Leroy Sane steht im Mittelpunkt und schweigt - Joshua Kimmich: "Ich würde den kaufen"

SID
Joshua Kimmich (l.) freut sich über Leroy Sanes Führungstreffer für Deutschland gegen Weißrussland.
© getty

Leroy Sane stand beim 2:0-Erfolg der deutschen Nationalmannschaft in der EM-Qualifikation in Weißrussland im Mittelpunkt. Dabei ging es aber nicht so sehr um seine starke Leistung, sondern vielmehr um seine Zukunft. Derweil kann man festhalten: Es geht auch mal ohne Joachim Löw.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Als Leroy Sane die Borissow Arena nach Mitternacht verließ, kreischten die wartenden Fans. Er umdribbelte sie aber ebenso geschickt wie zuvor seine Gegenspieler sowie die auf Antworten hoffenden Journalisten - und stieg mit einer Getränkeflasche in der rechten und seinem Kulturbeutel in der linken Hand in den bereitstehenden Mannschaftsbus.

Trotz seines Führungstreffers beim 2:0 (1:0)-Erfolg der DFB-Auswahl in der EM-Qualifikation in Weißrussland wollte der 23-Jährige nicht reden. Denn Sane wusste genau: Die Fragen hätten sich weniger um sein viertes Tor im 20. Länderspiel gedreht, sondern um seine Zukunft.

"Es wird manchmal schwer und nervig, wenn man die 50. Frage gestellt bekommt und immer wieder sagen muss: dazu sage ich nichts", sagte Nationalmannschafts-Direktor Oliver Bierhoff.

Joshua Kimmich mit eindeutiger Kaufempfehlung an Bayern

Daher twitterte der vom deutschen Fußball-Rekordmeister Bayern München heiß umworbene Sane nur und schrieb zu einem Foto, das ihn beim Torjubel mit Vorlagengeber Joshua Kimmich zeigt: "Weiterer Schritt in die richtige Richtung."

Aber was ist die richtige Richtung für den Offensivspieler? Erfüllt er seinen bis Juni 2021 laufenden Vertrag beim englischen Meister Manchester City trotz zuletzt wenig Einsatzzeit unter Teammanager Pep Guardiola? Oder kehrt er in die Bundesliga zurück? Für Kimmich ist die Antwort klar. Sane sei ein junger, deutscher Spieler mit einem super Potenzial, stellte Kimmich fest. Seine Schlussfolgerung: "Ich an Bayerns Stelle würde den kaufen."

Marcus Sorg: Leroy Sane "hat sich ganz normal verhalten"

Sanes Zukunft bleibt vor dem nächsten EM-Qualifikationsspiel am Dienstag in Mainz gegen Estland innerhalb des Teams ein großes Thema. Die Bild schrieb schon von einem "Kabinen-Kampf" um den schnellen Stürmer. Die sechs Münchner im Kader wollen Sane von einem Wechsel an die Isar überzeugen, Ilkay Gündogan hält dagegen. "Ich weiß nicht viel, aber ich weiß ein bisschen. Ich gehe momentan davon aus, dass Leroy bleibt", sagte Sanes Klubkollege.

Ersatz-Bundestrainer Marcus Sorg bleibt gelassen. Für ihn zählt nur Sanes Leistung. Diese stimmte in Weißrussland, auch wenn Sane etwas die Räume fehlten, um zu glänzen und er Pech mit einem Kopfball an den Pfosten hatte. "Er hat im Spiel immer wieder aufblitzen lassen, was in ihm steckt", sagte Sorg.

Dass Sane durch die Diskussionen um ihn herum abgelenkt sein könnte, glaubt der 53-Jährige nicht. "Er hat sich ganz normal verhalten mit den Jungs. Er war auch im Training in keiner Weise belastet", sagte Sorg.

Kimmich stichelt weiter - Julian Draxler macht Witze

Doch nach dem Spiel gegen Estland wird sich Sane irgendwann zu seiner Zukunft äußern müssen. Er selber soll noch unentschlossen sein. Die Bayern wollen den Spieler überzeugen und dann in die Verhandlungen mit City einsteigen.

"Er durfte bei City - gerade in den wichtigen Partien - nicht immer spielen, was ich persönlich nicht nachvollziehen kann", betrieb Kimmich weiter fleißig Werbung. Julian Draxler verfolgt die Entwicklungen als Unbeteiligter mit Humor. "Ich habe ihn die letzten Tage nur mit 'Mia san mia' angesprochen", scherzte der Nationalspieler von Paris St. Germain.

Joachim Löw geht "ganz entspannt" ins Bett

So verworren die Situation um Sane derzeit ist, so eindeutig fiel Fazit zum Trainerdebüt von Sorg aus. Joachim Löw hatte sich sein Handy als "Notfallvariante" bereitgelegt - doch als der Bundestrainer schließlich in Borissow durchklingelte, übermittelte er erleichtert Glückwünsche.

"Wir haben gesprochen, er hat uns beglückwünscht, war sehr zufrieden", sagte Sorg mit sichtlichem Stolz nach dem nächtlichen Telefonat mit seinem Chef. Löw sei nach dem souveränen 2:0 (1:0) seiner verjüngten Fußball-Nationalmannschaft in Weißrussland "ganz entspannt" ins Bett gegangen, berichtete Oliver Bierhoff.

Die Tage bis zum Estland-Match werde der Bundestrainer im Krankenstand sicher "ruhiger" verbringen, meinte der DFB-Direktor. Und dazu hat Löw guten Grund: Ein Jahr nach dem WM-Desaster ist seiner neuformierten Auswahl auch ohne sein unmittelbares Zutun auf dem Weg zur EM 2020 mit jetzt sechs Punkten ein perfekter Start gelungen. Und seine "jungen Wilden" reifen.

Neue Achse funktioniert, Löw muss nicht eingreifen

Das war auch in der Borissow Arena eine gute Autostunde östlich von Minsk zu beobachten. Mit Kapitän Manuel Neuer im Tor, der sogar als Dribbelkönig an der Torauslinie glänzte, dem bärenstarken Abwehrchef Niklas Süle und Antreiber Kimmich ist eine neue, stabile Achse entstanden.

Und vorne schafften es nicht nur die Torschützen Sane (12.) sowie Marco Reus (62.) trotz ultradefensiver Ausrichtung des Gegners, immer wieder Lücken zu finden.

Bierhoff war nach dem 71. Sieg im 100. EM-Qualispiel deshalb nicht überrascht, dass es von Löw während des Spiels "keine Meldung" gab. "Die Notfallvariante war nicht notwendig", berichtete er zufrieden.

Gegen Estland winkt ein neuer Quali-Rekord

Und so versammelte Sorg am Sonntag nach der Regeneration im Hotel und auf dem Gelände des weißrussischen Verbandes zum Abflug nach Frankfurt eine gut gelaunte Reisegruppe. "Man merkt: Hier wächst etwas zusammen. Die Spieler verstehen sich gut, die wollen etwas aufbauen. Das hat sich auch im Spiel gezeigt", befand Bierhoff.

Sicher, die vielzitierten Automatismen müssten sich "noch ein bisschen einspielen, aber das war auf jeden Fall die richtige Richtung".

Sportlich stimmt die Bilanz jedenfalls. Der erste große Schritt sei das 3:2 bei Erzrivale Niederlande gewesen, sagte Draxler, "den haben wir heute vergoldet". Mit dem 13. Sieg in einem Qualifikationsspiel hintereinander wurde zudem der Rekord aus den Jahren 2010 bis 2012 eingestellt. Die Bestmarke und das weitere Zusammenwachsen sollen gegen die Esten gelingen, Nummer 96 der Weltrangliste.

Die Stimmung sei gut, sagte Kimmich, "wir kennen und schätzen uns sehr und mögen uns auch, da haben wir eine gute Konstellation". Wer welche Rolle in der Hierarchie einnehme, kristallisiere sich letztlich bei den Spielen heraus. Noch sechs Qualispiele und den Test im Oktober gegen Lionel Messis Argentinien hat die verjüngte Auswahl Zeit, um für das EM-Jahr 2020 zur Einheit zu werden. Das erklärte Ziel: Titelreife.

Artikel und Videos zum Thema