Englischer Zweitligist mit deutschen Einflüssen: Huddersfields Rückeroberungsfeldzug

Huddersfield Town ist derzeit Dritter der zweitklassigen Championship
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Der englische Zweitligist Huddersfield Town steht unter deutscher Kontrolle. Trainer David Wagner und fünf fußballspielende Landsleute kämpfen um den Premier-League-Aufstieg, während hinter dem Tor deutsche Fahnen wehen. Nun will der Klub den eingeschlagenen Weg auch vermarktungstechnisch nutzen. Die Zusammenarbeit mit einer Agentur soll deutsche Firmen nach Nord-England locken.

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Am 9. November 2015 machte sich Deutschland in Person von Trainer David Wagner und seiner Gefolgschaft auf, den englischen Zweitligisten Huddersfield Town zu übernehmen. Von Zeit zu Zeit schlossen sich seine Landsleute Christopher Schindler (ehemals 1860 München), Michael Hefele (Dynamo Dresden), Chris Löwe (Kaiserslautern), Elias Kachunga (Ingolstadt) und Collin Quaner (Union Berlin) dem fußballerischen Eroberungsfeldzug an.

Und die deutsche Delegation hatte Erfolg, bald herrschte unter dem Hashtag #WagnerRevolution Revolutions-Stimmung in Huddersfield und mittlerweile gar Hochblüte-Zeit. Von Zweitliga-Platz 19 auf drei führte Wagner den Klub, dessen Wappen ein stolzer Terrier ziert. Folgerichtig spricht Wagner auch von der "Terrier-Identität", wenn er auf die DNA seiner Mannschaft angesprochen wird: "Wir sind nicht der größte Hund, sondern klein, aber aggressiv und furchtlos. Wir nehmen es gerne mit Größeren auf, sind schnell, wendig und haben Ausdauer. Wir geben nie auf."

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E-Mails aus Deutschland

Während Wagner und seine Terrier also nie aufgeben und aggressiv, furchtlos, schnell, wendig und ausdauernd daran arbeiten, per Aufstieg auch die Premier League zu erobern, plant Arbeitgeber Huddersfield Town den vermarktungstechnischen Gegenschlag. Der von Deutschen eroberte Klub will Deutschland erobern.

"Ich habe das Gefühl, dass das ein wichtiges strategisches Gebiet werden könnte", wurde Commercial Director Sean Jarvis Mitte Januar in einer Presseaussendung zitiert. Darin gab der Klub eine sechsmonatige Zusammenarbeit mit der deutschen Agentur Bockelkamp Sports Marketing UG bekannt, "um das Corporate Portfolio des Klubs im deutschsprachigen Raum zu promoten".

Das Interesse an Huddersfield ist ob des eingeschlagenen deutschen Weges hierzulande groß. Bereits vor der Zusammenarbeit mit der Agentur bekam der Klub "viele E-Mails und Interessensbekundungen von deutschen, österreichischen oder Schweizer Firmen", erklärt Jarvis: "Wir wären albern, das nicht auszuforschen."

Es traf sich also gut, dass sich Markus Bockelkamp im Norden Englands, im geografischen Dreieck zwischen Manchester, Leeds und Sheffield, meldete. "Huddersfield hat sich für einen deutschen Weg entschieden und ist mittlerweile der deutscheste Klub außerhalb von Deutschland", sagt Bockelkamp im Gespräch mit SPOX, "deshalb bin ich aktiv geworden und habe den Klub angesprochen."

Anlegestellen in Huddersfield

Einige Verhandlungsrunden später gab der Klub die Zusammenarbeit mit der Agentur bekannt und nun arbeitet Bockelkamp eben daran, "die Weichen darauf stellen, dass der Klub bei einem möglichen Aufstieg bereit ist, Sponsoren aus dem deutschsprachigen Raum an Land zu ziehen". Dafür bieten Bockelkamps Agentur und der Klub den potenziellen Sponsoren einladende Anlegestellen, um guten Gewissens auf der Insel an Land gehen zu können.

Da gäbe es etwa die klassische Trikot- oder Bandenwerbung. Im Vergleich zu deutschen Vereinen auf ähnlichem Niveau sei das in Huddersfield deutlich kostengünstiger, erklärt Bockelkamp. Ähnlich sähe es bei der Vermarktung von Stadion und Vereinsgelände aus. REWE-Arena, BMW-Ground oder Telekom-Stadium in Huddersfield? So oder so ähnlich womöglich bald Realität.

Außerdem im Anlegestellen-Angebot: Matchday-Hospitality, wie der Verkauf von VIP-Karten im Fachjargon heißt. In Huddersfield sei dies besonders reizvoll, sagt Bockelkamp: "Trainer Wagner hat im Verein eine familiäre Atmosphäre geschaffen, weshalb man als Sponsor sehr unkompliziert mit Spielern in Kontakt treten kann." Ein Tete-a-Tete mit Chris Schindler? Alles ist möglich in Huddersfield.

Erste interessierte Firmen wurden bereits nach Huddersfield eingeladen und waren laut Bockelkamp "von der Atmosphäre begeistert".

Vertrauen in den Fußball-Gott

Tatsächlich umgesetzt und unterschrieben würden die Verträge mit den interessierten deutschen, österreichischen oder Schweizer Firmen aber erst nach einem fixierten Aufstieg in die Premier League, denn "die Championship funktioniert vermarktungstechnisch hierzulande nicht", sagt Bockelkamp. In der Zweitklassigkeit mangelt es schlicht an Reichweite. Der Vertrag zwischen Verein und Agentur gilt deshalb vorläufig nur bis zum Ende der Saison. Sollte der Klub aufsteigen, verlängert sich die Zusammenarbeit.

"Damit unsere gemeinsame Geschichte weitergeht, muss also der Fußball-Gott mitspielen", sagt Bockelkamp. Und Bockelkamp hat großes Vertrauen in den Fußballgott: "Ich bin mir sicher, dass der Klub am Ende direkt aufsteigt."

Huddersfield ist aktuell mit sechs bzw. sieben Punkten Rückstand auf das führende Duo aus Newcastle und Brighton Dritter. Die ersten beiden Klubs steigen am Ende der Saison direkt auf, die Vereine auf den Plätzen drei bis sechs spielen einen weiteren Aufsteiger in einem Play-Off aus. Das Momentum spricht jedenfalls für Huddersfield: 13 der zurückliegenden 18 Ligaspiele gewannen die Terrier, auch dank spezieller Maßnahmen von Trainer Wagner.

Fischen in Schweden

Ziel dieser Maßnahmen ist stets das Einschwören des Terrier-Rudels. So steht etwa in allen Spieler-Verträgen, dass der jeweilige Wohnsitz innerhalb eines 15-Meilen-Radius um das Trainingsgelände liegen muss. Vier Tage der Saisonvorbereitung war jedoch nicht das Trainingsgelände die zentrale Anlaufstelle der Terrier, sondern ein Zeltkreis in der schwedischen Wildnis. Wagner organisierte ein Survival-Camp, um den Zusammenhalt der Mannschaft zu stärken. "Keine Elektrizität, keine Toilette, kein Bett, kein Handy, kein Internet", erklärt der Trainer: "Wer hungrig war, der musste sich eine Angel nehmen und fischen gehen. Wem kalt war, der musste ein Feuer machen."

Übernachtet wurde in Zwei-Mann-Zelten, fortbewegt wurde sich in Zwei-Mann-Kanus - und die Belegschaft dabei munter durchrotiert. "Je besser man sich außerhalb des Platzes kennt, desto besser funktioniert es auf dem Platz", sagt Wagner, der sich neben der Organisation von Survival-Camps natürlich auch um die Taktik der Mannschaft kümmert.

Hohes Pressing, viel Laufbereitschaft und schnelles Umschaltspiel sind die großen Stärken der Terrier. Jürgen-Klopp-Fußball eben. Wagner und der Liverpool-Trainer kennen sich aus gemeinsamen Zeiten in Mainz, später trainierte Wagner die Dortmunder Reserve, während sich Klopp um die Profis kümmerte. "Es war Liebe auf den ersten Blick", sagt Wagner.

Urbritische Tradition

Um die Liebe zwischen Huddersfields traditioneller Fan-Basis und den deutschen Eroberern zu entfachen, brauchte es im Herbst 2015 hingegen wohl nicht nur einen, sondern eher ein paar Blicke. Zu Beginn herrschte durchaus Skepsis, ist Wagner doch der erste Trainer in der ruhmreichen Vereins-Geschichte, der keiner britischen Insel entstammt.

Als Huddersfield in den 1920er Jahren drei Mal die bedeutende Meisterschaft und einmal den bedeutenden FA Cup gewann, hießen die Trainer Herbert Chapman oder Cecil Potter. Als Huddersfield 1995 den eher unbedeutenden Yorkshire Electricity Cup gewann, hieß er Neil Warnock. Durchaus mit Recht sagt Wagner also: "Huddersfield ist ein urbritischer Verein."

Deutsche Fahnen und Stammtische

Mittlerweile wehen aber deutsche Flaggen auf der Fantribüne hinter dem Tor. Wer diese eigentlich immer hisst, fragte sich Bockelkamp mal bei einem seiner Besuche vor Ort. "Wir haben Securities losgeschickt, damit sie herausfinden, was es damit auf sich hat", erzählt Bockelkamp und die Securities berichteten, dass es sich um keine deutschen Fußball-Touristen handelt, sondern um Engländer, die die Fahnen aus Respekt vor dem deutschen Weg des Klubs mitgebracht hätten. "Trotz Brexit und in the middle of nowhere hissen Engländer deutsche Fahnen, das fand ich sehr emotional", sagt Bockelkamp. Völkerverständigung in der Fußball-Sprache.

Sollte es unter Huddersfield-Fans Interesse zu noch tiefgreifenderer Völkerverständigung geben, in gesprochener Sprache etwa, bietet sich der "Deutschsprachige Stammtisch Huddersfield" an. "Hallo an alle Deutschsprechenden", heißt es einleitend wie einladend auf dem Internetauftritt und weiter: "Wir haben vor, uns mindestens einmal monatlich zu treffen."

Sofern der Fußball-Gott mitspielt, würden sich bei den Stammtisch-Treffen ab kommendem Sommer Gast-Auftritte deutschsprachiger Sponsoren-Vertreter anbieten.

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