Mohamadou Idrissou im Interview: "Ohne mich wäre die Freiburger Fußballschule pleite"

Von 2008 bis 2010 spielte Mohamadou Idrissou für den SC Freiburg.
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SPOX: Nach einer Saison wurde der Vertrag in beiderseitigem Einvernehmen aufgelöst und Sie nahmen Abstand vom Fußball. Wie sehr war diese Entscheidung gewollt?

Idrissou: Mir ist in Uerdingen die Lust vergangen, ich habe kaum noch trainiert. Donnerstag Training, Samstag Spiel - das war's. Ich war einfach nicht fit. Also habe ich beschlossen, das Thema Fußball fürs Erste zur Seite zu legen und mich noch stärker um meine Mutter zu kümmern. Wir haben sie dann zur Operation nach Frankreich gebracht, da ging es über drei Monate intensiv hin und her.

SPOX: Wie geht es ihr heute?

Idrissou: Sehr gut. Es ging ihr nach dem Eingriff zum Glück schnell wieder deutlich besser und sie konnte nach Kamerun zurückkehren. Vier Monate nach der OP bat sie mich, doch bitte wieder mit dem Fußball anzufangen, da ich es ja nach all den Jahren nur ihretwegen erstmals komplett gelassen habe. Für sie wäre es nicht zu ertragen gewesen, wenn meine Karriere zu Ende gegangen wäre, nur weil sie krank geworden ist. Sie hat mir sogar verboten, sie noch einmal in Kamerun zu besuchen und meinte nur: Jetzt such dir einen neuen Verein, besuchen kannst du mich später immer noch. (lacht)

Idrissou über den Wechsel zu Union Hallein und seine Zukunft

SPOX: Den neuen Verein haben Sie nun gefunden. Seit Januar spielen Sie in Österreich beim Viertligisten Union Hallein aus der Nähe von Salzburg, den schon Werner Lorant trainierte. Der Verein kämpft gegen den Abstieg. Wieso kam Deutschland nicht mehr in Frage?

Idrissou: Diese Entscheidung ist nach und nach, aber auch spät gereift. Dort ist mein Ruf einfach ruiniert und ich habe mich schon oft genug lächerlich machen lassen. Ich will meine Ruhe und habe jetzt einen Ort gefunden, an dem mich die Leute respektieren und so akzeptieren, wie ich bin. Man freut sich hier, dass ich gekommen bin. Das ist für mich schon Motivation genug.

SPOX: David König, Halleins sportlicher Leiter, hatte den Kontakt zu Ihnen über Facebook gesucht. Das war bestimmt auch für Sie ungewöhnlich, oder?

Idrissou: Klar. Wenn mir Leute schreiben, mit denen ich auf Facebook nicht befreundet bin, sehe ich das manchmal, aber nicht regelmäßig bei meinen Nachrichten. Deshalb war es reiner Zufall, dass ich Davids Nachricht nur Stunden später gelesen habe. Daraufhin haben wir uns ein paar Mal geschrieben. Anfangs wusste ich nicht einmal, dass der Verein aus Österreich kommt. (lacht)

SPOX: 13 Pflichtspiele stehen in dieser Saison noch für Sie auf dem Programm. Sehen Sie diese Aufgabe hier noch als mögliches Sprungbrett an?

Idrissou: Ja. Ich bin jetzt erst einmal bis zum Sommer da und danach sehen wir weiter. Ich trainiere gerade wieder regelmäßig, fühle mich fit und nähere mich den 100 Prozent allmählich an. Sobald ich die Spiele in den Knochen habe, gilt zumindest das Argument nicht mehr, ich hätte ein Jahr lang keinen Fußball mehr gespielt. Und meine Stärken sind geblieben, die verschwinden nicht so schnell.

SPOX: Es könnte aber auch genauso gut sein, dass Sie noch eine weitere Saison in Österreich verbringen?

Idrissou: Natürlich, warum nicht? Ich spiele nicht mehr für das Geld, das ist für mich nicht ausschlaggebend. Ich helfe mir hier selbst, um weiter zu kommen. Der Verein stellt mir eine Unterkunft zur Verfügung und den Rest übernehme ich. Ich freue mich, dass ich hier helfen kann und das honoriert wird. Seitdem ich angekommen bin, fühle ich mich wie neu geboren.

SPOX: In welchem Alter wollen Sie aufhören?

Idrissou: Ich bin immer noch jung und knackig. Meine Karriere muss noch weitergehen. Bis 40 will ich mindestens noch spielen und das schaffe ich definitiv auch. Ich fühle mich nicht zu alt.

SPOX: Wenn Sie heute zurückblicken auf die zahlreichen Vereine und Ihre bewegte Vita, bereuen Sie irgendetwas davon?

Idrissou: Nein. Es gibt so viele Vereine auf der Welt. Wenn welche Interesse an dir zeigen und dich wollen, dann heißt das, dass du gut bist und weiterkommen kannst - sportlich wie finanziell. Ich bin nur deshalb vier Jahre in Hannover geblieben, weil dort fast alle Trainer auf mich gesetzt haben. Dann verletzte ich mich und bekam häufig Spritzen ins Knie, die mich zwischenzeitlich fast die Karriere kosteten. Oft konnte ich auch einfach nicht nein sagen. Manche Mitspieler haben mich schon spaßeshalber als Söldner betitelt, weil ich immer wieder so schnell gegangen bin.

Idrissou über den Freiburger Playstation-Fangesang

SPOX: Der Klassiker zum Schluss: Im Februar 2010 sollen Sie als Freiburger Spieler zu Ihren Teamkollegen gesagt haben: "Ich habe eh keine Lust mehr, mit euch Absteigern zu spielen. Ich spiele nächstes Jahr in der Champions League." Daraufhin dichteten Freiburger Fans das Lied "Idrissou spielt Champions League auf PS3, die ganze Nacht, von 12 bis 8". Haben Sie das wirklich gesagt?

Idrissou: Nein, der Satz ist von mir nie gefallen. Das entstand aus einem Gespräch mit Kapitän Heiko Butscher. Er sagte, dass ich in Freiburg bleiben soll, damit wir nochmal ein Jahr Bundesliga zusammenspielen. Dann kam Stefan Reisinger dazu, hörte das und lachte laut: 'Der Mo wird nächste Saison Champions League spielen. Felix Magath ist heiß auf ihn, er hat auf Schalke schon unterschrieben.' Das war es. Die beiden haben sich auch bei mir entschuldigt, als das so hohe Wellen schlug. Keine Ahnung, wie das auf diese Weise nach außen drang.

SPOX: Wie empfanden Sie den Fangesang?

Idrissou: Das hat mich natürlich geärgert. Die Freiburger Fans sind nicht dankbar. Ich habe diese Mannschaft in die Bundesliga geschossen. Christian Streich hat zu mir gesagt, dass die Freiburger Fußballschule ohne mich pleite wäre. Ich habe nicht nur mit meiner späteren Ablösesumme geholfen, sondern auch durch die Rückkehr in die 1. Liga. 'Mo, ich werde dir mein Leben lang danken' - das hat Streich zu mir gesagt. Fragen Sie ihn, er kann das bestätigen.

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