Hannes Wolf vom KRC Genk im Interview: "In Genk habe ich die Journalisten schon im Wald gesucht"

Hannes Wolf ist seit November 2019 Trainer des KRC Genk in Belgien.
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Am Ende Ihrer ersten Profisaison gewannen Sie mit dem VfB die Zweitliga-Meisterschaft und führten den Klub zum direkten Wiederaufstieg - es war die vierte Saison in Folge, in der eine von Ihnen trainierte Mannschaft auf Platz eins abschnitt. Wie hat Sie diese erste Spielzeit als Cheftrainer im Seniorenbereich geprägt?

Wolf: Wenn mir jemand 2013 gesagt hätte, ich gewinne bald viermal in Folge in unterschiedlichen Ligen mit unterschiedlichen Mannschaften einen nationalen Titel, hätte ich ihn für verrückt erklärt. Diese Saison war extrem schwer und absolut kein Selbstläufer. Was in Hamburg passiert ist, hätte auch beim VfB passieren können. Nur hatten wir dort mehr Glück mit Verletzungen und haben viele Spiele noch knapp gewonnen. Das zeigt letztlich, wie unglaublich schwer die 2. Liga ist und wie weh sie tun kann. Den Menschen fällt es schwer, das zu akzeptieren. Auch die Freude in den Gesichtern der Leute nach dem Aufstieg zu sehen, prägt einen. Man merkte, dass sie sich sehr mit unserer Arbeit identifizierten.

Haben Sie sich als Trainer im Profibereich irgendwie verändert?

Wolf: Du brauchst schon eine grundsätzliche Stabilität in der Art, wie du arbeitest, trainieren lässt oder mit Menschen sprichst. Ich habe meine Stimme nicht verstellt, nur weil ich Profitrainer geworden bin. Ich bin aber in der Zusammenarbeit mit den Spielern und der Mannschaft gewachsen. Als der Druck anwuchs, habe ich gemerkt, wie sie als Spieler und Menschen darauf reagieren. Da sind wir dann auch mal taktisch weniger konkret geworden und haben vielleicht auch nur gesagt: Lenkt den Gegner auf eine Seite und lasst ihn dort nicht mehr heraus.

Nach der Rückkehr in die Bundesliga haben Sie aufgrund der enormen Offensivschwäche den Fokus verändert, dabei gingen die Stärken in der Defensive etwas verloren.

Wolf: Wir haben in dieser Saison einige Neuzugänge erst ganz spät bekommen. Hinzu kamen Verletzungen wie die von Daniel Ginczek, Chadrac Akolo und Anastasios Donis, die letztlich ein Mehr an offensiver Durchschlagskraft verhindert haben. Da hätten wir in der Breite vielleicht noch ein, zwei Offensive gebraucht. Wir standen aber nie auf einem Relegationsplatz. Die Mannschaft war intakt und konnte gut verteidigen. Was fehlte, war gerade in den Spielen nach unserem Heimsieg gegen Dortmund das nötige Quäntchen Glück und mehr gesunde Spieler, wie es nach meinem Aus in der Rückrunde der Fall war. Unter dem Strich haben wir den VfB aus einer schwierigen Situation in der 2. Liga in eine stabile Position in der Bundesliga gebracht, was auch von den allermeisten Leuten anerkannt wurde.

Es hätte einiges auch anders laufen können, man denke unter anderem an den verschossenen Elfmeter in der Nachspielzeit gegen den FC Bayern. Welcher Moment hat Ihnen am meisten einen Knacks gegeben?

Wolf: Ich hatte keinen Knacks bekommen. Der Führungswechsel zu Michael Reschke entpuppte sich jedoch als zu großer Unterschied zu der Philosophie, wegen der man uns ein paar Monate zuvor zum VfB holte. Die sah vor, mit jungen Spielern zu arbeiten, mit Pressing und Gegenpressing spielen zu lassen, die Gegner hoch anzulaufen. Wenn dann der Kader nicht mit dieser Philosophie zusammenpasst, wird es schwierig.

Wie viel ist denn für Sie persönlich kaputt gegangen, als Sportdirektor Schindelmeiser kurz nach dem Aufstieg entlassen wurde und nicht mehr an ihrer Seite war?

Wolf: Das ist auf einer anderen Ebene kaputtgegangen, nicht auf meiner. Natürlich ist es ein Unterschied, wenn der Sportdirektor, der dich verpflichtet hat und mit dem du aufgestiegen bist, zwischendurch ausgetauscht wird. Der Verein hat diese Entscheidung getroffen und danach hat sich vieles geändert. Am Ende sah man, dass die zahlreichen Wechsel, die der Verein vollzogen hat, nicht wirklich geholfen haben.

Hannes Wolf und Sportdirektor Michael Reschke (l.) zu gemeinsamen Zeiten beim VfB Stuttgart.
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Hannes Wolf und Sportdirektor Michael Reschke (l.) zu gemeinsamen Zeiten beim VfB Stuttgart.

Hat es Sie überrascht, dass die Mannschaft unter Ihren Nachfolgern Tayfun Korkut und Markus Weinzierl umgebaut wurde und deutlich erfahrener daherkam?

Wolf: Nein. Es war klar, dass es nach mir diesen Paradigmenwechsel geben wird. In Stuttgart war es zuvor häufig so, dass neue Spieler an Wert verloren haben. Wir haben versucht, das zu durchbrechen. Bei Benjamin Pavard ist uns das am besten gelungen, aber auch andere junge Spieler haben unter uns Werte aufgebaut. Ich wünsche mir, auch für den HSV, dass ihnen das wieder häufiger gelingt, denn davon lebt schließlich auch ein Fußballverein.

Hat dieser Paradigmenwechsel mit der allgemeinen Ungeduld zu tun, die im Profifußball herrscht?

Wolf: Natürlich. Es ist schließlich ein Unterschied, ob der Sportdirektor oder der Trainer gewechselt wird. Wird der Sportdirektor gewechselt, hält immer auch eine neue Philosophie Einzug. Man müsste es einmal genauer eruieren, aber ich glaube, wenn ein Sportdirektor längere Zeit bei einem Verein bleibt, wird er nicht so viele Trainer austauschen wie wenn man immer die Sportdirektoren wechselt. Dies in Kombination mit einem Wechsel der Philosophie macht es quasi unmöglich, dass ein Trainer über einen längeren Zeitraum kontinuierlich arbeiten kann. Diese Ungeduld hängt aber wie gesagt immer mit der sportlichen Situation zusammen, da die Erwartungshaltungen zum Beispiel in Stuttgart oder Hamburg auf Dauer sehr schwer zu erfüllen sind.

Beim VfB ist im Nachhinein ein wenig der Eindruck entstanden, dass Sie quasi selbst hingeworfen hätten. Sie haben aber angedeutet, dass das von Ihnen gesuchte Gespräch mit der Vereinsführung eher ein Test war, wie eng man wirklich zusammenhält. Würden Sie das heute wieder so machen?

Wolf: Klar. Ich fand das normal, denn es ging dabei um offene Fragen: Wofür stand ich eineinhalb Jahre lang und wie geht es mit der Gruppe, die mir zur Verfügung steht, genau weiter? Wie seht ihr das? Zumal es eben zuvor schon einige Veränderungen gab, die es erschwerten, weiterhin den Fußball spielen zu lassen, für den ich beim VfB stand.