im Halbfinale gegen Deutschland: "Wir waren damals nicht unaufhaltsam, die Unterschiede zwischen den Mannschaften waren minimal - aber ich denke, wir hatten Deutschland unter Kontrolle. Ich erinnere mich an einen Distanzschuss von Toni Kroos, den Casillas halten konnte, danach kontrollierten wir das Spiel und taten unserem Gegner weh. Wir waren besser, wie es das Ergebnis auch aussagte."

... die ruppige Gangart von Holland im Finale: "Sechs Monate nach dem Spiel kam ihr Trainer (Bert van Marwijk, d. Red.) nach Madrid, um Hallo zu sagen und sich sogar ein bisschen zu entschuldigen. Er war in jeglicher Hinsicht ein Gentleman und irgendwie war ihm danach. Zu Beginn des Spiels, bei ihren ersten Versuchen unser Spiel zu zerstören, hatten sie ein paar Aktionen, die nicht so schön waren, aber ich bin niemand, der sich darüber aufregt. Aber es stimmt, dass er im Dezember 2010 zu uns nach Madrid kam, um ein wenig zu plaudern. Um solche Gesten zu zeigen, muss man ein besonderer Typ sein."

... Casillas' Rettungstat gegen Arjen Robben im Finale und Iniestas Siegtor: "Wir werden nie erfahren, was passiert wäre, wenn er (Casillas, d. Red.) diesen Ball nicht gehalten hätte. In jedem Spiel gibt es diesen einen Moment, von dem man später sagt: 'Verdammt, ohne das hätten wir vielleicht verloren'. Aber man kann es nie sagen. Gleiches gilt für Iniestas Tor in der 116. Minute: Die ganze Welt dachte da wahrscheinlich, dass wir schon Weltmeister seien, aber es waren ja noch vier Minuten zu spielen. Im Fußball kann in vier Minuten noch so viel passieren."

... Spaniens Chancen, noch einmal in ein WM-Finale einzuziehen: "Wir sollten optimistisch sein, wir haben gute Spieler. Natürlich werden wir keinen neuen Iniesta, neuen Xavi oder neuen Casillas sehen - aber andere Spieler werden an ihre Stelle treten, mit einer anderen Spielweise. Ich denke, wir werden immer an den ersten Plätzen bei diesen Turnieren kratzen."

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