Mats Hummels als Führungsspieler beim FC Bayern München: Der Kapitän ohne Binde

Mats Hummels ist beim FC Bayern der Chef
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Mats Hummels ist beim FC Bayern München innerhalb von anderthalb Jahren nicht nur zum Leistungsträger aufgestiegen. Nach dem Karriereende von Philipp Lahm und wegen der Langzeitverletzung von Manuel Neuer ist er auch der emotionale Leader des Teams und der gefühlte Kapitän.

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Der FC Bayern hat alles im Griff und segelt auf Kurs Pokalfinale. In der heimischen Arena hat der Rekordpokalsieger einen frühen Rückstand gegen Borussia Dortmund gedreht und das Ding im Griff.

Der beste Mann auf dem Platz: Mats Hummels. Gegen seine alten Kollegen blockt der Innenverteidiger nicht nur den Weg vor dem 1:1 frei und erzielt die wichtige 2:1-Führung selbst. Er steht hinten auch bombensicher, antizipiert Pässe des Gegners, ist bei Standards eine Bank, klärt zweimal überragend gegen Pierre-Emerick Aubameyang und packt in der 56. Minute eine Weltklasse-Grätsche gegen Ousmane Dembele aus.

Das Gefühl: Solange dieser Hummels auf dem Platz steht, geht für die Bayern an diesem Abend nichts schief und die Tickets nach Berlin können gelöst werden.

Ancelotti wechselt Hummels gegen den BVB aus - und wird bestraft

Doch er steht nicht mehr lange auf dem Platz. Nach einer Stunde nimmt Trainer Carlo Ancelotti Hummels vom Feld. "Heute war der Akku schon zur Halbzeit leer", begründet der Verteidiger später im Interview: "Ich konnte nicht mehr zum Sprint anziehen. Ich hatte Hüfte, Adduktoren, Oberschenkel, Wade - das komplette Programm. Ich habe zur Halbzeit schon gesagt, dass es schwierig wird, aber ich wollte es noch einmal versuchen, sodass es sich vielleicht noch einmal rausläuft. Aber es ging einfach nicht mehr."

Die Auswechslung von Hummels macht etwas mit dem Spiel. Die selbstverständliche Stabilität in der Münchner Defensive? Verschwunden. Nicht einmal eine Viertelstunde später führt der BVB 2:3. Hummels muss von der Bank aus mitansehen, wie seine Teamkollegen es nicht mehr schaffen, das Ruder herumzureißen.

Bayern ist draußen, der BVB steht im Finale, das er später in Berlin gegen Eintracht Frankfurt gewinnen wird.

Heynckes verweigert Hummels die Auswechslung gegen den BVB

Fast genau ein halbes Jahr später. Der FC Bayern liegt im Bundesliga-Kracher beim BVB knapp in Front. Wieder hat Hummels Beschwerden. Wegen einer blau angelaufenen Zehe hat er sogar Löcher in seine Kickschuhe geschnitten. Eigentlich will er zur Halbzeit raus.

Aber nicht mit seinem Trainer, mittlerweile Jupp Heynckes: "Das habe ich verweigert. Ich habe ihm gesagt, er muss sich durchbeißen. In so einem engen Spiel kann man keinen Eckpfeiler rausnehmen."

Das Ergebnis: Die Bayern bleiben stabil, gewinnen 3:1 und setzen sich in der Tabelle vom Konkurrenten ab.

Hummels ist Leistungsträger beim FC Bayern

Seit seiner Rückkehr nach München im Sommer 2016 hat sich Hummels zu einem der wichtigen "Eckpfeiler", wie Heynckes es nennt, entwickelt. Nach Startschwierigkeiten im ersten Drittel der vergangenen Saison hat er sich auf einem hohen Niveau eingependelt und ist in wichtigen Spielen unverzichtbar. So unverzichtbar, dass ihn sein Trainer in wichtigen Momenten auf dem Platz haben will, koste es, was es wolle.

Im direkten Vergleich zu seinen Innenverteidiger-Kollegen Jerome Boateng und Niklas Süle ist er deutlich zweikampfstärker (65 Prozent, Boateng 59, Süle 51), gewinnt die meisten Tacklings (75 Prozent, Boateng 62, Süle 70) und fängt 2,32 Bälle pro Spiel ab (Boateng 0,8, Süle 1,06).

Hummels' Persönlichkeit hat großen Einfluss

Viel wichtiger als die statistischen Kennzahlen ist jedoch der Einfluss, den Hummels als Persönlichkeit mittlerweile auf das Spiel der Bayern hat. Seine Präsenz ist spürbar - und wichtig. Das erfuhr in der Endphase auch Ancelotti.

Bei dessen Schicksalsspiel in Paris saß Hummels 90 Minuten auf der Bank. In seiner Abwesenheit war die Abwehr vogelwild. Zwar bestritt er, Stimmung gegen Ancelotti gemacht zu haben, mit ihm, Boateng, Arjen Robben und Franck Ribery gleich vier wichtige Führungsspieler rauszunehmen, fiel dem Italiener dennoch vor die Füße.

Speziell in den relevanten Spielen ist Hummels unverzichtbar. Er ordnet die Abwehr und peitscht die Teamkollegen nach vorne.

Einer der Hungrigsten beim FCB

Hummels versprüht eine Extraportion Ehrgeiz: Beim 3:1-Sieg im Rückspiel gegen Paris Saint-Germain war er fuchsteufelswild, weil die Bayern nicht konsequenter auf ein höheres Ergebnis und damit den Gruppensieg spielten. Nach der Partie diskutierte er noch auf dem Spielfeld wild gestikulierend mit Peter Hermann. Später in der Mixed Zone war seine Wut noch nicht verflogen, weswegen er sich nicht äußern wollte.

Ja, Hummels ist Weltmeister und hat mittlerweile zahlreiche Titel auf der Rückseite seiner Autogrammkarte stehen. Er gehört dennoch zu den Spielern, die nicht zum Triple-Team 2013 gehörten und ist damit womöglich noch einer der hungrigsten.

Nach dem Karriereende der Führungsspieler Philipp Lahm und Xabi Alonso prophezeiten viele dem FC Bayern ein Führungsvakuum. Hummels ist innerhalb von nur anderthalb Jahren in die Rolle des emotionalen Leaders hineingewachsen.

Auf dem Platz und neben dem Platz: Seine Außendarstellung ist klar. Wenn er sich äußert, legt er den Finger in die Wunde. Er laviert nicht herum, ist sachlich, gerne kritisch. Nicht nur wegen der Verletzung von Manuel Neuer ist der 29-Jährige mittlerweile der gefühlte Kapitän der Bayern. Der Kapitän ohne Binde.

Wichtige Rolle für Hummels gegen den BVB

Als dieser wird Hummels vermutlich auch im DFB-Pokal-Achtelfinale gefragt sein. Dann geht's wieder mal gegen seinen Ex-Verein, den BVB (ab 20.45 Uhr im LIVETICKER). Die Gesundheit jedenfalls steht ihm nicht im Wege, die Heynckes noch am Samstag in Stuttgart dazu bewog, ihn nach einer erneut starken Leistung nach einer Stunde auszuwechseln.

Ein Widerspruch zur Nicht-Auswechslung im BVB-Spiel vor sechs Wochen? Nicht wirklich. In der Liga sind die Bayern mittlerweile so weit enteilt, dass selbst ein möglicher Punktverlust gegen den VfB - und den hätte es angesichts des Elfmeters in der Nachspielzeit auch tatsächlich beinahe gegeben - absolut zu verschmerzen gewesen wäre.

Vor allem, wenn wenige Tage zum Jahresabschluss der "vorgezogene Saisonhöhepunkt" (Heynckes) gegen den BVB ansteht. Dann braucht Bayern einen fitten Hummels.

Hummels und das Pokalduell Bayern gegen den BVB

Womöglich für ein neues Kapitel der ganz besonderen Verwurzelung, die Hummels mittlerweile mit dem deutschen Clasico im Pokal hat. In den letzten fünf Jahren spielten die beiden Granden immer irgendwann in diesem Wettbewerb gegeneinander - immer wieder mit Hummels im Mittelpunkt.

Ob als Torschütze bei Dortmunds 5:2-Sieg 2012. Als Schütze des nichtgegebenen Treffers 2014, der die Einführung des Videobeweises zur Folge hatte. Oder eben durch die Knackpunkt-Auswechslung in der vergangenen Saison.

Kein Wunder, dass die Partie für Hummels einen besonderen Stellenwert hat: "Das ist das größte Spiel in Deutschland, da kribbelt es besonders", gab Hummels zu: "Das sind immer geile Spiele, aber sie sind auch schwer."

Schwieriger ohne Hummels als mit. So war es zumindest in der Vergangenheit.

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