Ex-ÖFB-Stürmer Marc Janko im Interview: "Instagram ist eine Gefahr für das geistige Wohlbefinden"

Marc Janko spielte von 2006 bis 2019 für die österreichische Nationalmannschaft.
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Sie sind sehr aktiv auf Twitter und äußern sich auch viel über Themen abseits des Sports, zum Beispiel über Politik, Gesellschaft oder Wirtschaft. Was gibt Ihnen das?

Janko: Ich halte mich gerne auf Twitter auf, weil es das soziale Medium ist, das meinen Ansprüchen am nächsten kommt. Einerseits erhält man dort viele Informationen aus erster Hand und teilweise sogar schneller als auf Nachrichtenseiten. Andererseits finde ich es angenehm, dass Twitter nicht wie zum Beispiel Instagram auf reine Selbstdarstellung ausgelegt ist. Bei Twitter geht es nicht darum, sein Essen oder seinen coolen Urlaub zur Schau zu stellen. In diesem Umfeld äußere ich mich gerne zu Themen, die mich bewegen, und spreche an, wenn mir etwas nicht gefällt. Da nehme ich kein Blatt vor den Mund.

Denken Sie, dass Sie als bekannter (Ex-)Profifußballer mit Ihren Meinungen etwas bewegen können?

Janko: Natürlich habe ich wegen meiner Karriere Fans, beziehungsweise Follower, die meine Meinungen lesen. Ich denke aber nicht, dass es Leute gibt, die sich in der Früh nach dem Aufstehen fragen: "Was sagt der Marc wohl heute?" Wichtig war mir während meiner Zeit als Profifußballer immer, dass ich mich bei politischen Fragen überparteilich äußere. Heutzutage wird gerne versucht, die Gesellschaft zu spalten und aufzuhetzen. Generell kann Sport in weiterer Folge verbindend wirken und dessen sollte sich jeder aktive Profisportler bewusst sein, bevor er sich auf eine Seite schlagen lässt. Jetzt nach meinem Karriereende werde ich politisch vielleicht eher Partei ergreifen.

Können Sie sich vorstellen, selbst in die Politik zu gehen?

Janko: Ich habe lange relativ wenig mit Politik anfangen können. Mein Interesse daran hat sich erst nach und nach entwickelt. Mir ist bewusst geworden, dass jeder mit seiner Meinung Dinge mitgestalten kann - sei es nur, indem er wählen geht. Seit einigen Jahren verfolge ich die österreichische Politik intensiver. Dabei bin ich zu dem Schluss gekommen, dass die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass ich mir das nicht antun möchte. Bei meinen Auslandsstationen wurde ich auch schon öfter angesprochen in der Art: "Was ist denn bitte in eurer Politik los?"

Am Tag der Pressefreiheit am 3. Mai riefen Sie bei Twitter dazu auf, diese ernst zu nehmen. Haben Sie das Gefühl, dass die Pressefreiheit aktuell vernachlässigt wird?

Janko: Bei uns in Österreich gab es zuletzt einen Fall, bei dem eindeutig probiert wurde, die Pressefreiheit einzuschränken. In erster Linie hat mich natürlich die Aktion an sich geschockt. Viel mehr aber noch, dass es meiner Meinung nach sehr lange gedauert hat, bis man es erstens kritisiert und sich zweitens von solchen Aussagen distanziert hat. Dass die Aktion ohne personelle Konsequenzen geblieben ist, lasse ich jetzt mal außen vor. Das hat mich massiv verstört und deswegen habe ich mich dazu geäußert.

Es gibt nur wenige (Ex-)Profifußballer, die sich Gedanken über Themen abseits des Sports machen und diese auch öffentlich kommunizieren. Haben Sie während Ihrer Karriere versucht, die Sinne von Mitspielern zu schärfen?

Janko: Die meisten jüngeren Spieler kümmern sich nur um ihre eigene Karriere und der Rest ist ihnen egal. Das ist auch ganz normal, ich war mit Mitte 20 nicht anders. Deswegen habe ich meine Mitspieler in den vergangenen Jahren mit solchen Themen auch nicht proaktiv belästigt. Wenn ich bei jemandem aber das Gefühl hatte, dass ihm die Beschäftigung mit einem gewissen Thema guttun würde, habe ich das schon angesprochen. Oft ist ein kleiner Reiz von außen genug, um etwas im Unterbewusstsein eines Menschen auszulösen.

Wie sind Sie solche Gespräche angegangen?

Janko: Ich bin ein ziemlich empathischer Mensch und weiß sehr genau, wie ich jemanden ansprechen muss, damit ich einen Zugang zu ihm finde. Bei manchen leite ich Gespräche etwas vorsichtiger auf gewisse Themen, bei anderen direkter.

Sie sprachen vorher die Selbstdarstellung bei Instagram an. Viele Profifußballer sind in diesem sozialen Netzwerk sehr aktiv. Was birgt das für Gefahren?

Janko: Instagram ist nicht nur für Profifußballer eine Gefahr, sondern für das geistige Wohlbefinden eines jeden Menschen. Es ist eine Scheinwelt, die nichts mit dem richtigen Leben zu tun hat. Bei Instagram geht es mittlerweile doch nur darum, Perfektion zur Schau zu stellen. Aber niemand ist perfekt. Der Mensch vergleicht sich - ob bewusst oder unbewusst - permanent mit dem, was er gerade sieht. Und wenn er bei Instagram ständig vorgegaukelte Perfektion von anderen sieht, während er selbst normalen Alltag hat, macht ihn das zunächst traurig und mittelfristig möglicherweise depressiv. Ich werde demnächst vielleicht auch das eine oder andere Posting auf Instagram in die Welt setzen, das diese Art des "Zurschaustellens" ein bisschen aufs Korn nimmt. Aber da will ich noch nicht zu viel verraten.

Haben Sie entsprechende Verhaltensmuster auch bei Mitspielern erlebt?

Janko: Natürlich, das passiert die ganze Zeit. Immer mehr Profifußballer geraten in die Instagram-Blase und kommen da schwer wieder raus. Ähnlich gefährlich ist im Profifußball aber die permanente Fremdbestimmung.

Wie meinen Sie das?

Janko: Als Profifußballer wird dir vom Verein alles abgenommen. Das war zwar schon zu Beginn meiner Karriere so, hat seitdem aber noch einmal stark zugenommen. Du darfst überspitzt gesagt nur nicht vergessen, dir am Abend alleine die Zähne zu putzen und den Wecker zu stellen. Den Rest erledigt der Verein für dich. Wenn du das falsche Umfeld und kein Korrektiv hast, verlierst du dadurch automatisch die Relation zur Realität und hebst ab. Das macht keiner absichtlich, das passiert automatisch. Zum Glück habe ich ein gutes Elternhaus. Dadurch bestand bei mir nie die Gefahr, abzuheben.